Kooperativ, nachhaltig, App-unterstützt – diese Brettspiele liegen im Trend

Essen. Die Messe „Spiel“, das weltweit größte Event für Gesellschaftsspiele, beginnt in wenigen Tagen in Essen. Rund 1700 Neuheiten werden dort vorgestellt. Wir stellen die aktuellen Trends in der Brettspielbranche vor.

In wenigen Tagen startet in Essen die Messe „Spiel“. Sie gilt als die größte Publikumsveranstaltung für Gesellschaftsspiele weltweit, und wer glaubt, dass Brettspiele ein Relikt vergangener Zeiten sind, der täuscht sich gewaltig. Zwischen digital vernetzten Spielfeldern, nachhaltigen Produktionsideen und innovativen Mechaniken blüht die Brettspielszene wie nie zuvor, nicht zuletzt auch seit der Corona-Pandemie. So zeigen Zahlen von Statista, dass die Einnahmen in der Brettspiel-Branche ab 2020 deutlich gestiegen sind, mehr als in den Jahren zuvor. Während die Einnahmen 2018 noch bei 6,2 und 2019 bei 6,3 Milliarden US-Dollar lagen, gab es 2020 einen größeren Sprung auf 7,2 Milliarden US-Dollar. Allein in diesem Jahr sollen die Einnahmen auf 8,95 Milliarden steigen.

Eine Entwicklung, die auch der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) teils bestätigen kann – auch wenn dieser eher von einem „moderaten Wachstum“ spricht. Während die gesamte Spielwarenbranche von Januar bis Mitte September dieses Jahres ein Plus von vier Prozent erzielte, baute die Warengruppe „Spiele & Puzzle“ mit einem Wachstum von 18 Prozent ihre Position im Spielwarenmarkt weiter aus, wie aus einer Mitteilung des Verbandes hervorgeht. Nach Auffassung der Verlage dürfte sich der Aufwärtstrend bis Ende des Jahres fortsetzen.

Gleichzeitig ist es eine Branche, die sich seit jeher im Wandel befindet. Längst reicht es nicht mehr, ein paar simple Spielfiguren auf einem Brett mit einem Würfel durch die Gegend zu bewegen. Stattdessen experimentieren Designer mit App-Integration, Storytelling und Gemeinschaftsgefühl – Trends, die zeigen, dass Brettspiele heute mehr können als nur viel Platz auf einem Esstisch einzunehmen.

App-Unterstützung und kooperatives Spielen

Zum einen wächst der Einfluss digitaler Technologien, die das Spielerlebnis erweitern. Dabei soll aber der klassische Charme der physischen Komponenten nicht verloren gehen. So gibt es mittlerweile etliche Spiele, die auf App-Unterstützung setzen, wie etwa die beliebte Krimi-Reihe „Hidden Games“ rund um Kommissar Hahnke, der beim Lösen seiner Kriminalfälle auf die Unterstützung der Spieler angewiesen ist. Dabei können je nach Spiel etwa die Mailboxen von Verdächtigen abgehört werden oder auf Social-Media-Profilen Hinweise gesucht werden. Auch Klassiker wie Catan oder Scotland Yard (Master) bedienen sich mittlerweile am App-Store. Andere Spiele, wie etwa Hitster, bei dem man via QR-Code auf einer Karte Lieder abspielt, setzen vor allem auf die Komponente App. Dennoch zeigt sich, dass digitale Erweiterungen besonders dann überzeugen, wenn sie das physische Spielgefühl unterstützen, statt es zu verdrängen.

Andererseits gibt es mehr und mehr Spiele, die aus dem Videospiele-Bereich kommen und zum Gesellschaftsspiel werden – wie etwa „Dorfromantik“, bei dem es darum geht, mit „Plättchen“ Landschaften zu bilden. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Spiel auch um ein kooperatives Spiel, einer weiteren wichtigen Entwicklung in der Branche.

Denn das Kooperative, also die soziale Interaktion, rückt mehr und mehr in den Vordergrund. Statt gegeneinander zu spielen, gilt es, Rätsel zu lösen, Welten zu retten oder Geschichten gemeinsam zu gestalten. Dieses Gemeinschaftsgefühl spricht nicht nur etablierte Spieler an, sondern öffnet den Markt auch für Familien, Pädagogen und soziale Projekte. Beispiele aus dieser Kategorie sind das bereits erwähnte „Dorfromantik“, das in diesem Jahr mit „Leichtes Gepäck“ quasi eine „Reisevariante“ erhält oder die „Horrified“-Reihe, die einen Abstecher in die Welt von „Dungeons & Dragons“ wagt.

