Rhein-Kreis/Neuss. Viele Kommunen im Rhein-Kreis arbeiten schon an eigenen Mobilitätskonzepten, jetzt hat auch der Rhein-Kreis eines verabschiedet. Das soll die Anstrengungen der Kommunen bündeln und einen Rahmen schaffen, nimmt aber auch den Kreis selbst in die Pflicht.
Der neue Kreistag hat sich noch nicht konstituiert – aber schon Hausaufgaben auf. Die ergeben sich aus dem Mobilitätskonzept für den Rhein-Kreis, an dem seit 2021 gearbeitet und das vom alten Kreistag in dessen letzter Sitzung noch verabschiedet wurde. Das 160-seitige Konzept schaffe die Grundlage für vielfältige, zukunftsorientierte und nachhaltige Projekte im Politikfeld Mobilität, die den Klimaschutz als Richtlinie haben, fasst Erhard Demmer (Grüne) als Vorsitzender des Mobilitätsausschusses zusammen. Er ist überzeugt: „Die gesamte nächste Wahlperiode wird damit ausgefüllt.“
Ganz abarbeiten werden Politik und Verwaltung das Paket in den kommenden fünf Jahren nicht – und müssen das auch nicht. Zielhorizont ist das Jahr 2045, in dem Klimaneutralität erreicht werden soll. Bis dahin muss der Anteil des motorisierten Individualverkehrs deutlich zugunsten des sogenannten Umweltverbundes beziehungsweise alternativer Antriebe gesenkt werden. Aktuell liegt der Autoanteil an allen zurückgelegten Wegen kreisweit noch bei 54 Prozent (in der Stadt Neuss 51). Der Anteil der Fußgänger (24 Prozent) und Radfahrer (13 Prozent) liegt über den Vergleichswerten in Land und Bund, der ÖPNV-Anteil mit neun Prozent aber darunter.
Auch deshalb hat die Neufassung des Nahverkehrsplans für den Rhein-Kreis höchste Priorität und soll Mitte 2028 fertig sein. Rückgrat des ÖPNV sind derzeit 94 Buslinien mit zwölf Millionen Fahrplankilometern im Jahr. Bei der Neufassung des Plans sollen aber stärker als bisher neue Produkte wie der On-Demand-Verkehr – nach dem Vorbild des Neusser Nemo-Shuttle – in dünner besiedelten Gebieten in Blick genommen, die Etablierung weiterer Schnellbuslinien geprüft und vor allem die Verknüpfung der Angebote und Verkehrssysteme angestrebt werden.
All das geht der Kreis natürlich nicht alleine an, sondern im Schulterschluss mit den Kommunen, Verkehrsverbünden und Dienstleistern. Dem Kreis komme vor allem eine koordinierende Aufgabe zu, sagt Demmer, die dieser auch beim Ausbau des Schienen-Personennahverkehrs ausüben muss. Das Angebot mit vier Stadtbahnlinien zwischen Neuss- und Düsseldorf, drei S- und fünf Regionalbahnen, ist nach Ansicht der Gutachter schon heute gut, soll aber ergänzt werden. Stichworte sind der Neubau der S6 (Köln-Mönchengladbach) oder die Nachnutzung der RWE-Werksbahn in Grevenbroich. Voll unterstützt werde von der Politik auch die Rhein-Revierbahn, ein Strukturwandelprojekt, sagt Demmer. Die sei für den Personen- aber auch für den Güterverkehr bedeutsam. Sie wird deshalb in einem ebenfalls mit hoher Priorität versehenen neuen Güterverkehrskonzept ihren Niederschlag finden, das auch Aussagen zur Kanalisierung der Kurier- und Paketdienste machen soll.
Insgesamt 15 Einzelvorhaben formuliert das Mobilitätskonzept, in dem auch die – Dank eines geringen Ressourcenaufwandes – Chancen eines aufzubauenden Netzwerkes an Mobilstationen betont werden. Das kann bislang (zumindest in der Planung) nur in Neuss flächendeckend genannt werden. Eng verknüpft damit ist das Thema Ladeinfrastruktur. 355 öffentliche Tankstellen dieser Art gibt es, dazu 35 für E-Bikes. Dieses Netz soll ebenso wachsen wie die Zahl der Sharing-Angebote. Der Kreis möchte dazu ein kreisweites E-Fahrradverleihsystem initiieren.
Der Kreis ist aber nicht nur Moderator und Taktgeber, sondern hat auch breite eigene Zuständigkeiten. Beim Thema Instandhaltung und Ergänzung des Straßennetzes fällt darunter das Kreisstraßenbauprogramm, in dem der K9 (Strümp-Osterath), der K4 (Ortsdurchfahrt Kleinenbroich) oder der K33 zur geplanten Anschlussstelle Delrath Priorität beigemessen wird. Der Kreis nimmt sich selbst aber auch beim Thema Radwege an Kreisstraßen in die Pflicht, wo bei der Arbeit am Mobilitätskonzept sechs Strecken mit erheblichem und elf mit großem Handlungsbedarf identifiziert wurden. Er trägt zudem im Schulterschluss mit den Kommunen über den Ausbau eines kreisweiten Radverkehrskonzeptes dazu bei, dass das Gemeinschaftsprojekt „Rheinisches Radverkehrsrevier“ funktioniert. Das will das Radfahren als vollwertige Verkehrsoption alltags- und pendlertauglich ausgestalten. Die Motivation dazu liegt auf der Hand. „Im Radverkehr schlummern Potenziale“ zitiert Demmer aus dem Konzept. 70 Prozent der täglich zurückgelegten Wege im Kreis, ergab eine Analyse, sind so kurz, dass man die leicht mit dem Rad bewältigt.
(-nau sku)
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