„Gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen“
Männliche Migranten ein Problem im „Stadtbild“? Kriminologe gibt Merz teilweise recht
Kanzler Merz‘ „Stadtbild“-Äußerung sorgt für Aufruhr. Ein Kriminologe bestätigt Teile seiner Aussage, warnt aber auch vor pauschalen Urteilen zu Migranten.
Berlin – Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit seinen Äußerungen zum „Stadtbild“ eine heftige Debatte über Migration und Sicherheit in Deutschland ausgelöst. Der CDU-Politiker sprach davon, dass Deutschland trotz Erfolgen in der Migrationspolitik immer noch Probleme im „Stadtbild“ habe und dass man darauf mit vermehrten Rückführungen von Asylbewerbern reagieren werde. Diese Aussage führte zu breiter Kritik und Protesten: Merz wird Rassismus und die Abwertung von Menschen mit anderem Aussehen vorgeworfen.
Trotz der Kontroverse erhält Merz Unterstützung aus den Reihen der Polizeigewerkschaften. Eine aktuelle Insa-Umfrage im Auftrag der Bild zeigt zudem, dass 43 Prozent der Befragten angaben, das Stadtbild in ihrem Wohnort habe sich in den vergangenen zehn Jahren „zum Schlechteren verändert“. 39 Prozent sagten, sie fühlten sich in ihrem Wohnort „unsicherer“ als 2015.
Kriminologe zu Merz und „Stadtbild“: Junge Männer mit Migrationshintergrund häufiger kriminell
Der Kriminologe Thomas Bliesener vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen äußerte sich in einem Interview mit tagesschau24 differenziert zu der Debatte. Er bestätigte, dass die Kriminalität nicht gleichförmig verteilt sei und dass junge Männer, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, tatsächlich häufiger in der Kriminalstatistik auftauchen.
Bliesener erklärte: „Gerade Personen, junge Männer mit Migrationshintergrund, die vereinigen einige der Faktoren oder der Prozesse auf sich, von denen wir wissen, dass sie kriminalitätsförderlich sind.“ Er nannte als Beispiele das Aufwachsen in problematischen Wohngebieten, leichtere Verfügbarkeit von Waffen und Drogen sowie „gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen“.
Allerdings warnt der Experte auch vor Pauschalisierungen und betonte die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung. Der Kriminologe weist darauf hin, dass die Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung in den letzten Jahren stetig abgenommen habe, während andere Ängste, wie die vor steigenden Lebenshaltungskosten oder Weltkrisen, zugenommen hätten. Diese Einschätzung steht im Kontrast zu Merz‘ Darstellung der Situation.
Merz mit bewusster Taktik bei „Stadtbild“-Aussage? AfD könnte Rolle spielen
Der Leipziger Demokratieforscher Oliver Decker sieht in Merz‘ Äußerungen eine bewusste Strategie. „Herr Merz bewegt sich mit Absicht an eine Grenzlinie“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Decker vermutet, dass Merz bestimmte Ressentiments bedienen wolle, ohne den Teil der CDU vor den Kopf zu stoßen, der diese nicht teilt.
Die Sprachwissenschaftlerin Constanze Spieß, die in der Jury für das „Unwort des Jahres“ sitzt, kritisierte Merz‘ Wortwahl scharf. „Mit der Äußerung macht sich Merz sprachliche Muster der extremen Rechten zu eigen“, sagte sie und warnte davor, dass solche Äußerungen die AfD stärken könnten, statt Wähler zurückzugewinnen.
Merz konkretisiert Aussage zu „Stadtbild“: Problem die, die sich nicht an Regeln halten
Merz selbst hat inzwischen seine Aussage zum „Stadtbild“ konkretisiert. Am Rande eines Gipfels in London betonte er, dass Deutschland Zuwanderung brauche und Menschen mit Migrationshintergrund unverzichtbar seien. Als Problem sehe er diejenigen, „die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, die nicht arbeiten und die sich auch nicht an unsere Regeln halten“. (Quellen: Tagesschau, dpa, eigene Recherche, Bild) (smu)