Wie wichtig kooperatives Spielen ist, erklärt auch die Koblenzer Professorin Wiebke Waburg. So vermitteln entsprechende Gesellschaftsspiele zahlreiche soziale Kompetenzen wie Empathie, Teamfähigkeit, Kommunikation und Strategien zur Problemlösung. „Das sind Fähigkeiten, die man auch im Alltag braucht“, sagte die Pädagogin, die zu Spielen und Spielzeug forscht, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Mithilfe von Spielen ließen sich zudem bestimmte Kompetenzen gezielt fördern. „In einer explorativen Studie sehen wir, wie sich die Sprachkompetenz von Mädchen mit Migrationsgeschichte verbessert. Auch tragen Spiele zum Empowerment bei“, erklärte Waburg.

„Legacy“-Spiele und Nachhaltigkeit

Ebenfalls mehr Zuwachs erfahren die Spiele mit sogenanntem „Legacy“-Charakter. Dabei handelt es sich um Spiele, die sich im Laufe einer Kampagne dauerhaft verändern, wie etwa durch das Anbringen von Aufklebern und Stickern auf einem Spielbrett. Beispiele dafür sind unter anderem „Dorfromantik“, „Pandemie Legacy“ oder „Gloomhaven: Die Pranken des Löwen“.

Und zu guter Letzt darf natürlich die Nachhaltigkeit nicht fehlen. Diese spielt sowohl inhaltlich als auch bei der Herstellung eine immer wichtigere Rolle. Spielen, die aus umweltfreundlichen Materialien wie Recycling-Pappe, FSC-zertifiziertem Papier oder sogar plastikfrei gefertigt sind, werden stärker nachgefragt.

Viele Gesellschaftsspiele thematisieren zudem Umweltschutz und nachhaltiges Handeln spielerisch, wodurch vor allem Kindern und Familien ein bewusster Umgang mit Ressourcen nahegebracht wird. So geht es etwa bei dem Spiel „Dreck weg“ darum, Müll zu sammeln und eine fiktive Stadt sauber zu halten. Bei dem 2019 erschienenen Spiel „Flügelschlag“ wird man regelrecht zum Vogelexperten. In dem Spiel kann man etwas zum Lebensraum, Nist- und Futterverhalten der jeweiligen Vögel lernen, zudem liefert jede Karte einen interessanten Fakt zur jeweiligen Vogelart.

Es wird gesammelt – aber auch Klassiker haben eine Chance

Ob Pokémon-Karten, „Magic – The Gathering“ oder ähnliche Spiele – auch Sammelkarten sind im Trend. Zudem spielen Klassiker eine wichtige Rolle im Portfolio der Verlage und bei Konsumenten. Klassiker seien für 40 Prozent der zweitwichtigste Wachstums­treiber im Markt und gleichsam die „Brot- und Butterspiele“ für das Geschäft, so der DVSI.

Generell liegen aber auch „Familien- und Erwachsenenspiele“ im Trend. „Familien- und Erwachsenenspiele stehen wie kaum eine andere Kategorie für die deutsche Brett­spielkultur, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer stärker ausdifferenziert hat“, sagt Hermann Hutter, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbandes Spieleverlage. „Familien- und Erwachsenenspiele haben durch ihre hohe Qualität, die innovativen Spielmechaniken und die Vielseitigkeit den internationalen Ruf der German Board Games begründet.“

Altersstrukturen und Spielerzahlen

Veränderungen gibt es jedoch auch bei der Anzahl der Spieler. Während Spiele, die in einer Solo-Variante gespielt werden können, laut DVSI von Verlagen eher als „Nischenprodukt“ wahrgenommen werden, steigt die Nachfrage nach Zwei-Personen-Spielen.

Zudem entdecken bestimmte Altersgruppen Gesellschaftsspiele wieder mehr für sich. Als Beispiel nennt Hutter etwa die 15- bis 35-Jährigen, die vermehrt Partyspiele entdecken.

Das sind jedoch alles Punkte, die sich nicht erst seit diesem Jahr entwickeln, sondern schon ein längerer Prozess. Herausragende Trends, die sich einzig und allein in diesem Jahr abzeichnen, gibt es nicht, sagt Robin de Cleur vom Merz-Verlag, der die „Spiel“ ausrichtet. „Es gibt für quasi jeden Geschmack und jede Spielart viele Titel bei unseren rund 1700 Neuheiten auf der Messe.“ Mögen die Spiele also beginnen.

(kag mit kna mba)

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