Viele Städte und Kommunen machen sich derzeit Gedanken darüber, wie ihre Gebäude in Zukunft beheizt werden sollen. Im Gespräch ist dabei auch
Wasserstoff
– ein Energieträger, dem gerade in der Industrie große Hoffnungen gelten. Doch was für Hochtemperaturprozesse in der Stahl- oder Chemiebranche sinnvoll sein kann, entpuppt sich fürs eigene Zuhause als teure Sackgasse.
Wasserstoff im Heizungskeller? Die Zahlen sprechen dagegen
Das zeigt eine aktuelle
Studie
des Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien (IEG), die im Oktober 2025 im Auftrag von Greenpeace und GasWende veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: Heizen mit Wasserstoff wird teuer, ineffizient und könnte Verbraucher*innen teuer zu stehen kommen – vor allem im Vergleich mit anderen Optionen wie Wärmepumpen oder Fernwärme.
Die Forschenden beziffern die Endverbrauchspreise im Jahr 2045 auf 16,3 bis 38,2 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) – je nachdem, wie teuer Transport, Verteilung und saisonale Speicherung ausfallen. Zum Vergleich: Der staatlich gedeckelte Gaspreis lag zuletzt bei 12 ct/kWh.
Ein paar Zahlen zeigen, wo das Problem liegt:
-
Produktion von grünem Wasserstoff:
rund 11 bis 15 ct/kWh -
Speicherung
für den Winter:
2,7 bis 7,1 ct/kWh -
Verteilung bis zum Hausanschluss:
3,9 bis 7,6 ct/kWh -
Transport über das neue Wasserstoff-Kernnetz:
laut
Bundesnetzagentur pauschal 25 Euro pro Kilowattstunde pro Jahr (€/kWh/h/a) – umgelegt rund 1,6 ct/kWh
Das Fazit der Studie:
Würde man Wasserstoff künstlich auf das Niveau von 12 ct/kWh drücken, wären dafür jedes Jahr zwischen 9,4 und 21,3 Milliarden Euro Steuergeld nötig – über Jahrzehnte hinweg.
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Viele Menschen könnten dabei in eine Art Kostenfalle mit Ansage tappen. Die Gesetzeslage erlaubt zwar unter bestimmten Bedingungen den Einbau sogenannter H
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-ready-Gasheizungen – aber nur, wenn die Kommune ein „Wasserstoffgebiet“ ausweist und der Netzbetreiber bis spätestens 2045 einen detaillierten Fahrplan für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf die vollständige Versorgung der Anschlussnehmer mit Wasserstoff (FAUNA) vorlegt.
Solange ein Gebiet nicht offiziell als Wasserstoff-Versorgungszone ausgewiesen ist – und das kann sich über viele Jahre hinziehen –, wird ein sogenannter H
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-ready-Heizkessel ganz klassisch mit Erdgas betrieben. Für viele Haushalte bedeutet das: Sie bleiben länger im fossilen System hängen, als ursprünglich gedacht. Genau das wird jedoch zunehmend teuer.
Das liegt zum einen daran, dass ab dem Jahr 2027 der zweite Europäische Emissionshandel (ETS 2) auch auf den Gebäudesektor ausgeweitet wird. Heizenergie aus fossilem Gas wird dadurch schrittweise mit CO₂-Kosten belastet – und damit deutlich unattraktiver. Zum anderen steigen auch die Netzentgelte für das Gasnetz. Denn die Bundesnetzagentur
erlaubt
es den Betreibern, ihre Gasinfrastruktur nun schneller abzuschreiben. Die Folge: Die verbleibenden Kosten werden in kürzerer Zeit auf weniger Kund*innen umgelegt – was sich direkt in höheren Gebühren widerspiegelt.
