Die Regale der Industrie könnten bald wieder leer sein – und diesmal schlimmer als während der Pandemie. Die Abhängigkeit von Asien und den USA rächt sich bitter.
Deutschlands Industrie steht still, weil ein einzelner Chiphersteller nicht mehr liefern kann. Ein Szenario, vor dem Experten schon lange warnen, könnte in den nächsten Tagen nun tatsächlich eintreten.
Die Turbulenzen beim Halbleiterproduzenten Nexperia beweisen: Allen Ankündigungen von Politikern und Konzernen zum Trotz hat sich seit der letzten Chipkrise während der Pandemie wenig geändert. Riesige Konzerne wie VW sind genauso wie Tausende Mittelständler hierzulande auf Gedeih und Verderb von Werken in Übersee abhängig.
Die USA und Japan haben aus den verheerenden Engpässen während der Pandemie die richtigen Schlüsse gezogen. In beiden Ländern entstehen gewaltige neue Fabriken, auch fließt dort so viel Geld in die Chipentwicklung wie nie. Deutschlands Aufholjagd bei den Chips dagegen ist bis heute nicht einmal halbherzig. Und im Rest von Europa sieht es nicht besser aus.
Branchenverbände wie der ZVEI warnen seit Jahren, dass das Nichtstun gefährlich ist. Jetzt zeigt sich: Die mahnenden Worte waren mehr als Eigennutz. Vielmehr sind Deutschland und die EU bei Chips und anderen Elektronikprodukten wie Leiterplatten in höchstem Maße verwundbar, wenn nicht sogar erpressbar.
Der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck hat in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft inzwischen einen miserablen Ruf. Aber der Grünen-Politiker hat zumindest versucht, Deutschland bei den Chips voranzubringen. In Magdeburg und im Saarland wollte Habeck mit Milliardensubventionen neue Werke ansiedeln. Das ging schief, weil er mit den US-Konzernen Intel und Wolfspeed auf die falschen Investoren gesetzt hatte.
Die Investitionen in Dresden reichen nicht
Zwar erweitert der Dax-Konzern Infineon derzeit in Dresden seine Fabrik, und der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC errichtet einen neuen Standort in der sächsischen Landeshauptstadt. Angesichts des rasant steigenden Chipbedarfs und der wachsenden Bedeutung der Bauelemente für die Industrie ist das aber viel zu wenig. Auch fehlt eine durchgehende Lieferkette, denn fürs Testen und Verpacken schicken die Hersteller selbst ihre in Deutschland gefertigten Chips größtenteils nach Asien.
Doch nicht nur die Politik hat es versäumt, Deutschland bei den Chips krisenfest zu machen. Es sieht so aus, als hätten auch viele Abnehmer die Lehren aus der Pandemie schon wieder vergessen. Analysten zufolge sind die Lager vielerorts weitgehend leer, die Firmen sparen. Auch verlassen sich offenbar nach wie vor zahlreiche Firmen aus Kostengründen auf einen einzigen Chiplieferanten.
Die Unternehmen sollten schleunigst umdenken. Denn der Lieferstopp von Nexperia-Chips aus den chinesischen Fabriken dürfte nur der Vorbote für weitaus Schlimmeres sein. US-Präsident Donald Trump greift in nie gekanntem Maß in die Wirtschaft ein. Jederzeit könnte Trump Deutschland vom Chip-Nachschub abschneiden oder die Preise für die Bauteile in ungekannte Höhen treiben. Das wäre eine Katastrophe, schließlich dominieren amerikanische Firmen nach wie vor die globale Chipentwicklung.
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Dass die chinesische Regierung Exportbeschränkungen für politische Zwecke einsetzt, zeigt sich derzeit bei Nexperia, aber auch bei den seltenen Erden. Je mehr der Zollstreit mit den USA eskaliert, desto mehr wird der Westen unter derartigen Strafmaßnahmen leiden.
Und dann ist da noch das gewaltige Risiko Taiwan. China droht seit Jahren, sich die Insel einzuverleiben. Dabei ist das Land der wichtigste Anbieter von Hochleistungschips weltweit und Schlüssellieferant von der Autoindustrie bis zu den Herstellern von Wärmepumpen.
Gerade hat die Bundesregierung mehrere Milliarden Euro für die Chipförderung gestrichen. Angesichts der leeren Kassen ist das nachvollziehbar. Sich darauf zu verlassen, dass der Nachschub aus dem Ausland schon kommen wird, könnte aber noch viel teurer werden.
Mehr: „Die Bestände laufen leer“ – Was die Turbulenzen bei Nexperia für die deutsche Industrie bedeuten
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