Fall Rebecca Reusch
“Hobby-Ermittlerin” reagiert auf Kritik von Staatsanwaltschaft
Zahlreiche Schaulustige verfolgen die Suchmaßnahmen im Vermisstenfall Rebecca Reusch. Behindern sie den Einsatz? Die Antwort der Polizei überrascht.
“Hallo ihr Lieben, einen wunderschönen guten Abend” beginnt das einstündige YouTube-Video. “BerlinBunny jetzt gerade wieder zurück aus Brandenburg”. “BerlinBunny” alias Laura ist eine von Dutzenden Streamern, die sich teils seit Jahren mit dem Fall Rebecca Reusch beschäftigen.
Nach etwa 16 Minuten können die rund 2.000 Abonnenten in dem Video verfolgen, wie Laura in Richtung Brandenburg fährt. Wenig später werden Bilder von der großen Suchaktion nach Beweisstücken im Fall Reusch eingeblendet. Polizeifahrzeuge fahren auf ein verlassenes Gehöft in Herzberg, die Kamera bewegt sich nah an der Absperrung, die Schaulustige daran hindern sollen, noch dichter an das Geschehen heranzutreten.
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Die Berliner Polizei war ab Montagmorgen zwei Tage lang südöstlich von Berlin in Brandenburg im Großeinsatz. Zuerst untersuchten die Ermittler ein Grundstück in der Gemeinde Tauche im Landkreis Oder-Spree, das der Großmutter des Schwagers von Rebecca gehört. Er gilt als Hauptverdächtiger im seit Februar 2019 ungeklärten Kriminalfall. Die Polizei geht davon aus, dass der heute 33-Jährige Rebecca getötet hat, und intensivierte nach neuen Erkenntnissen die Ermittlungen. Am Dienstag nahmen die Beamten dann ein Grundstück in Herzberg unter die Lupe.
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Spekulationen im Fall Rebecca Reusch: “Der perfekte Mord”
So wie Laura versammelten sich zu Beginn der Woche Dutzende Medienvertreter, aber auch viele Schaulustige und sogenannte Hobby-Ermittler am Ort des Geschehens. “Aus Neugierde”, sagte einer von ihnen dem “Tagesspiegel”. “Wenn sie nichts finden, ist das der perfekte Mord”, spekulierte er. Ein Mann streamte dem Bericht zufolge die Suchmaßnahmen der Polizei live auf TikTok.
Die Staatsanwaltschaft sieht “Hobby-Ermittler” kritisch. “Nicht nur, dass sie die Ermittlungen konkret behindern, indem sie zum Beispiel Spuren vernichten können”, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin, Michael Petzold, der Deutschen Presse-Agentur.
Auf Anfrage von Sabokonkretisiert er: Wenn Beamte per Livestream abgelichtet würden, sei das “hinderlich”. Es gehe neben den Persönlichkeitsrechten der Beamten auch immer um die Pietät gegenüber den Angehörigen, wenn etwa über Ermittlungen spekuliert werde. “Aber wir kommen damit klar”. Es sei “verständlich”, dass das Interesse bei einem solchen Thema groß sei.

Polizei sieht bei Suchaktion im Fall Reusch keine Behinderung
Tatsächliche Störungen durch “Hobby-Ermittler” konnte ein Polizeisprecher, der selbst vor Ort war, allerdings nicht feststellen. Er sagt Sabo: “Nur zugucken ist erst einmal keine Störung.” Dass viele Handykameras auf das Geschehen und die Beamten gerichtet würden, kenne man von diversen Einsätzen in Berlin. “Solange uns niemand im Weg steht, ist das nicht störend.”
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Allerdings gibt der Sprecher zu bedenken: “Die Presse weiß, wie sie arbeiten darf und muss. Bei Privatmenschen, die einfach so streamen, ist das nicht immer der Fall.” Dramatisch würden die Auswirkungen, wenn “Hobby-Ermittler” tatsächlich auf eigene Faust Ermittlungen anstellten, nach Beweisstücken graben und Grundstücke betreten würden. “So können Spuren zerstört werden”, so der Polizeisprecher zu Sabo. “Man muss einfach wissen: Wo hört das Interesse auf und wo beginnt die Gefährdung von Spurenlagen.”
Fall Rebecca Reusch: Streamerin kontert Kritik
Die Streamerin Laura, die den Fall Rebecca Reusch als “BerlinBunny” seit Jahren verfolgt, äußert sich auf Anfrage von Sabozur Diskussion um die “Hobby-Ermittler”: Sie könne die Sorge der Staatsanwaltschaft zwar grundsätzlich nachvollziehen. “Sobald Einsatzorte aktiv sind, haben Sicherheit und die ungestörte Arbeit der Polizei selbstverständlich Vorrang.”
Allerdings sei es nachvollziehbar, dass sich Menschen angesichts “zahlreicher offener Fragen, Widersprüche und nachträglicher Korrekturen in der Berichterstattung” weiterhin Fragen stellten. “Ich halte es für ein Grundrecht, über das Schicksal einer Vermissten weiterhin informiert zu bleiben.” An dem Begriff “Hobby-Ermittler” störe sie sich. Es stelle sich die Frage, wie die Polizei diesen Begriff überhaupt definiere.
Vermisstenfall Rebecca: Gerechtigkeit gefordert
Sie selbst recherchiere ausschließlich außerhalb aktiver Suchmaßnahmen, “auf Basis bereits öffentlicher Informationen.” Bei Reportagen vor Ort betrete sie niemals Privatgrundstücke und verwische auch keine Spuren, erklärt sie. “Wenn mir Personen begegnen, die möglicherweise relevante Hinweise haben, leite ich diese grundsätzlich an die zuständigen Behörden weiter.” Ziel sei es, Aufklärung zu fördern und nicht, Ermittlungen zu behindern.
Bürgerliches Interesse, so die Streamerin, die ihren Kanal als journalistische Plattform begreift, könne wertvoll sein. Ihre Motivation erklärt sie Sabomit einem Satz: “Wir wünschen uns Gerechtigkeit für Rebecca Reusch.”
Verwendete Quellen:
- Anfrage an Streamerin “BerlinBunny”
- Telefonat mit der Polizei Berlin
- Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Berlin
- tagesspiegel.de: “Wenn sie nichts finden, ist das der perfekte Mord“ – erfolglose Suche nach Rebecca Reusch zwischen Apfelbäumen und TikTok-Ermittlern
- Eigene Berichterstattung
- mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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