„Höllisch aufpassen“ – Klingbeil wirft Merz „Spaltung mit Sprache“ vor

Nach seinen Aussagen über „Probleme im Stadtbild“ steht Kanzler Friedrich Merz weiter in der Kritik. SPD, Grüne und Linke werfen ihm Rassismus und Spaltung vor. Ökonom Marcel Fratzscher warnt auch vor wirtschaftlichen Folgen durch die Debatte. Ein Überblick.

Bundeskanzler Friedrich Merz schlägt wegen seiner Bemerkungen über das „Stadtbild“ und die Migration weiter geballte Kritik entgegen. Aus der SPD kommt der Vorwurf, damit sozialen Unfrieden zu stiften. Linke und Grüne hielten dem CDU-Chef Rassismus und AfD-Rhetorik vor. In der eigenen Partei erhielt Merz viel Zustimmung, es gibt aber auch kritische Stimmen und den Wunsch nach Klarstellung. Am Abend machten vor der CDU-Zentrale in Berlin

Ein junge Frau geht durch eine Unterfuehrung . Bonn , Deutschland . | Young woman walking in an underpass . Bonn , Germany . | 10.04.2009 , MODEL RELEASE vorhanden , MODEL RELEASED , Copyright: Ute Grabowsky/ picture alliance/photothek || Modellfreigabe vorhanden

Klingbeil wirft Merz „Spaltung mit Sprache“ vor

Widerspruch äußerte Bundesfinanzminister und Vizekanzler

Lars Klingbeil

. „Wir müssen als Politik auch höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in wir und die unterteilen, in Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne“, sagte der SPD-Chef auf einem Kongress der Gewerkschaft IGBCE in Hannover.

„Ich sage euch sehr klar, ich möchte in einem Land leben, in dem Politik Brücken baut und Gesellschaft zusammenführt, statt mit Sprache zu spalten“, sagte Klingbeil weiter. „Und ich sage euch auch: Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.“

Das heiße nicht, dass es keine Probleme gebe, sagte der Bundesfinanzminister. „Aber ich möchte auch, dass wir begreifen, dass die Vielfalt, die wir heute haben, dass das eine Stärke ist in diesem Land.“

DIW-Chef: „Stadtbild“-Aussage von Merz schadet Wirtschaft

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW),

Marcel Fratzscher

, warnt angesichts der Merz-Aussage auch vor wirtschaftlichen Folgen. „Seine jüngsten Äußerungen verschärfen die gesellschaftliche Polarisierung und richten einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden an“, sagte der Top-Ökonom dem „Handelsblatt“. „Die Botschaft des Bundeskanzlers schwächt die Willkommenskultur Deutschlands und wird den Fachkräftemangel in Deutschland in den kommenden Jahren verschärfen.“

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Fratzscher sagte: „Der Bundeskanzler scheint ein Problem darin zu sehen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und dass das Stadtbild daher natürlich von Menschen mit Migrationsgeschichte geprägt ist.“

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mahnte angesichts der hitzigen Diskussion zu mehr Differenzierung. „Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: In der Migrationsdebatte wird zu wenig getrennt zwischen der Fachkräftezuwanderung einerseits und Menschen, die aus humanitären oder sonstigen Gründen nach Deutschland kommen“, sagte der Leiter des IW-Hauptstadtbüros,

Knut Bergmann

, dem „Handelsblatt“.

Laschet hält Stadtbild-Aussage für „zu nebulös“

Auch aus der Union wurde vereinzelte Kritik an der Stadtbild-Aussage des Bundeskanzlers laut. Ex-Unions-Kanzlerkandidat

Armin Laschet

(CDU) hält sie für „zu nebulös“. Die Unklarheit dessen, was Merz damit gemeint habe, könnte die AfD für sich nutzen, sagte der heutige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags in Düsseldorf. Die AfD werde bei der nächsten Bundestagswahl natürlich fragen, ob das „Stadtbild“ besser geworden sei, sagte Laschet.

The Covid-19 quarantine area with fences made of barbed wire for the Coronavirus positive cases in the new refugee camp in Kara Tepe – Mavrovouni a former military area, shooting range of the Hellenic Army, near Mytilene city in Lesbos island Greece. The new temporary camp was created after the fire of September 9, 2020 when one of the largest in Europe refugee camp, Moria ( reception and registration center ) was burned. All the residents, the asylum seekers inside the camp have been tested for the Covid virus and those who are positive are living in two designated quarantine areas. Until now 242 people, migrants and refugees in the camp are tested positive cases. Kara Tepes, Lesbos Island, Greece, on 19 September 2020. (Photo by Nicolas Economou/NurPhoto)

Der SPD-Bundestagsabgeordnete

Ralf Stegner

griff Merz ebenfalls scharf an: „Mit seinen Stadtbild-Äußerungen vergreift sich der Bundeskanzler im Ton. Er bedient eine Ausländer-raus-Stimmung, bietet keine Lösungen an und stiftet damit sozialen Unfrieden“, sagte Stegner dem „Tagesspiegel“. Die Äußerungen von Merz trügen auch „nicht dazu bei, die Stimmung in der Koalition zu verbessern“. An der SPD-Basis seien viele „entsetzt über die Worte des Kanzlers“.

Stegner betonte zugleich: „Niemand bestreitet, dass es in Städten Probleme gibt, und sich Menschen vor allem abends oft unsicher fühlen, wenn sie zum Beispiel auf größere Gruppen junger Männer treffen. Diese Dinge müssen wir, auch die SPD, lösen.“

SPD-Außenpolitiker: „schwammige Sprache“

Der SPD-Außenpolitiker

Adis Ahmetovic

kritisierte im Magazin

Luisa Neubauer spricht bei der Kundgebung „Wir sind die Töchter“ der Initiative „Zusammen gegen Rechts“ vor der CDU-BundesgeschäftsstelleLilli Förter/dpa

Am Dienstagabend demonstrierten vor der CDU-Zentrale in Berlin nach Polizeiangaben rund 2000 Menschen unter dem Motto „Feministische Kundgebung: Wir sind die Töchter“. Die Veranstalter sprachen von 7500 Teilnehmern. Mit dabei waren auch die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und die frühere Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. An diesem Mittwoch soll es auch eine Demo in Kiel geben, die von Fridays for Future organisiert wird.

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