Es ist eine Wahl mit dem Ziel der Kontinuität: Armani hat sich nach dem Tod seines Gründers Anfang September einen neuen Vorstandsvorsitzenden aus den eigenen Reihen geholt. Giuseppe Marsocci heißt der neue Mann an der operativen Spitze der Armani-Gruppe. Er wird vor allem im Tandem mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden Leo Dell’Orco, dem langjährigen Lebenspartner und der rechten Hand von Giorgio Armani, das italienische Modeunternehmen leiten. Stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende wird Silvana Armani, die Nichte des Kreateurs, die auch schon lange im Unternehmen tätig ist und sich unter anderem um die Damenkollektionen gekümmert hat.

Hauseigene Erfahrung zählt
Die Armani-Stiftung hat Marsocci nach eigenen Angaben vom Donnerstag einstimmig vorgeschlagen. „Seine internationale Berufserfahrung, seine profunden Kenntnisse der Branche und des Unternehmens, seine Diskretion, Loyalität und sein Teamgeist machen Giuseppe zur naheliegendsten Wahl“, betonte Dell’Orco und fügte hinzu, dass Marsocci in den vergangenen Jahren eng mit Giorgio Armani zusammengearbeitet habe und somit Beständigkeit garantieren könne.
Armani durchläuft nach dem Tod seines Gründers eine heikle Phase. Das Unternehmen muss dafür sorgen, dass die Kunden nicht zur Konkurrenz wechseln, weil sie die Handschrift des legendären Modeschöpfers vermissen. Obwohl dieser sein Leben lang auf Unabhängigkeit pochte, hat er in seinem Testament verfügt, dass künftig ein großes Modeunternehmen Armani zur Seite stehen soll. 15 Prozent der Anteile müssen nach seinem Willen in den kommenden anderthalb Jahren an ein großes Modeunternehmen verkauft werden; Armani zitierte LVMH , L’Oréal oder Essilor-Luxottica , wobei er andere Namen nicht ausgeschlossen hat. Der künftige Partner soll auch kein kleiner Minderheitsaktionär bleiben. Drei bis fünf Jahre nach Armanis Tod sollen weitere 30 bis 54,9 Prozent an denselben Käufer gehen, heißt es in dem Testament. Die Armani-Stiftung, die über den Stil des Hauses zu wachen habe, soll mindestens 30 Prozent behalten. Alternativ nannte Armani in seinem Testament allerdings auch einen Börsengang als möglichen Weg nach seinem Tod.
Zehn Jahre Leitungsfunktion in den USA
Der neue Vorstandsvorsitzende Marsocci tritt das Amt an, das Giorgio Armani seit den frühen Anfängen im Jahr 1975 selbst bekleidete. Der gebürtige Turiner kennt das Unternehmen seit Langem. Im Alter von 61 Jahren blickt er auf eine fünfunddreißigjährige Erfahrung in der Mode- und Luxusbranche zurück. 23 Jahre davon verbrachte er in der Armani-Gruppe. Dort hat er im Laufe der Jahre seinen Verantwortungsbereich stetig ausgeweitet.
Vom Jahr 2019 an unterstützte der mit einem Wirtschaftsabschluss der Universität Turin ausgestattete Manager Giorgio Armani als stellvertretender Generaldirektor sowie als internationaler Vertriebschef. Seine Karriere begann Marsocci bei der GFT-Gruppe in Turin, einem Lizenznehmer von Modehäusern wie Dior, Valentino – und auch Armani, wo er für den Vertrieb, das Marketing und Markenmanagement zuständig war. Später arbeitete Marsocci fünf Jahre lang für Fila Sport als Verantwortlicher für die internationale Geschäftsentwicklung.
2023 trat er dann in die Armani-Gruppe ein. Dort war der Italiener kaufmännischer Leiter der später eingestellten Modelinie Armani Collezioni. Zudem arbeitete er in der Schweiz, von wo aus ein Teil des internationalen Geschäfts organisiert wurde. Marsoccis Karriere prägte indes vor allem seine langjährige Tätigkeit in den Vereinigten Staaten; mehr als zehn Jahre war er in New York tätig, zunächst als Präsident von Trimil US, einem Gemeinschaftsunternehmen von Ermenegildo Zegna und Armani. Vom Jahr 2014 an war Marsocci dann Vorstandsvorsitzender von Armani Amerika, bevor ihn der Unternehmensgründer zurück nach Mailand holte.
Luxusbranche steht vor Herausforderungen
Marsocci wird unter dem Vorsitz von Dell’Orco an den Verwaltungsrat berichten, ein Gremium, dem er auch selbst angehören wird. Anlässlich seiner Ernennung sprach er von einer „Herausforderung“ in einem Luxusmarkt, der sich im Umbruch und in einer Phase der „tiefen Reflexion“ befinde. An den Börsen haben sich die Bewertungen vieler Luxusunternehmen verringert. Die Nachfrage in China, die für viele Anbieter große Bedeutung hat, lässt nach. Zudem verändert sich das Konsumverhalten. Die junge Generation sucht neue Angebote auf nachhaltiger Basis und wendet sich oft von den traditionsreichen Häusern ab. Deren hohe Preise haben auch viele abgeschreckt.
Auf der Währungsseite erschwert der starke Euro das Exportgeschäft der europäischen Anbieter, das durch die amerikanische Zollpolitik ohnehin schon belastet ist. Marsocci lobte in seiner Antrittserklärung das „exzellente Team von Kunden, Zulieferern, Partnern und leidenschaftlichen Mitarbeitern weltweit“. Er wird es brauchen, denn es gab schon mal leichtere Zeiten, um solch eine Aufgabe zu übernehmen.
