Legislative mit ChatGPT?
Merz testet Künstliche Intelligenz für deutsche Gesetze: „Erstaunlich, was KI angeboten hat“
Bundeskanzler Friedrich Merz erprobt KI im Kanzleralltag – sogar bei Gesetzesformulierungen. Der Selbstversuch zeigt Chancen, aber auch klare Grenzen.
Stuttgart – Bundeskanzler Friedrich Merz lotet bei einem Besuch in Baden-Württemberg den praktischen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Bundesregierung aus. Im Zentrum stehen Wirtschaft, Forschung und konkrete Anwendungen in der Gesetzesarbeit. Der Vorstoß soll die Verwaltung beschleunigen, Arbeitsabläufe modernisieren und die Qualität politischer Prozesse erhöhen.
Die Bundesregierung will so die digitale Transformation im politischen Betrieb vorantreiben. Dazu zählen Tests mit generativen Systemen, die Entwürfe strukturieren und Vorschläge unterbreiten können. Gleichzeitig sollen rechtliche Vorgaben und Datengrundlagen Schritt halten, damit Ergebnisse belastbar bleiben.
Merz testet Künstliche Intelligenz für deutsche Gesetze
„Ich begebe mich gerade auf meinem eigenen Rechner in ein erstes System hinein und probiere das aus“, sagte Merz bei seinem offiziellen Antrittsbesuch in Stuttgart gemäß der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dabei gehe es nicht nur um Technik, sondern um konkrete Anwendungen im Tagesgeschäft. Der Kanzler betonte, dass die Erprobung in einem kontrollierten Rahmen stattfinde.
Ein Beispiel nannte er ausdrücklich: „Ich habe es sogar sehr konkret im Zuge eines Gesetzgebungsvorhabens ausprobiert, das wir in der Bundesregierung beschlossen haben – nämlich die Aktivrente, da ging es um Formulierungen im Einkommenssteuergesetz. Das war erstaunlich, was die KI da auch bis hin zu Formulierungen angeboten hat.“ Gleichzeitig zeigten sich Grenzen: Eine jüngste Novelle des Einkommenssteuergesetzes war in dem getesteten System noch nicht enthalten. Das belege, wie wichtig aktuelle Datenbestände und menschliche Prüfung bleiben.
Chancen für Verwaltung und Service beim Thema KI – aber nur mit Kontrolle
Beobachter verweisen darauf, dass KI in Behörden Routineaufgaben automatisieren, Dokumente strukturieren und Recherchen beschleunigen kann. Das soll Ressourcen für Strategie, Bewertung und Kontrolle frei machen. Gleichzeitig erwarten viele Bürgerinnen und Bürger personalisierte, verlässliche Auskünfte – ein Treiber für den KI-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung.
Damit solche Systeme vertrauenswürdig sind, braucht es indes klare Leitplanken und transparente Verfahren. Behörden müssen nachvollziehbar dokumentieren, wie Modelle arbeiten, welche Daten genutzt werden und wie menschliche Aufsicht gewährleistet ist. Nur so lassen sich Fehler vermeiden, einseitige Ergebnisse verhindern und Akzeptanz sichern.
EU-Rechtsrahmen setzt Leitplanken für KI im Staat
Mit dem EU-AI-Act liegt ein umfassender Rechtsrahmen vor, der Risiken staffelt, Transparenz verlangt und Hochrisiko-Anwendungen streng reguliert. Generative Systeme müssen unter anderem kenntlich machen, wenn Inhalte maschinell erzeugt wurden, und Urheberrechtsvorgaben beachten. Für staatliche Stellen bedeutet das: Einsatz ja, aber nur mit Prüfung, Dokumentation und klaren Verantwortlichkeiten.
Deutschland muss diese Vorgaben in der Verwaltungspraxis konsequent verankern. Dazu zählen Tests in geschützten Umgebungen, laufende Qualitätssicherung und Beschwerdewege für Betroffene. Der Ansatz verbindet Innovationsförderung mit Grundrechtsschutz – ein Balanceakt, der politische Führung und Disziplin in den Behörden erfordert.
Internationale Praxis: Wie andere Regierungen KI transparent und kontrolliert einsetzen
Ein Blick in die USA zeigt, wie Verwaltungen den Überblick behalten: Dort listen Bundesbehörden Hunderte KI-Nutzungen, priorisieren Schutzmaßnahmen und führen „Impact-Assessments“ für Anwendungen mit möglichem Einfluss auf Rechte und Sicherheit durch. Dokumentation, Evaluierung und die Möglichkeit, Entscheidungen anzufechten, sollen Risiken mindern. Solche Standards setzen auch für europäische Verwaltungen Maßstäbe.
Für Deutschland heißt das: Projekte systematisch erfassen, Modelle auf Aktualität und Qualität prüfen und frühzeitig Schutzmechanismen verankern. Nur so lässt sich die Technologie skalieren, ohne Vertrauen zu verspielen. Der Selbstversuch des Kanzlers kann den Kulturwandel in der Verwaltung beflügeln – vorausgesetzt, es bleibt bei „KI mit Netz und doppeltem Boden“.
Merz über KI: „Disruptiv“ – aber der Mensch bleibt in der Verantwortung
Merz sieht in KI einen tiefgreifenden Umbruch: „Das ist disruptiv – und zwar in einem Umfang, den wir uns heute nicht vorstellen können.“ Zugleich zeigte sein Test die Notwendigkeit aktueller Rechtsstände und fachlicher Kontrolle. KI kann Vorschläge liefern und Arbeit beschleunigen – entscheiden und verantworten müssen weiterhin Menschen.
Der nächste Schritt ist operativ: Kompetenzen aufbauen, Datenqualität sichern, Vergabeverfahren modernisieren. Wenn Politik und Verwaltung diesen Dreiklang meistern, wird KI zum hilfreichen Partner – nicht zum Ersatz – in der Gesetzgebung und im Staatsdienst. (Quellen: dpa, europarl.europa.eu, cio.gov) (chnnn)
