Ein Dialog ganz am Anfang mag Känguru-Anfängern vielleicht auf die Sprünge helfen, warum das Beuteltier so unglaublich gut ankommt. Marc-Uwe Kling fragt: „Was machen wir, damit es nicht kippt?“ Darauf das Känguru seelenruhig: „Wir müssen dagegenhalten und gleichzeitig die ganze alte Sch***ße auseinandernehmen, säubern und dann besser wieder zusammenbauen.“
Ein Regal wird zum politischen Kommentar
Da bebt die ganze Saarlandhalle vor Lachen. Eigentlich geht es in diesem Dialog zwischen dem stramm linksradikal-kommunistischen Känguru und seinem WG-Mitbewohner Marc-Uwe Kling ja nur um ein Regal, das in der Wohngemeinschaftsküche umzukippen droht und in dem auch noch eine verbrannte Brotscheibe im Toaster festklemmt. Aber beim Autor der Känguru-Chroniken gibt es eben oft noch eine zweite Ebene.
Am Dienstag waren Kling und sein Comic-Zeichner Bernd Kissel zu Gast in der Saarbrücker Saarlandhalle. Für den Bexbacher Kissel war dies auf der aktuellen Tournee des Zweiergespanns ein Heimspiel. Ob die bundesweite Beliebtheit auch im eigenen Land reichen würde, um die Halle zu füllen? „Saarbrücken, enttäusche mich nicht!“, hatte Kissel von Berlin aus in einem Instagram-Post angesichts von noch existierenden Restkarten, „allen voran“ für die Saar-Hauptstadt gefleht.
Halle war fast restlos gefüllt
Doch diese wohl nicht ernsthafte Befürchtung war grundlos. Schon zwei Stunden vor Beginn bildete sich vor dem Eingang eine Schlange, um die Halle fast restlos zu füllen. Manche hatten sogar ihre kaum zwölfjährigen Kinder mitgebracht.
Dabei ging es an diesem Abend zentral nicht etwa um Helden der Kindheit oder Lieblingstiere mit und ohne Beutel. Vielmehr um zwei Ekelpaktete, zwei Tech-Milliardäre, deren Abenteuer Kling und Kissel vorlesend und mit den Comic-Panels (Einzelbildern) per Videobeamer vergrößert auf die Leinwand projizierten: „Elon & und Jeff on Mars“. Auch wenn da jeder sofort versteht, wer gemeint ist: Jede Ähnlichkeit mit lebenden Persönlichkeiten sei zufällig, beteuerte Kling. Schließlich haben die lebenden Persönlichkeiten Juristen.
Jeff Jesus will als erster Mensch den Mars betreten
Doch natürlich macht gerade die Ähnlichkeit in den kurzen Episoden den Witz aus. Wenn Jeff Jesus, nicht nur „als der Mensch, der den Einzelhandel vernichtet hat“, in die Geschichte eingehen will, sondern auch als erster Mensch, der den Mars betritt … und dann dort Fußspuren entdeckt, weiß man auch ohne Titelkenntnis, wer das nur sein kann
Wer sich vorher nicht vorstellen konnte, wie der Witz von Comics beim Vorlesen erhalten bleibt, kapiert es hier schnell. Zum einen füllen sich die leeren Sprechblasen hier auf der Leinwand immer erst nacheinander, wenn Kling vorliest. Und Kling liest wie immer mit bewusst amateurhaft verstellter Stimme. Bei Jeff kneift er sich die Nase zu, bei Elon streut er trockenes Lachen, was wie Husten klingt, ein. Und Kissel steuert neben seinem herrlich grotesken Strich auch so manche Pointe auf zeichnerischer Ebene ein.
Drei Millionen Dollar Stundenlohn und eine DVD
Was das Duo Jeff und Elon auf dem Mars treibt, ist dabei gar nicht so spektakulär. Sie bauen lächerliche Zäune, um ihr Territorium abzustecken, wollen sich abgrenzen und suchen doch in dieser kahlen Fremde die Nähe des anderen. Um sich dann zu streiten wie kleine Jungs in der WG: Wer den Abwasch macht, aber nur für drei Millionen Dollar Stundenlohn, wer den Müll rausbringt. Die Jungs, die sich sonst ein Kino bauen lassen, wenn sie Lust auf einen Film haben, langweilen sich nun mit der einzigen DVD.
Doch das Amüsement kommt bei Kling und Kissel eben oft über die weiteren Bedeutungsebenen, die mehr oder weniger deutlichen Anspielungen, die Kling notfalls auch schon mal erklärt. Durch die realen Abstrusitäten machen es die Figuren dem Künstler eben schwer, diese noch zu toppen, die Dinge zuzuspitzen.
Kissel zeichnete Fantasiefiguren, die sich das Publikum wünschte
Während Kling auf der Bühne das Wort führte, war Kissel überwiegend damit beschäftigt, Fantasiefiguren zu zeichnen, die sich das Publikum gewünscht hatte. In Saarbrücken waren die Wünsche eher unpolitisch: Ein Einhorn mit Glitzer-Tattoo und Regenbogen oder einen Troll, die Kissel jeweils als Känguru mit Verkleidung darstellte.
Wie in anderen Städten auch wünschte ein Zuschauer lautstark aus aktuellem Anlass ein „Stadtbild“. Das stellte Kissel erst am Schluss vor: eine relativ konventionelle Ansicht des St. Johanner Marktes mit Stengelbrunnen in der Mitte – und Kling und Känguru daneben. Das Bild versteigerte das Duo dann für den guten Zweck. In Saarbrücken war der gute Zweck sogar doppelt: Die 450 Euro Höchstgebot gingen an den Verein Exit, der rechten Aussteigern helfen soll. Die Zeichnung selbst will die Meistbietende in den Zelten des Vereins Kältebus aufhängen, der Obdachlosen im Winter Quartier und Essen bietet.
Das Comic-Duo „War und peas“ als Voract
Noch eine feine Geste von Bernd Kissel: Zu Anfang durfte das international bekannte Saarbrücker Comic-Duo Elizabeth Pich und Jonathan Kunz alias „War und peas“ quasi als Vorgruppe seine neuen Werke vorstellen. „Wusstet ihr, dass das Saarland die größte Dichte an Comic-Genies hat?“, setzte Marc-Uwe Kling noch ein Lob drauf.
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