„Es bleibt nur die Hoffnung, dass wir nicht noch schlechter werden“ – dieses verheerende Fazit zog Claus Dethloff nach der Leichtathletik-WM gegenüber FOCUS online. Und das, obwohl Deutschland dort fünf Medaillen geholt hat. Doch Dethloff sieht mehr Potenzial. Wenn es denn geweckt wird.
Um das zu schaffen, hat Dethloff, der Leichtathletik-Revoluzzer, selbst angepackt und einen Verein gegründet. Aus einem wurden mehrere und so mittlerweile ein Franchisesystem: „Germany Athletics“.
Nachdem er im zweiten Teil der FOCUS-online-Serie „Leichtathletik-Nation Deutschland“ erklärt hat, wie alles anfing und worauf dort Wert gelegt wird, konfrontieren wir Claus Dethloff im dritten und finalen Teil der Serie mit der Kritik an „Germany Athletics“. Er stellt sich dieser – und findet klare Worte.
„Guckt in den Spiegel“: Dethloff kontert Kritik von Leichtathletik-Großvereinen
FOCUS online: Herr Dethloff, wie überzeugen Sie Athleten, zu Ihnen zu kommen?
Claus Dethloff: Unser Konzept überzeugt. Und nun habe ich eher das Thema, dass ich die Anfragen selektieren muss.
Leichtathletik-Vereine sehen ihr Vorgehen teilweise kritisch, sie würden „fertige Athleten abwerben“ heißt es unter anderem. Was sagen sie dazu?
Dethloff: Da würde ich zu den sogenannten Großvereinen sagen: Guckt in den Spiegel. Es ist eigentlich ganz einfach: Macht es in eurem Verein besser, dann gehen die Athleten nicht. Die Großvereine mit Monopolstellung in ihrer Region haben vor allem mit einer Tatsache ein Problem: Die Athleten haben jetzt eine Alternative. Ich kann den Vereinen nur raten: Nehmt endlich die Perspektive der Athleten ein.
Und ganz ehrlich: Selbst, wenn es so wäre und wir die Athleten abwerben würden, kann ich nur eines sagen: Wenn es zum Vorteil der Athleten ist – dann mache ich das gerne. Unser Konzept sieht allerdings vor, dass zukünftige Top-Athleten ihren Heimatvereinen treu bleiben, was wir durch Kooperationen in der Fläche ermöglichen.
Claus Dethloff spricht nicht laut, als er die Fragen beantwortet. Die Kritik macht ihn nicht wütend – sie bestätigt nur seine Annahmen: Dass es den Vereinen nicht primär um die Athleten geht. Ihm schon, sagt er.
Dennoch brauche es auch finanzielle Nachhaltigkeit, um „Germany Athletics“ auf gesunde Beine zu stellen, das weiß Dethloff. „Wir brauchen einfach mehr Unterhaltungswert, so dass wir mehr Publikum bekommen und Fans, die einfach Lust und Spaß haben, sich Leichtathletik live und in Präsenz anzuschauen“, sagte er der „Deutschen Welle“. So könne durch eine steigende mediale Aufmerksamkeit auch mehr Geld generiert werden.
„Wir haben ein Konzept. Und das funktioniert“
In der Anfangszeit waren Sie selbst der größte Sponsor von „Germany Athletics“. Wie wollen sie das Projekt finanziell nachhaltig entwickeln?
Dethloff: Wenn es im Sport eine Marke gibt, über die das gehen kann, sind es Vereins-Labels. Doch die Vereinsnamen in der Leichtathletik haben sich anders als zum Beispiel die von Fußball-Clubs als Marken nicht entwickelt. Wir verbinden nun Stadt und Sportart, wie „Cologne Athletics“ oder „Munich Athletics“. Das gab es so vorher nicht. Dass unsere Clubs im Marketing schon erfolgreich sind, geht über die Vorstellung mancher hinaus. Ich kann nur sagen: Wir haben ein Konzept. Und das funktioniert.
Sie kooperieren unter anderem mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Eine Vereinbarung, die für Kritik sorgt. Was entgegnen sie dieser?
Dethloff: Dass da kein Geld fließt, falls uns dies vorgeworfen werden sollte. Es geht um etwas völlig anderes. Die deutschen Athleten sollen die Chance bekommen, dort bei internationalen Meetings zu starten. Dazu bekommen wir ein Kontingent und sorgen unsererseits dafür, dass die Sportler dort hinreisen und ihre Wettkampfkompetenz entwickeln können. In Deutschland gibt es kaum Möglichkeiten, sich auf hohem Niveau zu messen. Deshalb wollen wir unsere Athleten in diese Meetings reinbekommen.
Dethloff erklärt VAE-Kooperation und verspricht: „Sind noch lange nicht am Ende“
Aber es ist noch mehr als das. Wir können dort zum Beispiel im Winter ein Trainingslager absolvieren, statt zum Beispiel auf die Kanaren zu fliegen, wo sich mittlerweile Hunderte Athleten eine Anlage teilen müssen. Und Partner, wie die VAE oder Katar, schicken auch Athleten und Trainer nach Deutschland. Es ist ein Geben und Nehmen.
Am Ende sind wir hier noch lange nicht. Wir werden unsere Kooperationen mit Universitäten in den USA ausweiten, um unseren Sportlern auch dort bestmögliche Optionen anbieten zu können. Athleten wie Leo Neugebauer trainieren dort seit Jahren unter Top-Bedingungen. Es geht grundsätzlich darum, die internationale Verflechtung zu erhöhen, einen Wissenstransfer zu schaffen und die Lernkurve steiler werden zu lassen. Will ich in der Leichtathletik besser werden, muss ich außerhalb von Deutschland aktiv sein.
