Gen-Z will keine braven Kinder: Das alte Regel-System steht bei jungen Eltern vor dem Aus

Erziehungsziele

Gen-Z will keine braven Kinder: Das alte Regel-System steht bei jungen Eltern vor dem Aus

Selbstbestimmung statt Fügsamkeit, Austausch statt Autorität. Forschungsergebnisse zeigen: Gen-Z etabliert in der Erziehung radikal neue Werte.

Kennen Sie das noch? Einmal zu laut gelacht, einmal widersprochen oder die Jacke nicht sofort angezogen – und schon hagelte es Schimpfe von den Eltern. „Sei brav und mach, was ich sage“ war das Mantra ganzer Generationen. Wer aus der Reihe tanzte, bekam die Konsequenzen zu spüren. Punkt, Ende, Diskussion zwecklos. Diese Erziehung prägte Millionen von Kindern.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Eine neue Elterngeneration krempelt die Erziehung um – und das hat weitreichende Folgen. Statt auf Gehorsam setzen Millennial- und Gen-Z-Eltern auf Beziehung, statt auf Disziplin auf Dialog. Was dahintersteckt und warum das alte System ausgedient hat, zeigt sich in der aktuellen Studie „Familie und Erziehung 2025“ der Krankenkasse Pronova BKK.

Empathie schlägt Ehrgeiz: Diese Werte zählen heute

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Verantwortungsbewusstsein wünschen sich 48 Prozent der Eltern für ihre Kinder, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit jeweils 47 Prozent, so die Studie der Pronova BKK. Mehr als ein Drittel findet sogar „Spaß haben“ zentral wichtig. Ein Wert, der früher als unwichtig oder sogar störend galt.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Die Studie „Familie und Erziehung 2025“ der Pronova BKK befragte im März 2025 repräsentativ 2.000 Mütter und Väter ab 18 Jahren mit mindestens einem eigenen Kind unter 16 Jahren im Haushalt. Die Online-Befragung erfasste Erziehungswerte, Prioritäten und Einstellungen zur Kindererziehung. Dabei wurden sowohl demografische Faktoren als auch generationsspezifische Unterschiede berücksichtigt, um ein umfassendes Bild der aktuellen Erziehungstrends in Deutschland zu zeichnen.

Ehrgeiz landet dagegen nur bei 22 Prozent, Erfolg bei mageren 19 Prozent. Für die repräsentative Befragung wurden 2.000 Eltern mit Kindern unter 16 Jahren befragt. Das Ergebnis: Die klassische Tugend „brav sein“ ist kein Erziehungsziel mehr. Stattdessen sollen Kinder empathisch und lebensfroh aufwachsen. Ein Paradigmenwechsel, der sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht.

Viele heutige Eltern kennen das alte System noch am eigenen Leib: Gute Noten, gutes Benehmen, keine Widerworte. „Die heutige Elterngeneration wurde in einer Zeit sozialisiert, in der Aufmerksamkeit und Anerkennung oft an Leistung gekoppelt waren“, erklärt Familienpsychologin Nina Grimm. Diese Erfahrung hinterlässt Spuren – oft schmerzhafte. Viele erinnern sich an Momente, in denen sie sich unverstanden fühlten. In der Erziehung gibt es häufige Trigger die dazu führen, dass Eltern ihre Kinder anschreien.

Diese Erfahrung prägt die neue Erziehung. Statt Druck und Disziplin gibt es heute bewusst Raum für Bedürfnisse und Gefühle. Aus „Du gehst jetzt ins Bett“ wird „Ich sehe, dass du müde bist – möchtest du noch ein Buch oder direkt schlafen?“ Diese Formulierungen zeigen: Deine Meinung zählt. Sie fördern Kooperation statt Konfrontation und stärken das Selbstbewusstsein der Kinder nachhaltig.

Grenzen ja, aber mit Erklärung: So funktioniert bedürfnisorientierte Erziehung

Bedürfnisorientiert heißt nicht grenzenlos. Regeln gibt es nach wie vor – sie werden aber gemeinsam besprochen, statt einfach durchgesetzt. Das bedeutet: zuhören, begleiten, Grenzen erklären. Ein ständiges Hin und Her zwischen liebevollem Grenzen setzen und Loslassen. Dieser Ansatz erfordert deutlich mehr emotionale Arbeit von den Eltern, zahlt sich aber langfristig aus.

Was bedeutet „bedürfnisorientierte Erziehung“ konkret?

Bedürfnisorientierte Erziehung bedeutet, die Grundbedürfnisse des Kindes nach Sicherheit, Bindung und Autonomie zu respektieren. Statt Befehle zu erteilen, suchen Eltern den Dialog und fragen nach den Beweggründen ihres Kindes. Grenzen werden erklärt, nicht einfach durchgesetzt. Das Kind wird als eigenständige Person mit legitimen Gefühlen und Meinungen wahrgenommen. Ziel ist es, Kooperation durch Verständnis zu erreichen, ohne die elterliche Verantwortung aufzugeben.

Dieser Weg ist anstrengender als das alte „Weil ich es sage“-Prinzip. Er braucht Geduld, Nerven und ständige Reflexion des eigenen Verhaltens. Langfristig lohnt er sich aber: Kinder, die so aufwachsen, sind oft sozial kompetenter und psychisch stabiler. Manchmal braucht es trotzdem ein klares „Stopp, so nicht“ – aber als Anleitung, nicht als Machtdemonstration. Die Balance zu finden, ist die große Herausforderung. Bei den neuen Erziehungsmethoden der Gen Z gibt es aber auch Risiken.

Selbstbestimmung statt Gehorsam: Was Kinder wirklich stark macht

Der Wandel ist kein Zufall, sondern bewusste Entscheidung für mehr Menschlichkeit im Familienalltag. Selbstbestimmung ist für 46 Prozent der Väter und 51 Prozent der Mütter besonders wichtig. Dazu kommen Verantwortung und Hilfsbereitschaft als zentrale Werte. Diese Kombination soll Kinder zu eigenständigen, empathischen Menschen formen, die in einer komplexen Welt bestehen können.

Diese neuen Werte machen Kinder fit für eine unsichere Zukunft. Gemeinsinn, Respekt und echte Beziehung geben in turbulenten Zeiten Halt. Was früher als „ungezogen“ galt, wird heute als Stärke gesehen: Kinder, die ihre Meinung äußern, Fragen stellen und mitentscheiden dürfen. Sie lernen früh, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig auf andere zu achten – Fähigkeiten, die auch in der modernen Arbeitswelt geschätzt werden. Kinder, die Mitsprache und Respekt erfahren, geben beides später weiter – an ihre eigenen Familien und die Gesellschaft. Ein Kreislauf, der unsere Zukunft prägen wird.

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