Markus Lanz braucht nur einen Satz, um die Stimmung des Abends zu zeichnen: „Normalerweise ein Amt, für das es nicht so viel Aufmerksamkeit gibt. Das ist jetzt anders.“ In der Tat. Julia Klöckner, Bundestagspräsidentin und zweithöchste Amtsinhaberin des Staates, steht im Kreuzfeuer – zwischen Neutralitätspflicht, Parteiloyalität und öffentlicher Erwartung.
Neutralität oder Parteiloyalität? Julia Klöckner verteidigt ihre Doppelrolle
Sind Auftritte auf CDU-Veranstaltungen mit dem Neutralitätsgebot vereinbar? „Ich bin da als CDU-Mitglied eingeladen worden“, sagt Klöckner ruhig. „Als Bundestagspräsidentin bin ich neutral. Aber außerhalb des Amtes bleibe ich Abgeordnete.“ Lanz hält dagegen: „Ich weiß nicht, ob man das so unterscheiden kann.“
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Weiter spricht Klöckner von einem Bundestag, der „noch nie so polarisiert war“. Und verweist auf erschreckend niedrige Vertrauenswerte: Nur 22 Prozent der Bürger vertrauten laut ihr dem Parlament. „Wenn sich dann auch noch die Mitte als demokratieschädigend bezeichnet, wird es schwierig“, sagt sie und trifft den Kern einer Entwicklung, die weit über ihre Person hinausweist.
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Regenbogenflagge, Palestine-Shirt: Klöckners Streit um Grenzen der Neutralität
Doch Klöckner tritt nicht immer als Moderatorin des Streits auf – sie ist oft selbst Teil einer Auseinandersetzung um Grenzen und Rollen. Ihre Haltung zum Verbot der Regenbogenflagge auf dem Reichstag, „Palestine“-Shirts oder Stickern verteidigt sie unbeirrt: „Wir sind kein Parlament der Symbole.“ Lanz fragt, warum dann ein Auftritt bei einem CDU-Fest mit einem Nius-Förderer möglich sei. „Soll ich mir von den Linken und Grünen vorschreiben lassen, wo ich auftreten darf?“, fragt Klöckner zurück – trotzig, aber kalkuliert.
Die Sendung zeigt eine Politikerin, die nicht laviert, sondern sich im Widerstand einrichtet. Sie sagt Sätze, von denen sie weiß, dass sie provozieren: „Neutralität ist ein Instrument. Aber ich bin kein politisches Neutrum.“ Und sie teilt gegen Medien aus: „Weil es Journalisten gibt, die zuspitzen und über die Agenturen tickern wollen.“ Nimmt sie lieber in die Verantwortung, als sich selbst. Lanz lässt das nicht stehen, insistiert, bleibt sachlich, wo Klöckner mit Ironie pariert.
Wenn die Bundestagspräsidentin zur Zielscheibe wird
In den Momenten, in denen es um Bedrohungen, Hass im Netz und die Erosion demokratischer Diskussionskultur geht, gewinnt das Gespräch an Tiefe. Wenn Klöckner beschreibt, wie sie anonymen Drohenden manchmal persönlich zurückruft, schwingt ein Echo von nachvollziehbarer Verletzlichkeit mit – und von Kontrollwillen.
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Lanz versucht, die Grenzen zwischen Amt und Meinung auszuloten. Auf eine ehrliche Reflektion lässt sich Klöckner jedoch nicht ein. Vielmehr nutzt sie das Studio, um ihr Rollenverständnis zu erklären – und zugleich, um es zu verteidigen. „Ich will Debatten anstoßen, nicht richtig liegen“, sagt sie gegen Ende. Das klingt wie ein Bekenntnis und zugleich wie eine Warnung.
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Politikerin plädiert für Ordnung, verwischt aber selbst die Grenzen
Am eindrücklichsten ist der Moment, in dem Lanz einen ihrer früheren Sätze zitiert: „Man hat manchmal den Eindruck, es gibt nur noch zwei Meinungen: die eigene und eine falsche.“ Klöckner nickt. „Für Denkfaule sind Gesinnung und Emotion bequem“, zitiert Lanz weiter. Das klingt klug – wäre da nicht der Widerspruch, dass sie selbst mit moralischen Urteilen nicht spart.
So wird aus einem Gespräch über Demokratie ein Spiegel der Gegenwart: Eine Politikerin, die für Ordnung plädiert, aber selbst Grenzen verwischt. Und ein Moderator, der versucht, sie an diese Grenzen zu erinnern, während er als Vertreter der Medien angegriffen wird.
