Mehr Urlaubstage für alle, die nicht im Homeoffice arbeiten können?

Berlin. Das Arbeiten von zu Hause liegt im Trend. Allerdings häufen sich Meldungen, dass Konzerne ihre Mitarbeiter zurück in die Büros holen wollen. Homeoffice-Experte Florian Kunze schätzt die Lage ein und macht einen ungewöhnlichen Vorschlag.

Mehr Zeit für die Familie, weniger Stress und Stau. Viele Arbeitnehmer schätzen die Möglichkeiten, die ihnen das Homeoffice bietet. Die Wirtschaft debattiert aber regelmäßig intensiv über die Zukunft des Arbeitsmodells. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Entwicklung hat das Homeoffice in den vergangenen Jahren genommen?

Das Homeoffice hat sich vor allem in der Corona-Pandemie etabliert, wo viele Mitarbeiter aufgrund der Infektionsgefahr nicht in den Büros der Firmen arbeiten durften. Während der Anteil der Menschen, die zumindest gelegentlich im Homeoffice arbeiten, laut Statistischem Bundesamt 2019 noch 9,9 Prozent betrug, hat sich der Wert im zweiten Pandemie-Jahr 2021 auf 23,4 Prozent mehr als verdoppelt. Im Jahr 2024 pendelte sich der Anteil bundesweit bei 22,7 Prozent ein. Nordrhein-Westfalen liegt mit 22,9 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt. Die Homeoffice-Anteile umfassen jeweils abhängig Beschäftigte (ohne Auszubildende), die angaben, mindestens einen Tag in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten.

Es besteht in Deutschland kein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice, auch nicht in Bereichen, wo dies grundsätzlich möglich wäre. Eine Pflicht zum Homeoffice gab es hier nur während der Corona-Pandemie bis zum März 2022, danach lief die Regelung aus. Allerdings wurden in dieser Zeit und danach viele Betriebsvereinbarungen geschlossen, die die Firmen an gewisse Homeoffice-Ansprüche binden. Zusätzlich haben die Unternehmen Büroflächen abgebaut, um Kosten zu sparen.

Welche Diskussionen gibt es momentan um das Homeoffice?

Immer wieder verkünden einzelne Unternehmen, ihre Mitarbeiter wieder vermehrt zurück ins Büro holen zu wollen. „Wir sind keine Homeoffice-Firma“, hatte Vodafone-Deutschland-Chef Marcel de Groot im September im Interview mit unserer Redaktion gesagt. Große Konzerne wie SAP oder die Deutsche Bank haben Regeln für Anwesenheitspflichten eingeführt. Die Unternehmen nennen in dem Zusammenhang einen stärkeren Zusammenhalt des Teams und einen besseren Austausch als Argumente für eine Rückkehr ins Büro.

Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz, sieht allerdings keinen grundsätzlichen Trend weg vom Homeoffice. „Im Gegensatz zu der öffentlichen Debatte, die sehr stark von großen Einzelunternehmen getrieben wird, sehen wir keinen starken Rückkehrtrend“, sagte er unserer Redaktion. Nur bei etwa 20 Prozent der Unternehmen seien stärkere Rückkehrpflichten festzustellen. Eine Studie des Münchner Ifo-Instituts und der Stanford-Universität zeigt zudem, dass in jedem fünften neuen Job (20 Prozent) Homeoffice vorgesehen sei – 2019 war dies nur bei fünf Prozent der Fall gewesen. Auch in Zukunft wird Homeoffice also eine große Rolle spielen.

Welche Möglichkeiten gibt es bei der Ausgestaltung?

„Entweder Homeoffice oder nur Präsenz – diese Debatte sollte so nicht geführt werden und findet in den meisten Firmen so auch nicht statt“, sagte der Experte Kunze. In der Öffentlichkeit müsse die „sehr polarisierende Debatte“ aufhören, die zu einer großen Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern führe. Der Experte plädiert für einen Mix aus Präsenz und Homeoffice. Wie das Verhältnis von Homeoffice- und Präsenz-Tagen sei, hänge von den Aufgaben und Tätigkeiten der Mitarbeiter ab. „Da gibt es in vielen Firmen gerade einen Aushandlungsprozess, wie es weitergeht.“ Kunze betonte jedoch: „Es sollte gemeinsame und sinnhafte Präsenz angestrebt werden.“

Das bedeutet, feste Präsenztage festzulegen, an denen möglichst alle Mitarbeiter gleichzeitig ins Büro kommen sollen. „Wenn das nur schichtartig passiert und kein Austausch stattfindet, haben die Firmen mit der Präsenz nicht viel erreicht.“ Zudem könne darüber nachgedacht werden, die Regelung flexibel zu gestalten: Bei neuen Projekten könnten die Mitarbeiter möglicherweise zwei oder drei Wochen vollständig ins Büro kommen – um dann in anderen Arbeitsphasen wieder mehr von zu Hause zu arbeiten.

Ein Argument gegen Homeoffice sind Gerechtigkeitsgedanken – denn in Bereichen wie der Fertigung oder im Lager ist kein Homeoffice möglich. Kunze bringt daher die Möglichkeit ins Spiel, dass Beschäftigte ohne Homeoffice-Anspruch dafür in anderen Bereichen bessergestellt werden. „Sie könnten einen Urlaubstag mehr bekommen“, schlug Kunze vor. Auch bei der Bezahlung seien Unterschiede denkbar. „Wer weniger flexibel arbeiten kann, kann dann vielleicht mehr verdienen.“

Was will die Politik?

„Die Linke fordert einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Homeoffice mit Rückkehrrecht in den Betrieb, damit Arbeiten von zu Hause freiwillig möglich, aber niemals verpflichtend ist“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Anne Zerr unserer Redaktion. Es brauche klare gesetzliche Regeln, damit Beschäftigte selbstbestimmt über ihren Arbeitsort entscheiden können.

Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung sieht keine Schaffung eines gesetzlichen Anspruchs auf Homeoffice vor. Das Arbeitsministerium verweist auf „sachgerechte betriebliche Lösungen“ auf einzelvertraglicher, tariflicher oder betrieblicher Ebene.

(tok mar)

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