Louvre-Überfall: „Wundert mich nicht, dass solche Vitrinen in wenigen Minuten zu öffnen sind“

Acht unbezahlbare Schmuckstücke französischer Königinnen und Kaiserinnen wurden beim Louvre-Einbruch gestohlen. Waren die Vitrinen schuld? Eine Expertin antwortet.

Am 19. Oktober 2025 ereignete sich ein aufsehenerregender Juwelendiebstahl im Louvre in Paris. Vier maskierte Täter drangen nur 30 Minuten nach Öffnung des Museums über eine Hebebühne und ein aufgesägtes Fenster in die Galerie d’Apollon ein – getarnt mit Warnwesten und ausgerüstet mit Trennschleifern. Sie entwendeten Diademe, Halsketten und Ohrringe aus der französischen Kronjuwelensammlung. Möglich war das, weil die Diebe die maßgefertigten Vitrinen im Ausstellungssaal überwinden konnten. Ähnliches ist vor einigen Jahren im Grünen Gewölbe in Dresden passiert. Sind die Vitrinen also die entscheidende Schwachstelle? Isabel Hahn, Gesellschafterin bei der Glasbau Hahn GmbH, marktführendem Unternehmen im Vitrinenbau für Museen, hat Antworten.

Sabo: Frau Hahn, am vergangenen Sonntag wurden aus dem Pariser Kunstmuseum Louvre die sogenannten Napoleon-Juwelen entwendet. Waren Sie überrascht?Isabel Hahn: Ich war zuerst geschockt und habe auch für einen kurzen Moment überlegt, ob es unsere Vitrinen sind, die ausgeraubt wurden. Das war aber nicht der Fall. So war ich erst einmal beruhigt. Wir machen uns im Unternehmen aber Gedanken darüber, was da passiert sein könnte, und haben auch in den Folgetagen mit Gästen aus den USA länger darüber diskutiert.

Und? Haben Sie herausfinden können, was passiert ist? Der Einbruch dauerte nur sieben Minuten. Die reichten aus, um zwei Vitrinen mit Trennschleifern zu öffnen.Ich weiß noch nicht, wie das im Louvre exakt abgelaufen ist. Sagen wir es mal so: Dass es möglich ist, solche Vitrinen innerhalb weniger Minuten zu öffnen, wundert mich grundsätzlich nicht. Aber allein darauf kommt es nicht an. Sie können sich das so vorstellen: In jedem Museum gibt es ein Sicherheitssystem. Das entscheidet darüber, wie gut die ausgestellten Kunstgegenstände geschützt sind. Und die Vitrine ist ein Mosaikstück davon.

Das heißt?Wenn sich jemand an der Vitrine zu schaffen macht, geht normalerweise sofort der Alarm los. Das Sicherheitspersonal und die Polizei werden benachrichtigt. Die Vitrine ist dafür da, die ausgestellten Stücke zu schützen, bis die Sicherheitskräfte eingreifen. Sie muss also nur so lange halten, bis andere Sicherheitsstufen wirken. Ich gehe, was den Louvre betrifft, eher davon aus, dass das Sicherheitssystem lückenhaft war und es nicht primär an den Vitrinen gelegen hat. Auch, wenn das Glas nicht den allerhöchsten Sicherheitsstandard gehabt zu haben scheint.

Sie sprechen von Sicherheitsstandards. Welche Anforderungen müssen Vitrinen, die wertvolle Kunstgegenstände in Museen schützen sollen, denn erfüllen?Das kommt ganz darauf an, welche Vorstellungen ein Museum hat. Jede Vitrine ist ein Kompromiss. Dabei gibt es eine Regel: Sicherheit ist das Gegenteil von Transparenz. Die Museen müssen also immer abwägen, ob die Vitrine besonders transparent oder besonders sicher sein soll. Wir beraten dabei. Unsere Aufgabe ist es dann, die wertvollsten Ausstellungsstücke der Welt zu schützen. Wir haben auch schon über 40 Millimeter dicke Vitrinen gebaut, die einer Kalaschnikow standhalten würden. Aber dann sind die Ausstellungsstücke im Grunde streng verschlossen, nicht besonders gut sichtbar. Insofern kann man den Franzosen auch keinen Vorwurf machen, da sie eine andere Entscheidung getroffen haben.

Wie läuft der Prozess, wenn ein namhaftes Museum – wie das Metropolitan Museum of Art in NY in der Vergangenheit – Sie beauftragt, Vitrinen für wertvolle Kunstgegenstände zu bauen?Meist kommt das Museum mit einer Liste von Vorstellungen oder einem Entwurf zu uns. Es gibt also schon konkrete Ideen, wie die Vitrine aussehen soll und was sie können muss. Wir überlegen dann mit unserem Team aus Designern, Architekten, Metallbauern, Glasern und anderen, ob das umsetzbar ist. Geht es um Sicherheitsfragen, weisen wir auf die verschiedenen Vor- und Nachteile hin. Vielen Museen geht es vor allem darum, Kunstgegenstände gut und sichtbar präsentieren zu können. Erst dann beginnt der Fertigungsprozess, zu dem auch Sicherheitstests anhand von Prototypen gehören. Zum Beispiel haben wir mit dem Großen Ägyptischen Museum an einem speziellen Entwurf gearbeitet, um eine Vitrine für die Goldmaske des Tutanchamun herzustellen.

Die Vitrinen der Galerie d´Apollon im Louvre wirken alt, haben einen historisch anmutenden Unterbau und sind maßgefertigt. Lässt sich historische Optik mit Sicherheit vereinen?Nicht immer. Wenn es ganz bestimmte Vorstellungen gibt, die Vitrine also unbedingt eine historische Optik haben soll oder in ein altes Gestell passen muss, dann kann das bedeuten, dass man bei der Sicherheit Abstriche machen muss. Es kann sein, dass bei der Konstruktion im Louvre eine etwas einfachere Glasvariante zum Tragen gekommen ist. Durchschlaghemmendes statt einbruchhemmendes Glas. Allerdings muss ich sagen, dass solche spektakulären Raubzüge äußerst selten vorkommen. Es handelt sich dann um lang geplante Auftragsdiebstähle, bei denen der Materialwert keine Rolle spielt. Dem Auftraggeber geht es darum, ein einmaliges Stück zu besitzen. Meist funktioniert die Sicherheitstechnik.

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