„Erster konkreter Hinweis“
Mysteriöses Leuchten der Milchstraße könnte ein großes Rätsel des Universums lösen
Die unsichtbare Kraft, die das Universum zusammenhält, könnte sich verraten haben. Forschende finden Hinweise auf dunkle Materie im Zentrum der Milchstraße.
Potsdam – Dunkle Materie ist eines der größten Rätsel der modernen Physik. Obwohl sie etwa 27 Prozent des Universums und etwa 85 Prozent der gesamten Materie ausmachen soll, konnte sie bisher nicht direkt nachgewiesen werden. Ihre Existenz wird nur aus indirekten Beobachtungen abgeleitet – etwa aus der Bewegung von Galaxien, die sich so verhalten, als würde eine unsichtbare Masse auf sie einwirken. Doch nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind überzeugt. Manche Forschende behaupten sogar, dass dunkle Materie und dunkle Energie gar nicht existieren.
Nun liefert eine neue Studie überraschende Erkenntnisse, die die Dunkle-Materie-Theorie stützen könnten. Die Hinweise fand die Forschung im Zentrum der Milchstraße: Dort maß das Fermi-Weltraumteleskop „übermäßig viele Gammastrahlen, die energiereichste Art von Licht im Universum“, erinnert sich Noam Libeskind vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP).
„Gammastrahlenüberschuss“ im Zentrum der Milchstraße: Ist es dunkle Materie?
„Astronomen auf der ganzen Welt waren erstaunt, und es wurden zahlreiche miteinander konkurrierende Theorien aufgestellt, um den sogenannten ‚Gammastrahlenüberschuss‘ zu erklären“, weiß der Forscher. Für den „Gammastrahlenüberschuss“ gibt es bisher zwei konkurrierende Erklärungen: Die Strahlung könnte von Millisekunden-Pulsaren stammen – schnell rotierenden Neutronensternen. Doch diese Theorie hat Schwächen. Um sie stimmig zu machen, müssten mehr solcher Objekte existieren als bisher beobachtet wurden.
Die zweite Theorie hat mit dunkler Materie zu tun: Die Gammastrahlung im Zentrum der Milchstraße könnte entstehen, wenn Teilchen dunkler Materie aufeinanderprallen und sich dabei gegenseitig auslöschen, die sogenannte Annihilation. Allerdings stimmte die räumliche Verteilung der Strahlung bisher nicht mit der vermuteten Anordnung der dunklen Materie überein.
Dunkle Materie ist in der Milchstraße nicht so verteilt, wie bisher angenommen
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Moorits Muru nutzte nun Supercomputer, um zu simulieren, wo sich dunkle Materie in der Milchstraße befinden sollte. Die Studie im Fachjournal Physical Review Letters zeigt, dass die dunkle Materie nicht sphärisch verteilt ist, wie bisher angenommen, sondern abgeflacht und asymmetrisch. „Wir haben festgestellt, dass die Abflachung dieses Bereichs ausreicht, um den Überschuss an Gammastrahlen als Folge der Selbstvernichtung von Teilchen aus dunkler Materie zu erklären“, sagt Muru in einer Mitteilung.
Als das Forschungsteam realistischere Kollisionsszenarien in seine Simulationen einbaute, stimmten die Karten mit den tatsächlichen Gammastrahlen-Karten überein, die vom Fermi-Weltraumteleskop aufgenommen wurden. Diese Übereinstimmung deutet darauf hin, dass dunkle Materie für den Überschuss an Gammastrahlen verantwortlich sein könnte. „Dunkle Materie dominiert das Universum und hält Galaxien zusammen. Gammastrahlen könnten unser erster konkreter Hinweis auf ihre Existenz sein“, erklärt Joseph Silk von der Johns Hopkins University, ein Co-Autor der Studie.
„Ein eindeutiges Signal wäre ein schlagender Beweis“
Die endgültige Antwort könnte das geplante Cherenkov Telescope Array liefern. Seine hochauflösenden Daten könnten helfen zu entscheiden, ob die Gammastrahlen von dunkler Materie oder von Pulsaren stammen. „Ein eindeutiges Signal wäre ein schlagender Beweis“, sagt Silk. „Oder vielleicht finden wir gar nichts, was dann ein noch größeres Rätsel darstellen würde.“ (Quellen: Pressemitteilungen, Studie, eigene Recherche) (tab)
