Im Folterkeller des Wasserhäuschens

Kriminalität

Im Folterkeller des Wasserhäuschens

Vor dem Landgericht Frankfurt beginnt ein Prozess mit Beteiligung einer prominenten Familie

Vor dem Landgericht müssen sich seit Donnerstag zwei Männer verantworten, der eine wegen Geiselnahme, Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung und Bedrohung, der andere wegen Beihilfe dazu. Knapper und spannender gesagt: Es geht um Folter.

Tatort ist Alt-Sachsenhausen. Jetzt könnte man zu Recht einwenden, ein Besuch in Frankfurts Ballermann sei ohnehin Folter, aber was sich am Abend des 14. Januar 2014 im Keller eines Kiosks in der Paradiesgasse abspielte, war dann doch zuviel des Bösen.

Der Kiosk wird, so vermutet es zumindest die Staatsanwaltschaft, von einem gewissen Hüseyn S. betrieben, allerdings aus der fernen Türkei, wohin er nach diversen Straftaten abgeschoben worden war. Die Großfamilie S., die sich seit Jahren eine ambitionierte Fehde mit einer weiteren, nicht ganz so familiären Bande liefert, wird von Ermittelnden mitunter als krimineller Clan gelesen.

Jedenfalls war S. der Meinung, dass Mohammed E., der in dem Kiosk schwarzarbeitete, ihm 40000 Euro gemopst hätte. Die Familie S. lässt sich nur ungerne bemopsen, und so soll er laut Anklage Iliass K. damit beauftragt haben, die Schulden einzutreiben.

Der ließ sich, so die Anklage, von Hogir S. – ebenfalls ein Mitglied der schrecklich großen Familie – zum Tatort chauffieren. Dort habe K. den gerade dort arbeitenden E. unter einem Vorwand in den Kioskkeller gelockt und ihn dort gebeten, sich bis auf die Unterhose zu entkleiden und die Hände mit einem Gürtel fesseln zu lassen. K. ist nicht die Sorte Mann, der man eine Bitte verweigert.

Video in die Türkei

Dann habe er E. eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, mit einem Messer bedroht, ihn mit einem Gürtel gewürgt, ihn mit Fäusten und dem Kabel eines Dreifachsteckers geschlagen und Scheinhinrichtungen inszeniert, während Hogir S. im Treppenhaus Schmiere gestanden haben soll. Die ganze Show soll er per Handy live an Hüseyn S. in die Türkei übertragen haben, der mit dem Ergebnis wohl zufrieden war: Nachdem K. gedroht habe, auch E.s Schwester und deren Ehemann zu foltern, habe der seine Schuld eingestanden und sich bereit erklärt, 10000 Euro zu zahlen und die restlichen 30000 abzuarbeiten. Später hat sich E. das dann anders überlegt und die Polizei informiert.

Zu Prozessbeginn räumt der 29 Jahre alte K. alle Tatvorwürfe ein – bis auf die Bedrohung mit dem Messer. Es täte ihm auch sehr leid, aber er sei „aufgrund familiärer Probleme nicht ich selbst“ und zudem „persönlich tief enttäuscht“ von E. gewesen. Hogir S. habe mit alledem aber rein gar nichts zu tun.

Das sieht der 30-jährige Hogir S. genauso. Er gehe gerade keiner geregelten Arbeit nach, daher genieße er sein Leben beim „mit dem Auto durch die Gegend fahren und im Kiosk abchillen“. Später habe er schon bemerkt, dass E. im Keller sichtbar nicht abgechillt habe, hätte aber aus „Angst und Überforderung“ nichts gesagt.

Der Prozess wird fortgesetzt, voraussichtlich bis Ende November. Hüseyn S. wird übrigens in dieser Sache gesondert verfolgt, was ihn in der Türkei aber wenig jucken dürfte.

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