Kommt der Wasserstoff dann am Ende doch nicht – etwa weil der Umbau der Netze scheitert oder das Projekt wirtschaftlich nicht tragfähig ist –, verpflichtet das Gesetz die betroffenen Haushalte dazu, innerhalb von drei Jahren eine neue, gesetzeskonforme Heizung einzubauen. In der Praxis heißt das meist: eine Wärmepumpe oder der Anschluss an ein Fernwärmenetz. Für viele wäre das dann bereits die zweite kostspielige Umrüstung in relativ kurzer Zeit – zusätzlich zu den gestiegenen Betriebskosten in der Übergangsphase. Und eine finanzielle Entschädigung? Die gibt es laut aktueller Rechtslage nur dann, wenn der Netzbetreiber nachweislich die Verantwortung für das Scheitern trägt – was sich im Zweifel schwer belegen lässt.
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Wasserstoff lohnt sich im Haushalt nicht
Die Fraunhofer-Ergebnisse werden durch weitere Studien gestützt. Eine internationale Metaanalyse von 54 Untersuchungen, veröffentlicht im Fachjournal Cell Reports Sustainability, zeigt: Wasserstoffheizungen schneiden durchweg schlechter ab als elektrische Alternativen.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Kein Fall mit Kostenvorteil für Wasserstoff
- Im Median 24 Prozent höhere Systemkosten
- In vielen Szenarien sogar über 80 Prozent höhere Preise für Endverbraucher*innen
Warum das so ist, lässt sich leicht erklären: Wasserstoff muss erst mit Strom hergestellt, dann gespeichert und transportiert und anschließend verbrannt werden. Das bedeutet, dass auf dem Weg vom Windrad bis zur Raumwärme jede Menge Energie und damit Geld verloren gehen.
Wärmepumpen nutzen Strom direkt – und erzeugen damit bis zu viermal so viel Wärme. Das macht sie effizienter, günstiger und bereits heute verfügbar.
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Das wird aus dem Gasnetz
Die Studie weist auch auf ein anderes, oft übersehenes Problem hin: das bestehende Gasnetz. Viele Abschnitte werden laut Bundesnetzagentur in den kommenden Jahrzehnten stillgelegt werden müssen, weil sie für Wasserstoff nicht geeignet oder schlicht überflüssig sind.
Mit der Festlegung zur Anpassung von kalkulatorischen Nutzungsdauern und Abschreibungsmodalitäten von Erdgasleitungen (
KANU 2.0
) dürfen Netzbetreiber diese Leitungen nun beschleunigt abschreiben – was bedeutet, dass die noch verbleibenden Gaskund*innen mehr zahlen. Wer in einer Straße wohnt, in der immer weniger Haushalte auf Gas setzen, muss also mit steigenden Gebühren rechnen.
Nur wenn ganze Netzteile bewusst zurückgebaut werden – etwa im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung –, lässt sich dieser Effekt eindämmen.
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Wärmepumpen und Fernwärme: Günstiger, verfügbar, förderfähig
Es gibt gute Alternativen – und die sind sogar wirtschaftlicher. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat für verschiedene Gebäudetypen berechnet, dass Wärmepumpen über ihren Lebenszyklus günstiger sind als neue Gasheizungen – auch im Altbau. In Städten mit dichter Bebauung kann wiederum Fernwärme eine effiziente Lösung sein, vor allem, wenn die Netze mit großen Wärmepumpen, Abwärme oder nachhaltiger Biomasse betrieben werden.
Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) verpflichtet Kommunen mittlerweile, genau zu analysieren, welche Technologie wo Sinn ergibt – ein wichtiger Schritt zu mehr Klarheit für Eigentümer*innen und Mieter*innen.
Die Botschaft der Fraunhofer-Studie ist eindeutig: Wasserstoff ist nicht die Lösung fürs Heizen in Wohngebäuden. Er ist zu teuer, zu ineffizient – und rechtlich riskant. Wer heute auf ein H
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-ready-System setzt, zahlt zuerst für steigende Gaspreise und Netzgebühren – und später womöglich noch einmal für eine komplette neue Heizung. Sinnvoller ist es, auf Technologien zu setzen, die heute schon funktionieren, gefördert werden und dauerhaft günstiger sind – also Wärmepumpen oder Fernwärme.
Quellen: „Heizen mit Wasserstoff: Aufwand und Kosten für Haushalte anhand aktueller Daten und Prognosen“ (Fraunhofer IEG, 2025); Bundesnetzagentur



