„Wir wollen pflegen, wie wir es gelernt haben – und nicht permanent dokumentieren, was wir getan haben“: Mit diesen Worten bringt Evelyn Stahlhut als Stationsleiterin im Agaplesion ev. Klinikum Schaumburg die zahlreichen aktuellen Herausforderungen ihres Berufes auf den Punkt. Anlass war der Besuch der Bundestagsabgeordneten Marja-Liisa Völlers (SPD) im Klinikum. Dort traf sie sich mit Mitgliedern der Mitarbeitervertretung sowie der Geschäftsführerin Diana Fortmann zu einem ausführlichen Austausch über aktuelle Herausforderungen im Krankenhauswesen.
Ein zentrales Thema dabei war die enorme Arbeitsbelastung durch Dokumentationspflichten. Die Bürokratie koste wertvolle Zeit, die am Bett fehle, führte Stationsleiterin Stahlhut weiter aus.
Finanzierung, Dokumentation, Fachkräftemangel: Viele Herausforderungen im Klinikum Schaumburg
Diana Fortmann verwies auf die gesetzlichen Vorgaben: „Fehler oder fehlende Datenlieferungen können für Kliniken hohe Sanktionen bedeuten – bis zu 50.000 Euro pro Datenlieferung. Es muss geprüft werden, wie man den bürokratischen Aufwand reduzieren kann und Sanktionen sind keine adäquate Lösung.“
Diskutiert hat die Gruppe auch andere hoch aktuelle Themen wie Krankenhausfinanzierung, Arbeitsbedingungen, Fachkräftemangel und Bürokratieabbau.

So wurde auch die neue Pflegepersonalregelung PPR 2.0, die seit Juli 2024 gilt, kritisch diskutiert. Zwar schaffe sie eine mögliche Grundlage zur Personalbemessung, doch fehle es vielerorts an Kapazitäten, um die umfangreichen Planungen umzusetzen.
„Es braucht Vorschüsse oder flexible Finanzierungsmodelle, damit Kliniken Personal überhaupt einstellen können, bevor die Mittel fließen“, lautete ein Vorschlag aus der Runde.
Wir stellen alle qualifizierten Kräfte ein, die wir bekommen können – trotzdem reicht es in einigen Bereichen nicht.
Jan Walther, Agaplesion ev. Klinikum Schaumburg
Neben dem hohen bürokratischen Aufwand sind auch Fragen der Finanzierung und der Fachkräftemangel eine Dauerbelastung für das Personal. „Wir stellen alle qualifizierten Kräfte ein, die wir bekommen können – trotzdem reicht es in einigen Bereichen nicht“, sagte Jan Walther mit Blick auf den Fachkräftemangel. Trotz 30 neuer Auszubildender, die zum 1. Oktober im Bereich der Pflege am Schaumburger Klinikum begonnen haben, bleibe die Belastung hoch, vor allem in der Notaufnahme, die als „Tür zum Krankenhaus“ besonders gefordert sei.
Gitta Steuer von der Personalabteilung betonte, dass die derzeitige Krankenhausfinanzierung nicht nur Pflege und Ärzte, sondern auch Bereiche wie Verwaltung, Küche und Technik unzureichend berücksichtige. „Ein Krankenhaus funktioniert nur als Ganzes“, gab sie zu bedenken.
Zur Möglichkeit einer Bürgerversicherung stellte Marja-Liisa Völlers klar: „Die SPD setzt sich seit Jahren dafür ein – aber aktuell fehlen im Bundestag die Mehrheiten links der Mitte.“ Dennoch seien im Herbst Reformimpulse im Bereich Sozialstaat und Pflegeversicherung zu erwarten. Gabriele Edling unterstrich die Bedeutung einer grundlegenden Reform der Krankenversicherungen: „Eine Bürgerversicherung würde tatsächlich jede und jeden betreffen – und könnte echte Veränderung bringen.“
Der Anspruch mancher Patientinnen und Patienten, ein Krankenhausaufenthalt müsse wie ein Hotelaufenthalt sein, überfordert das System.
Sandra Schäfer, SPD Obernkirchen
Mehrere Beschäftigte des Schaumburger Klinikums wiesen außerdem auf anhaltende Lieferengpässe bei Medikamenten und medizinischem Material hin. „Wie sind wir im Katastrophenfall mit Antibiotika oder Schmerzmitteln versorgt?“, fragte Martina Paul (Fachkraft für Anästhesie- und Intensivpflege). Auch der zivile und ehrenamtliche Einsatz vieler Krankenhausbeschäftigter – etwa im Katastrophenschutz – wurde angesprochen. Hier fehle eine bundesweite Strategie, um Doppeltbelastungen im Ernstfall zu vermeiden.
Einigkeit in der Runde bestand darin, dass die Erwartungen der Bevölkerung an die Krankenhausversorgung eine Herausforderung seien. Ein Vorschlag lautete, dass Aufklärung über die Aufgaben von Krankenhäusern schon in Schulen beginnen sollte. „Viele wissen nicht, wann die Notaufnahme wirklich zuständig ist“, so Diana Fortmann. Eine bessere Gesundheitsbildung könne helfen, die Notaufnahmen zu entlasten und unrealistische Erwartungen abzubauen. „Der Anspruch mancher Patientinnen und Patienten, ein Krankenhausaufenthalt müsse wie ein Hotelaufenthalt sein, überfordert das System“, ergänzte Sandra Schäfer vom SPD-Ortsverein Obernkirchen.
Ergotherapeut Norbert Dallügge brachte abschließend die Stimmung vieler Beschäftigter auf den Punkt: „Wir fühlen uns oft wie Kreisligisten, die jeden Tag gegen Bayern München antreten – das ist auf Dauer zermürbend.“
„Die Gespräche zeigen, wie groß der Druck im Gesundheitswesen ist – aber auch, mit wie viel Engagement die Beschäftigten ihren Beruf leben”, so Marja-Liisa Völlers zum Abschluss. „Ich nehme viele konkrete Anregungen mit nach Berlin. Unser Ziel bleibt: eine solide Finanzierung, weniger Bürokratie und faire Arbeitsbedingungen für alle im Krankenhaus.“ red
