Soziales
Gemeindepflegerinnen schließen Versorgungslücke in Südhessen
Weiterstadt, Pfungstadt und Seeheim-Jugenheim teilen sich die Kosten für zwei Gemeindepflegerinnen. Das Angebot wird bestens nachgefragt. Griesheim will 2026 auch dabei sein.
In Weiterstadt, Pfungstadt und Seeheim-Jugenheim will man Gemeindepflegerinnen nicht mehr missen. „Unser primäres Ziel, eine Versorgungslücke zu schließen, hat sich sehr erfüllt“, sagt Markus Ries, Fachdienstleiter Jugend und Integration in Weiterstadt, der quasi als Schnittstelle fungiert. Die Erfahrungen sind so positiv, dass die südhessische Stadt Griesheim zum Jahresbeginn 2026 auch noch in das Projekt einsteigen will.
Land zahlt 80 Prozent für Gemeindepflegerinnen, den Rest zahlen die drei Kommunen
Weiterstadt, Pfungstadt und Seeheim-Jugenheim hatten sich im Vorjahr zusammengetan und gemeinsam Fördergelder beim Land beantragt. Sie schlossen auch mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), Kreisverband Darmstadt-Land, einen Kooperationsvertrag.
Das DRK ist somit durchführendes Organ und Anstellungsträger, während die Kommunen die 20 Prozent der Kosten tragen, die das Land nicht zahlt. Das Land bezuschusst alle drei Kommunen jährlich mit rund 90 000 Euro – bei 1,75 Stellen. Den Rest müssen sie selbst stemmen.
Die zwei Gemeindepflegerinnen haben alle Hände voll zu tun
„Der Start war anstrengend“, sagt Markus Ries. Im Juni 2024 mussten die zwei Gemeindepflegerinnen Stephanie Wilferth und Floriana Franz erst einmal viel Fußarbeit leisten, um sich bekannt zu machen. Zwischen Juni und Dezember 2024 konnten so lediglich 100 Personen beraten werden. In diesem Jahr rechnet Ries aber mit 500 bis 600 Besuchen bei Hochbetagten. „Manchmal sind das nur Einmalkontakte, oft sind aber mehrere Besuche notwendig.“
Die Nachfrage sei jetzt so groß, dass die Ressourcen nicht mehr ausreichen. „Die Kolleginnen sind am Rand ihrer Möglichkeiten“, so Ries. Stephanie Wilferth, die für Weiterstadt zuständig ist, sei mit ihrer 75-Prozent-Stelle für 26 000 Einwohner:innen komplett ausgelastet.
Pflegestützpunkt kann die Arbeit der Gemeindepflegerinnen nicht ersetzen
Zwar gibt es in Pfungstadt auch einen Pflegestützpunkt, der aber den gesamten Westen des Landkreises Darmstadt-Dieburg abdecken muss. „Das ist eine stationäre Einrichtung, die eine Kommensstruktur hat“, sagt der Fachdienstleiter. Genau das ist der springende Punkt: „Wir haben Anrufe von Personen erhalten, die das Haus nicht mehr verlassen können. Oder Hinweise, dass der Nachbar das Haus nicht mehr verlassen kann.“
Seit Mitte vorigen Jahres können die drei Kommunen nun zielsicher auf Wilferth und Franz verweisen. Auch das Seniorenbüro und Ärztinnen und Ärzte vermitteln mittlerweile an die Gemeindepflegerinnen.
Gemeindepflegerinnen sehen viele, die einen Pflegegrad haben müssten
Wer glaubt, dass die beiden Frauen nur „Händchen halten“, liegt falsch. Unterstützungsleistung im Alltag sei für viele Menschen notwendig, da gebe es „einen wahnsinnig hohen Bedarf“, sagt Ries. „Vorhänge müssen zum Beispiel gewaschen werden, aber die älteren Menschen können nicht mehr die Leiter besteigen, um sie abzunehmen.“
In sehr vielen Fällen lägen die Kriterien für einen Pflegegrad vor, der aber nicht beantragt sei. Die Gemeindepflegerinnen machen die Erstberatung, verweisen dann an die Profis.
Kosten der Gemeindepflege rechnen sich für die Kommunen
„Ein Pflegeplatz kostet bei uns in Weiterstadt weit über 3000 Euro pro Monat“, sagt Ries und fragt: „Wer kann das schon bezahlen?“ Zwar zahle der Landkreis als Sozialhilfeträger, wenn das Einkommen einer Person zur Deckung der Pflegekosten nicht ausreicht.
Beim Kreis sei die Hilfe zur Pflege aber einer der größten Posten, und die Stadt finanziere diese Sozialleistung über die Kreisumlage mit. „Wenn es gelingt, für eine einzelne Person Sorge zu tragen, dass sie nicht ins Pflegeheim muss, hat sich unser Gemeindepflege-Eigenanteil schon gerechnet“, sagt Ries.
Land hat Zuschuss zur Gemeindepflege heruntergeschraubt
Griesheim wollte im Vorjahr eigentlich von Anfang an dabei sein, konnte sich den Einstieg in die Gemeindepflege aber nicht leisten. Der Stadt war es nicht möglich, den städtischen Eigenanteil von 20 Prozent der Bruttoarbeitnehmerkosten zu stemmen. „Es gab vor einigen Jahren schon einmal eine Förderrichtlinie des Landes für die Gemeindepflege. Damals zahlte das Land 20 Prozent des Arbeitgeberbruttos und nicht nur des Arbeitnehmerbruttos“, sagt Ries.
Jetzt ist die Stadt Griesheim finanziell ein wenig besser aufgestellt, und hat deshalb einen Antrag beim Ministerium gestellt, dass sie zum 1. Januar 2026 nachträglich in den bisherigen „Dreierbund“ einsteigen will. Der Antrag wird dort gerade geprüft.
Künftig drei Gemeindepflegerinnen für vier südhessische Kommunen
Wenn dann auch noch das Rote Kreuz eine entsprechende Bewerberin oder einen Bewerber findet, würden nochmals 0,75 Stellen obendrauf kommen, und die vier Kommunen hätten zusammen 2,5 Stellen in der Gemeindepflege. Das hieße dann: bessere Vertretungsregelungen, größere Verlässlichkeit und noch größere Fachlichkeit.
