Neue Ansätze in der Forschung: Mit der Genschere gegen die Schweinepest

Es ist nur eine mi­kroskopische Veränderung an der Gensequenz von Schweinen, doch sie könnte eine große Wirkung entfalten. Forschern aus Großbritannien und Lübeck ist es erstmals gelungen, Schweine zu züchten, die durch Genveränderung gegen das Virus der Klassischen Schweinepest resistent sind. Das zeigt eine neue Studie im Fachjournal „Trends in Biotechnology“. Die Seuche bedroht Schweinebestände und führt im Ernstfall oft zur Tötung ganzer Herden. Zwar gibt es Impfungen, doch sind die kostspielig, und selbst geimpfte Herden können Krankheitserreger un­bemerkt weiterverbreiten. Auch wenn Deutschland derzeit frei von der Krankheit ist, bleibt das Risiko real.

Durch den Einsatz von Gentechnik könnten künftig womöglich Milliardenkosten für die Bekämpfung von Tierseuchen eingespart werden. Auch die Tiergesundheit könnte sich verbessern, weil sich die Tiere gar nicht erst infizieren. Nicht zu verwechseln ist die Klassische Schweinepest mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP), die seit Jahren in Deutschland grassiert und für die Lösungen dringend gesucht werden.

Nur ein Stück Gen fehlt

Zum Erfolg verhalf den Forschern die Genschere CRISPR/Cas, eine Standardtechnik der Gentechnologie, um eine Gensequenz gezielt zu verändern. „Es fehlt einfach ein kleines Stück Gen im Erbgut der Schweine, ohne dass irgendwelche Fremdgene eingeführt wurden“, sagt Nicolas Ruggli vom Institut für Virologie und Immunologie der Universität Bern. Ziel war das Protein DNAJC14, das für die Vermehrung der Schweinepestviren nötig ist. Das Virus kann nun nicht mehr an das Protein binden, die Schweine blieben gesund und symptomfrei.

Damit ist es zum zweiten Mal gelungen, resistente Schweine mithilfe der Genschere zu züchten. Schon 2018 wurden Tiere vorgestellt, die gegen das porzine Reproduktions- und Respirationssyndromvirus geschützt sind. In Südamerika und den USA ist die Zucht dieser Schweine schon erlaubt. „Es ist voraussichtlich nur noch eine Frage der Zeit, bis solche geneditierten, PRRS-resistenten Schweine und deren Fleisch auf den Markt kommen, zumindest in den USA und Südamerika“, sagt Ruggli. In der EU sind genveränderte Tiere und deren Produkte noch nicht zugelassen. Viele Fachleute halten das geltende Gentechnikrecht für überholt und zu regulierungsintensiv, Europa könnte den Anschluss verlieren.

Methode lässt sich auch bei Rindern, Schafen und Ziegen anwenden

Die Genschere gilt zum einen als präziser und effizienter als bisherige Verfahren, zum anderen könnte sie ökonomische Vorteile bieten. „Die Tiere müssen – falls überhaupt möglich – nicht geimpft werden, können keine Viren weiterverbreiten und verringern dadurch Tierverluste, Medikamenteneinsatz und wirtschaftliche Schäden durch Handelsbeschränkungen erheblich“, sagt Konrad Fischer von der Abteilung Xenotransplantation der TU München. Zudem ließe sich die genetische Veränderung auf andere Nutztiere wie Rinder, Schafe oder Ziegen übertragen, da diese ähnliche Gene besäßen und ebenfalls von Pestviren betroffen seien. Die Me­thode sei effektiver als Impfungen, da Resistenzen weitervererbt werden können. Wie stabil das bleibt, müsse sich aber noch zeigen.

Bis dahin gibt es jedoch noch Forschungsbedarf, auch hinsichtlich mög­licher Risiken. Zwar halten die meisten Fachleute diese für eher gering, doch sind etwa Mutationen oder „Off-Targets“, also unerwünschte Schnitte an ähnlichen Stellen im Genom, möglich. Derzeit laufen in deutschen Forschungseinrichtungen Projekte, um diese Risiken genauer abzuschätzen. Der Weg zur breiten Anwendung, insbesondere in Europa, dürfte noch weit sein.

Der Bedarf ist jedenfalls groß, da die Viren der Klassischen Schweinepest enorme Schäden verursachen. Ein infiziertes Schwein kann symptomfrei bleiben, andere Tiere aber trotzdem anstecken. Viele Länder haben es durch Impfungen und Kontrollen eingedämmt, doch in anderen Regionen sterben weiterhin Schweine oder sind anfälliger für weitere Infektionen, was den Einsatz von Antibiotika und Resistenzen fördert.

Auch an Lösungen gegen die Afrikanische Schweinepest arbeiten Forscher weiter. Das ist allerdings komplex. Da es noch keinen zuverlässigen Impfstoff gebe, wären resistente Hausschweine von großem Interesse, sagt Benjamin Lamp von der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Die ASP ist derzeit eine der größten Herausforderungen für die weltweite Schweinehaltung“, sagt er. Forscher Ruggli räumt jedoch ein, dass eine Genveränderung bei Wildschweinen, die vor allem von der ASP betroffen seien, natürlich nicht möglich sei. Landwirte sind hierzulande daher vorerst auf andere Maßnahmen angewiesen, etwa Schutzzäune und die Bejagung von Wildschweinen.

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