Bonn. Ein Sarg aus Kiefernholz, eine schlichte Urne, ein kleines Grab auf dem Kommunalfriedhof mit Blümchen und Grablicht. Sterben in Deutschland ist oft eher unspektakulär. Anderswo wird der Tod hingegen ordentlich gefeiert.
Die Beerdigung als große Party – oder eine Leiche im Baum? Weltweit gibt es viele Bräuche, um von Verstorbenen Abschied zu nehmen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) listet einige auf.
Wer in Benin (14 Millionen Einwohner) in Westafrika stirbt, den erwartet meist eine große Party. Landläufig heißt es: „Der wichtigste Tag im Leben eines Beniners ist sein Todestag.“ Bis zur Beerdigung können Monate vergehen, falls der Verstorbene Christ war, denn die Hinterbliebenen müssen erst anreisen. Dann gibt es zahlreiche Treffen; Gäste müssen bewirtet, DJs gebucht, Plastikstühle geliehen werden.
Allgegenwärtige Ahnen
Noch aufwendiger wird es, falls der Verstorbene auch die uralte Religion Voodoo praktiziert hat. Dann gibt es zusätzliche Zeremonien, die oft nachts und im Verborgenen stattfinden. Denn dort geht nichts ohne die Ahnen, derer bei vielen Gelegenheiten gedacht wird und deren Geist – so die Vorstellung – im Alltag allgegenwärtig bleibt.
Diese großen Beerdigungen gehen ins Geld. Mitunter verschulden sich Menschen über Jahre. Das ist auch in anderen Regionen in Westafrika der Fall. Aus Ghana wird kolportiert, dass Christen sogar zum Islam – wo die Beerdigung innerhalb von 24 Stunden in einem Leichentuch erfolgen muss – konvertieren, um Kosten zu sparen.
Doch an der Küste kann eine Beerdigung äußerst opulent werden. Den Grundstein dazu legte einst Paa Joe, der Särge zu echten Kunstobjekten machte. Ob Colaflasche, Zigarette oder Gitarre: Man kann sich so ziemlich in allem bestatten lassen. Einen Holzadler als Sarg kaufte Paa Joe sogar das British Museum ab. Die Tradition begann Mitte des 20. Jahrhunderts. Die ethnische Gruppe der Ga, die rund um die Hauptstadt Accra entlang der Küste lebte, machte damals die aufwendig gestalteten Särge bekannt.
Probeliegen im Sarg – Natürlich in Wien
Doch wie ist es, in einem Sarg zu liegen? Das lässt sich jedes Jahr während der „Langen Nacht der Museen“ im Wiener Bestattungsmuseum ausprobieren. Auch Anfang Oktober war die Schlange der Probelieger wieder sehr lang: Etwa 500 Leute pro Stunde wollten wissen, wie das Seidenkissen des Todes im Nacken wirkt. „Es ist sehr beruhigend, weich und kuschelig“, so ein Tester.
Dass das Probeliegen ausgerechnet in der österreichischen Hauptstadt möglich ist – das Bestattungsmuseum liegt am dortigen Zentralfriedhof -, überrascht nicht. Wien und der Tod – das ist eine Beziehung wie Salz und Pfeffer. Schon Komponist Georg Kreisler (1922-2011) sang schließlich: „Der Tod muss ein Wiener sein.“
Asche und Bananenbrei
Eine Holzkiste für die Leiche? Undenkbar bei den Yanomami, die im Amazonasgebiet an der Grenze zu Venezuela leben. Sie praktizieren das Reahu, ein Abschiedsfest für die Toten, das Wochen dauern kann. Dabei wird der Leichnam in einen Korb gelegt und dieser im Wald aufgehängt. Dort bleibt die Leiche, bis das Fleisch verwest ist. Dann werden die Knochen in einer feierlichen Zeremonie verbrannt und die Asche vergraben.
Über in Venezuela lebende Yanomami wird derweil berichtet, dass ein wenig der Asche in einen Bananenbrei gemischt und dann von den Angehörigen des Volkes verzehrt werde. Solche Berichte hatten dazu geführt, dass man den Indigenen Kannibalismus vorwarf. Anthropologen wehren sich jedoch entschieden gegen eine derartige Deutung des Reahu.
Erinnerung durch Baumstämme
Entlang des Xingu-Flusses wird indes die Quarup-Zeremonie praktiziert, bei der es um die Erinnerung an die Verstorbenen geht. Sie findet ein Jahr nach deren Tod statt. Bemalte Baumstämme, an denen getrauert wird, symbolisieren dabei den Verstorbenen. Zu dem Ritual gehört der Huka-Huka-Kampf, bei dem Mitglieder des Volkes bunt bemalt miteinander ringen. Anschließend werden die Baumstämme in Seen geworfen, um die Seele der Verstorbenen zu befreien.
Weitaus bekannter ist der „Día de los Muertos“, der Tag der Toten, der in Mexiko am Abend des 31. Oktober beginnt und bis zum 2. November gefeiert wird. Trotz des Namens ist dies ein durch und durch lebensbejahendes, farbenfrohes Fest, bei dem sich christliche und indigene Traditionen vermischen. Seit 2008 steht es auf der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.
Typisch für die Feiern, mit denen an die Verstorbenen erinnert wird, sind als Skelette verkleidete Menschen, das beliebte Gebäck Pan de muerto – Totenbrot – sowie Totenschädel aus Zuckerguss. Mit „Coco – Lebendiger als das Leben!“ widmeten die Pixar Animation Studios in den USA dem Fest 2017 einen Animationsfilm.
Den Ganges sehen und sterben
So lebensfroh geht es in Varanasi im Nordosten Indiens nicht zu. Wer frühmorgens in einem Boot auf dem Ganges unterwegs ist, sieht Krematorien und Menschen, die die Asche von Verstorbenen verteilen. Denn trotz Lärm, Dreck und Gestank gilt Varanasi für viele Hindus als Heilige Stadt des Sterbens. Alte Menschen kommen aus allen Teilen des Landes und warten in Sterbehäusern auf den Tod.
Der Ganges spielt eine zentrale Rolle, gilt er doch als heiliger Fluss. Eng mit Varanasi verbunden ist zudem der Gott Shiva, der Zerstörer und Erneuerer – so die Mythologie – gleichermaßen ist.
(sore/kna boot)
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