Eine Sache ist sicher: So wie es derzeit auf dem deutschen Mobilfunkmarkt läuft, wird es nicht bleiben. Analysten sprechen unisono von hohem „Konsolidierungsdruck“. Im Fokus steht der Anbieter 1&1. Er gilt mit seinem aggressiven Marketing und günstigen Tarifen fürs mobile Surfen als „Wadenbeißer“ der Branche. Doch 1&1 könnte bald verschwinden, weil das Unternehmen aus Montabaur von einem Konkurrenten übernommen wird.
Preiskampf führt zu Übernahme
Die Branchenexperten der UBS-Bank vergleichen die aktuelle Lage mit der Situation vor gut zehn Jahren, als hohe „Wettbewerbsintensität“ Preiskämpfe auslöste. Neben den damals vier Mobilfunknetzbetreibern (Deutsche Telekom, Vodafone, O2-Telefónica und E-Plus) gab es bereits mehrere Dutzend Diensteanbieter ohne eigene Infrastruktur, die Netzkapazitäten mieteten und mit einem Aufschlag an ihre Kunden weiterverkauften – 1&1 gehörte dazu.
Der Kampf um Marktanteile führte letztlich dazu, dass O2 den Rivalen E-Plus übernahm. Die EU-Kommission winkte den Deal trotz heftiger Kritik durch. Kartellexperten hatten befürchtet, dass durch den Schritt von vier auf drei Netzbetreiber der Wettbewerb erheblich nachlässt.
Auflagen nicht erfüllt
Doch es dauerte nicht lange, bis eine neue Nummer vier erschien: 1&1 sicherte sich 2019 bei der Auktion der 5G-Frequenzen für rund eine Milliarde Euro das Recht, ein eigenes Handynetz aufzubauen.
Was dann nach der Auktion geschah, wird seither kontrovers diskutiert. Der Hoffnungsträger sorgt für Komplikationen: 1&1 ging den Aufbau der eigenen Infrastruktur ziemlich zögerlich an. Erst 2021, also zwei Jahre nach der Versteigerung, fiel der Startschuss. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte das Unternehmen aber verpflichtet, 1000 Antennenstandorte bis Ende 2022 in Betrieb zu setzen, tatsächlich waren es zu diesem Zeitpunkt nur drei.
Es folgten weitere Verzögerungen. Und in der Branche machte sich die Vermutung breit, dass 1&1-Chef Ralph Dommermuth das Interesse an eigener Infrastruktur verloren haben könnte – wegen Kosten, die höher lagen als eigentlich geplant.
Kartellamt schaltet sich ein
Die BNetzA jedenfalls eröffnete 2023 ein Bußgeldverfahren wegen des Verfehlens der Ausbauziele. Eine millionenschwere Strafe stand im Raum. Doch Dommermuth konterte und beschwerte sich beim Kartellamt. Nicht sein Unternehmen trage die Schuld an Verzögerungen, sondern die Firma Vantage Towers. Mit der hat 1&1 einen Vertrag über die Bereitstellung von mehreren Tausend Standorten für Funkantennen abgeschlossen. Der Vorwurf: Vantage habe seine Verpflichtungen nicht erfüllt und die eigene Muttergesellschaft bevorzugt behandelt – nämlich Vodafone.
Eine Entscheidung der Bonner Behörde steht noch immer aus: „Es handelt sich bis auf Weiteres um ein laufendes Verfahren. Wir stehen in Kontakt zu den Unternehmen“, teilt das Kartellamt auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mit.
Derweil muss 1&1 der BNetzA bis Ende des Jahres nachweisen, dass das eigene Netz inzwischen ein Viertel der deutschen Haushalte abdeckt, was nach RND-Informationen ungefähr 5600 Standorten entspricht.
Streithähne sind zugleich Partner
Ist das noch machbar? Ja, beteuert das Unternehmen. „Zum letzten Stichtag, dem 30. Juni 2025, waren rund 1.200 Antennenstandorte in Betrieb, während parallel weitere 4.500 entwickelt werden. Damit liegen wir insgesamt auf einem guten Kurs“, sagte ein 1&1-Sprecher dem RND. Beabsichtigt sei, bis zum Jahresende die 25 Prozent zu erreichen.
Die Pointe: Die Streithähne sind zugleich Partner. 1&1 hat sich nämlich im Vodafone-Netz mit einem langfristigen und kostspieligen Vertrag eingemietet – weil mit dem eigenen Mininetz die rund 12 Millionen Nutzer nicht flächendeckend versorgt werden können.
Hohe Investitionen
Nun wäre es möglich, Mietzahlungen durch einen zügigen Ausbau des Netzes zu drücken und gleichzeitig die BNetzA-Auflagen zu erfüllen. Zumal klar ist, dass es künftig noch jede Menge Antennen braucht: 2030 muss das Netz die Hälfte der Haushalte abdecken. Doch dafür müsse 1&1 die Investitionen „signifikant erhöhen“, so ein Insider der bezweifelt, dass sich das für Dommermuths Firma rechnet.
Damit kommt in diesem Mobilfunk-Monopoly die „Konsolidierung“ ins Spiel: Mehrere Branchenkenner berichten, dass es Gespräche zwischen 1&1 und Telefónica über eine Fusion gibt. Da passt was zusammen: 02 kann die 12 Millionen 1&1-Kunden gut gebrauchen, um das eigene Netz mit seinen rund 28.000 Standorten besser auszulasten.
Raus aus der Klemme
Zudem sollen Manager in der Madrider Telefónica-Zentrale fest davon überzeugt sein, dass die deutsche Tochter nur durch eine 1&1-Übernahme auf Dauer gegen Telekom und Vodafone bestehen kann. Und die Firma aus Montabaur würde sich aus der strategischen Klemme befreien, meinen Analysten. Allerdings müssten dafür wohl noch einige juristische Hürden genommen werden.
Eine andere Variante: Insider vermuten, dass Dommermuth vor allem darauf abzielt, bei Vodafone einen gehörigen Rabatt für die Netzmiete herauszuschlagen, was finanziellen Spielraum für den eigenen Netzausbau schaffen könnte. Vieles hängt jetzt an der Entscheidung des Kartellamts. „Eine abschließende Bewertung wurde für die zweite Jahreshälfte angekündigt“, so der 1&1-Sprecher.
