Umweltprojekte
Frisch vom Friedhof: Honigproduktion inmitten von Gräbern
Auf einem Friedhof in Lüdenscheid ist neues Leben eingekehrt: Mit Bienenstöcken und einer Wildblumenwiese.
Lüdenscheid – Viel Leben herrscht seit kurzem auf dem evangelischen Friedhof in Gevelndorf – oder zumindest auf einem Teil davon. Dafür sorgen unzählige Bewohner, die dorthin gezogen sind. Auch noch zu dieser Jahreszeit summen die Winterbienen, fliegen ein und aus an den Bienenstöcken. Nur aus einem Grund: um die Königin zu versorgen. Die Sommerbienen fangen mit der Honigproduktion hingegen erst nächstes Jahr wieder an.

Eine große Biene prangt auf einer der beiden kleinen Holzhütten, rund 50 Meter entfernt von den Grabanlagen. Ein Schild im Infokasten des Friedhofs verkündet: „Honig aus eigener Imkerei“. Dahinter steckt Imker Robert Breddermann, der zusammen mit Friedhofsgärtner Jörn Genster dieses ungewöhnliche Friedhofsprojekt ins Leben gerufen und mehrere Bienenstöcke auf dem Friedhofsgelände platziert hat.
Bislang ist nichts passiert und es gab keine Beschwerden von den Friedhofsbesuchern.
Jörn Genster, Friedhofsgärtner
„Durch die veränderte Bestattungskultur, die auch vor dem evangelischen Friedhof in Lüdenscheid-Oberrahmede keinen Halt gemacht hat, ergeben sich für die meisten Friedhöfe neue Herausforderungen bezüglich der Flächennutzung beziehungssweise -unterhaltung“, erklärt Jörn Genster. Wobei vor 40 Jahren noch alles anders gewesen sei. „Wegen des höheren Flächenbedarfs bei einer Sargbestattung ist der Oberrahmeder Friedhof bis in die 1980er-Jahre stetig gewachsen.“ Damals habe es nur einen geringen Anteil an Urnenbeisetzungen gegeben.

Mittlerweile habe man eine entgegengesetzte Entwicklung. „Bis zu 90 Prozent der Verstorbenen werden hier auf dem Friedhof in einer Urne beigesetzt“, erklärt Genster. Zum Vergleich: Für eine Sargbestattung brauche man eine Fläche von 1,25 mal 2,50 Meter. Für eine Urnenbestattung seien hingegen nur 80 mal 80 Zentimeter erforderlich. Daraus haben sich in den vergangenen Jahren durch viele abgeräumte Sargbestattungsgräber freie Stellen gebildet, die meist als „Gräberlücken“ zwischen weiterhin belegten Grabstellen zu finden sind. Diese mit Rasen eingesäten Lücken müssten nun aufwendig von den Friedhofsgärtnern gemäht werden.
Neue Nutzung ehemaliger Grabflächen
Auf einer größeren, im oberen Teil des Friedhofs gelegenen, zusammenhängenden Rasenfläche konnte so jetzt eine andere Nutzung umgesetzt werden. „Da hier nur noch wenige belegte Grabstellen vorhanden sind, gibt es in diesem Bereich auch nur noch eine geringe Anzahl an Friedhofsbesuchern“, ergänzt er. Somit seien das gute Voraussetzungen für eine Renaturierung. „Auf dieser Fläche ist zudem eine Insektenwiese angelegt worden, in Kooperation mit Robert Breddermann.“ So könnten die nicht mehr belegten Flächen des Friedhofes sinnvoll genutzt werden und die Bienen fänden hier ungestört reichlich Nahrung, um einen schmackhaften, gesunden und bekömmlichen Honig zu produzieren. „Die kurz gemähten Rasenflächen haben sonst ja nur wenig Nutzen für die Natur und Umwelt“, erklärt Genster. Mit der Blumenwiese, die noch vergrößert werden soll, werde sich das zumindest in Gevelndorf ändern. „Ich weiß von keinem anderen Friedhof im Friedhofsverband, der auch so etwas macht“, sagt der Gärtner zur Besonderheit dieses Projekts.
Nicht weit entfernt vom Friedhof lebt Hobby-Imker und Goldmedaillengewinner Robert Breddermann mit seiner Familie und seinen acht Bienenstöcken. Die Auszeichnung gab es in diesem Jahr bei der landesweiten Honigbewertung des Landesverbandes Westfälischer und Lippischer Imker e.V. Somit gehört sein Honig zu den fünf besten im Märkischen Kreis. Auch für den Imker ist das Friedhofsprojekt eine Premiere. „Die Idee zu dem Projekt kam ganz spontan im Gespräch mit Jörn Genster“, erklärt er. Und nach dem Okay des Evangelischen Friedhofsverbandes, der von dem Honigprojekt sehr angetan gewesen sei, konnte es schon losgehen. Natürlich hätten im Vorfeld Fragen im Raum gestanden, ob die Bienen für Friedhofsbesucher eine Gefahr darstellen könnten, ob die sich gestört fühlen könnten, erzählt er. Diese Bedenken wurden aber schnell entkräftet. Zum einen stehen die Bienenstöcke etwas abseits, in einem Bereich, wo sich nicht mehr viele Menschen aufhalten, zum anderen seien Honigbienen ja überhaupt nicht aggressiv. „Da muss man schon an den Bienenstöcken herumfummeln, damit sie aggressiv werden“, weiß er. Unterstützt wird er von seiner Tochter Bianka, die die Honiggläser gestaltet und beschriftet.
Bislang keine Beschwerden
Jörn Genster fügt hinzu: „Bislang ist nichts passiert und es gab keine Beschwerden von den Friedhofsbesuchern.“ Viele hätten erkannt, dass Friedhöfe mit der Zeit gehen müssten, sich was einfallen lassen müssten, um attraktiver zu werden. Und vielleicht könne man das Honigprojekt auch noch weiter ausbauen, dass vielleicht Schulklassen kommen, um von Robert Breddermann in die Welt der Bienen und Imkerei eingeführt zu werden, überlegt der Gärtner. Und vielleicht könne der Imker ja seinen Honig vom Friedhof auch an seiner Gärtnerei, direkt am Eingang zum Friedhof, vertreiben, ergänzt er. Aber das müsse natürlich alles noch vorher mit dem Friedhofsverband abgesprochen werden. Ganz konkret gibt es aber schon Pläne für 2026: Nicht nur die Insektenwiese soll wachsen, sondern auch weitere Bienenvölker sind auf dem Friedhof geplant.
Bislang noch ein Testprojekt
„Das ist ein Testprojekt“, erklärt Detlev Trester, Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbandes Lüdenscheid-Plettenberg. Testprojekt, weil solche Aktionen auf einem Friedhof doch immer noch sehr zwiespältig gesehen würden. Auf anderen Friedhöfen würden die freigewordenen Flächen zwar auch renaturiert, aber mit Wildblumenwiesen oder anderen Anpflanzungen. „Mit Bienen und Honig ist es das erste Mal“, sagt Trester. Der Friedhof in Gevelndorf biete sich aber auch dafür an, weil es dort mittlerweile große freie Flächen gebe, zum anderen sei dieser auch nicht so hoch frequentiert wie andere Anlagen. „Bislang gibt es keine Beschwerden“, erklärt der Geschäftsführer zum ungewöhnlichen Bienenprojekt. Aber auch keine positiven Rückmeldungen. Solche wären heutzutage allerdings auch selten, findet Trester. Sollte es in Zukunft ohne Beschwerden bleiben, könne man so ein Honig-Projekt auch auf anderen Friedhöfen ins Leben rufen.
