JVA Gablingen
Häftling berichtet von Folter in Skandal-JVA – und davon, was sich verändert hat
Alexander K. saß 2023 in der JVA Gablingen in einer der berüchtigten Spezialzellen. Heute, nach Bekanntwerden des Skandals, ist er wieder in Gablingen inhaftiert.
Alexander K. möchte etwas loswerden. Er sitzt in einem Besucherraum im Gefängnis Augsburg-Gablingen, 90 Minuten lang spricht er fast ohne Punkt und Komma. Er habe ein „Martyrium“ erlebt, so schildert es der 44-Jährige. 2023 und 2024 sei das gewesen, in seiner ersten Zeit als Gefangener in der JVA, die Schauplatz eines beispiellosen Gefängnisskandals ist. Alexander K. war einer der Angeklagten im Prozess um den Diebstahl eines Goldschatzes im Kelten- und Römermuseum im oberbayerischen Manching. Heute sitzt er wieder in Gablingen – und damit in einem Knast, in dem inzwischen deutlich andere Bedingungen herrschen.
Kurzgeschorene Haare, breite Schultern, grün-blaue Gefangenenkluft: Alexander K. wirkt wie ein selbstbewusster Mann. Er ist einer der Häftlinge, die Anzeige gegen die freigestellte, frühere stellvertretende Leiterin der JVA Gablingen gestellt haben. Wie berichtet, stehen gegen die Juristin und einige Bedienstete schwere Misshandlungsvorwürfe im Raum; die Ermittlungen sind kurz vor dem Abschluss.
Alexander K. hinterlegt seine Schilderungen mit einer eidesstattlichen Versicherung. Das, was er erzählt, lässt sich von außen aber nicht im Detail überprüfen. Man darf auch vermuten, dass der verurteilte Kriminelle das Gesetz und die Wahrheit zuweilen strapaziert. Doch seine Darstellung fügt sich nahtlos ein in das Bild, das etliche andere Informanten von den Zuständen in der JVA zu Zeiten der stellvertretenden Leiterin zeichnen, darunter Wärter, Justizinsider und weitere Gefangene.
Im Juli 2023 war Alexander K. festgenommen worden, die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, am Diebstahl im Museum beteiligt gewesen zu sein. Zwar wurde er im Juli 2025 von diesen Vorwürfen freigesprochen, allerdings wegen anderer Einbrüche zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; der 44-Jährige hat Revision eingelegt und sitzt damit nach wie vor in U-Haft.
Alexander K. erzählt von der Unterbringung in einer Spezialzelle in Augsburg-Gablingen
Damals, im Juli 2023, habe man von Beginn an versucht, ihn einzuschüchtern, sagt Alexander K. Bereits nach wenigen Tagen habe man ihn unter dem Vorwand, er habe einen Mitinsassen verletzt, in einen der besonders gesicherten Hafträume (bgH) gesteckt. Die Unterbringung in diesen Spezialzellen ist eigentlich nur dann vorgesehen, wenn der Betroffene eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt, sie soll keine Bestrafungsmaßnahme sein.
Doch genau das unterstellt der 44-Jährige der damals stellvertretenden Leiterin. Er habe im bgH nackt auf dem Boden liegen müssen. Bei 37 Grad Celsius habe er verzweifelt versucht, durch die Türschlitze Luft zu bekommen. Nach einem Tag sei er dann in eine spezielle Einzelhaft gekommen und erst nach vier Wochen regulär zu den anderen Insassen. Dieser Monat präge ihn bis heute, erzählt der Schweriner. „Ich hatte immer im Kopf, was wegen nichts passieren kann.“
Alexander K. glaubt, dass die stellvertretende Leiterin gezielt Häftlinge herausgepickt habe, die aufbegehrten oder wegen besonders gravierender Vorwürfe inhaftiert waren. Auf ihn trifft beides zu. Ein einfacher Häftling ist er aus Sicht eines Gefängnisses wohl nicht: ein eloquenter, intelligenter Mann, der um seine Rechte weiß. Er schildert, dass er sich in Gablingen gewehrt habe gegen das „Regime“ und die seiner Ansicht nach willkürlichen Drangsalierungen. So stellte er zum Beispiel wiederholt Anträge auf Facharztbesuche, die ihm allerdings immer wieder verwehrt worden seien.
Die mangelhafte medizinische Versorgung prangert Alexander K. besonders an. „Ich bin zweimal fast draufgegangen“, sagt er. Einmal wegen einer Thrombose und einmal wegen einer Zahnentzündung, die hohes Fieber ausgelöst hatte. Bei keinem seiner gesundheitlichen Probleme sei ihm die nötige Behandlung gewährt worden, sagt der 44-Jährige. Viele Briefe nach außen seien einfach verschwunden, das habe ihn sozial isoliert.
Dass er gesundheitliche Probleme hat, wurde während des Goldschatz-Verfahrens deutlich. So bat sein Anwalt den Richter schon mal um die Erlaubnis, seinem Mandanten eine Schmerztablette geben zu dürfen. Alexander K. sagt, er habe in Gablingen an „unvorstellbaren Schmerzen“ und „Todesangst“ gelitten. Wenn er erzählt, spricht er oft in „Wir-Form“, kein Zufall: Im Laufe der Zeit sei er für einige seiner Mitgefangenen, denen Ähnliches widerfahren ist, „Arzt und Anwalt“ geworden, erzählt er.
Gefangene berichten: Ab 2023 hatte sich die Lage in Gablingen drastisch verschlechtert
Heute sieht man Alexander K. nicht auf den ersten Blick an, was er durchgemacht haben will. Er hat Humor, macht manchmal lockere Witze. Doch dann wird er wieder ernst, sagt, dass die „Folter“ langfristige Schäden bei ihm hinterlassen habe. Die Zustände in Gablingen, sagt er, hätten sich inzwischen verbessert. Das Personal sei teilweise ausgetauscht worden, berichtet der Schweriner, in den Spezialzellen säßen kaum mehr Gefangene. Es gebe vereinzelt Veranstaltungen für die Häftlinge, auch Gottesdienstbesuche seien einfacher möglich, ebenso Arztbesuche. Die neue Leitung sei für Anliegen greifbarer. Sie trete auch nicht ständig mit schwarz gekleideten, martialisch anmutenden Beamten der Sicherungsgruppe (SiG) auf, wie es früher der Fall war. Aber es müsse sich eben alles erst einmal einspielen. Es gebe aus seiner Sicht nun eine Art „Fachkräftemangel“ im Knast.
Zuvor hatte Alexander K. im Gefängnis in Regensburg gesessen, vor einigen Wochen kam er wieder nach Gablingen. Für die Zukunft wünscht sich der Mann, dass er in den Norden verlegt wird, näher an seine Heimat. Alexander K. hofft, dass durch ein mögliches Gerichtsverfahren bald „das ganze System offengelegt wird“. Wenn sich ihm die Möglichkeit bietet, will er als Zeuge gegen diejenigen aussagen, die ihn aus seiner Sicht schikaniert haben. „So menschenverachtend mit anderen umzugehen, das darf nicht straffrei bleiben.“
