Neue Elektrolyseure: Der Kampf der Wasserstoff-Pioniere

Ein ernster Blick, ein Schulterzucken, besser hätte Luc Graré nicht illustrieren können, wie lang der Weg möglicherweise noch ist, den sein Unternehmen zu gehen hat, bevor das Ziel erreicht ist. „Momentan verbrennen wir Geld, klar“, sagte der Deutschland-Chef von Lhyfe. „Wann wir profitabel sind? Ich weiß es nicht.“ Was Graré meinte, war: profitabel mit der Erzeugung und dem Verkauf von grünem Wasserstoff. Es war eine Sekunde der Nachdenklichkeit an einem Tag, an dem das französische Unternehmen auf der Schwäbischen Alb eigentlich nur feiern wollte. In Schwäbisch Gmünd hat Lhyfe vor Kurzem eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff eröffnet.

Die Reaktion des französischen Managers steht für das Ende des Hypes um das grüne Gas, das nach den Vorstellungen vieler Politiker einen entscheidenden Beitrag leisten soll bei der Eindämmung des Klimawandels. Denn wird der Wasserstoff mit Strom aus erneuerbarer Energie hergestellt, kann er stromhungrige Branchen klimaneutral versorgen und schwere Lastwagen über weite Strecken ohne schädliche Abgase antreiben. Doch die Begeisterung der vergangenen Jahre ist zuletzt mehr und mehr einer realistischen Einschätzung gewichen.

Teure Herstellung, schlechter Wirkungsgrad

Das Problem: Die Herstellung ist teuer – unter anderem deshalb, weil der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff nur bei 60 bis 70 Prozent liegt. Von der eingesetzten elektrischen Energie geht also ein großer Teil verloren. Zudem ist Wasserstoff ein flüchtiges Gas: Lagerung, Transport, Einsatz sind dementsprechend schwierig. Dass die Wasserstoffwirtschaft nicht in Gang kommt, liegt auch an einem Henne-Ei-Zusammenhang: Anbieter finden keine Abnehmer, und die wiederum zögern wegen hoher Kosten mit der Nachfrage. Um die Kosten zu verringern, benötigten Investoren und Betreiber von Elektrolyseuren Sicherheit, heißt es dazu in einer neuen Studie der Nord LB. Ein Mittel dafür wären langfristige Abnahmeverträge. „Allerdings ist offenbar kaum ein Industriezweig bereit, grüne Prämien zu zahlen“, diagnostiziert die Bank. Das sei insbesondere dann nicht der Fall, „wenn die Unternehmen sich im harten globalen Wettbewerb behaupten müssen“.

Auch Lhyfe kämpft mit diesen Problemen. Die Aktiengesellschaft, hinter der unter anderem der amerikanische Solarzellhersteller Noria, der französische Photovoltaikprojektentwickler Les Saules und das portugiesische Windenergieunternehmen EDP Renováveis stehen, versucht, sich seinen eigenen Markt zu schaffen. Es tritt als Händler von grünem Wasserstoff auf und will in einem zweiten Schritt mit dem Aufbau von Produktionsstätten wie in Schwäbisch Gmünd den eingekauften Wasserstoff nach und nach durch eigene Produkte ersetzen.

Strom kommt aus Thüringen und Baden-Württemberg

Im Gewerbegebiet Aspen stehen dafür zwei Elektrolyseure mit einer installierten Leistung von jeweils zehn Megawatt. Die zweigeschossigen Anlagen, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten, werden gespeist durch grünen Strom, den Lhyfe mittels direkter Stromlieferverträge von einem Windpark in Thüringen und einem Solarpark in Baden-Württemberg kauft, wie Manager Graré im Gespräch mit der F.A.Z. erläutert. Das Unternehmen werde die Anlage jetzt langsam hochfahren. Im zweiten Quartal solle sie dann unter Volllast laufen, sagt Graré weiter. Dann soll sie jeden Tag vier Tonnen Wasserstoff herstellen. Zum Vergleich: Die Bundesregierung geht davon aus, dass Deutschland im Jahr 2030 insgesamt 2,9 bis 3,9 Millionen Tonnen verbraucht. Aktuell werden jedes Jahr etwa 1,4 Millionen Tonnen benötigt.

Nach Angaben Grarés soll das Gas zur Hälfte in die Mobilität gehen: Lhyfe will zwei Tankstellen des Gemeinschaftsunternehmens H2 Mobility im Raum Mannheim beliefern. Ein Viertel der Produktion aus Schwäbisch Gmünd ist für Kunden bestimmt, die an der Brennstoffzelle forschen. Dazu gehört Cellcentric, das Gemeinschaftsunternehmen der Lastwagenhersteller Daimler Truck und Volvo, das an Brennstoffzellen-Lösungen für schwere Nutzfahrzeuge arbeitet. Das restliche Viertel verkauft Lhyfe an die chemische Industrie, die Wasserstoff als Rohmaterial benötigt. Das Unternehmen wird sein Gas zunächst einmal mit speziellen Tankwagen ausliefern – auch wenn das deutlich teurer ist als der für Gase übliche Transport über Pipelines. Doch es wird noch lange dauern, bis die Produktionsstätte an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden wird. Bis zum Jahr 2032 soll dies – zumindest in der Theorie – 9000 Kilometer Leitungen umfassen.

Angesprochen auf den Preis, zu dem Lhyfe den in Schwäbisch Gmünd hergestellten Wasserstoff verkaufen will, antwortet Graré: „Wir gehen von rund zehn Euro für ein Kilogramm Wasserstoff aus.“ Zum Vergleich: Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) schätzt, dass Konkurrenten von Lhyfe grünen Wasserstoff in Deutschland für gut acht Euro herstellen können. Ein Kilogramm Erdgas kostet im Moment im Schnitt etwa drei bis vier Euro. Die hohen Kosten von grünem Wasserstoff begründen Produzenten oft mit strengen EU-Vorgaben, wonach das Gas nur dann als grün gilt, wenn der eingesetzte Ökostrom von zusätzlich gebauten Solaranlagen oder Windrädern – und praktisch zeitgleich zur Produktion des Wasserstoffs – erzeugt wird.

Trotz der hohen Kosten sieht sich Lhyfe als einer der wichtigsten Produzenten von grünem Wasserstoff in Europa, deren Produkt – auf der Schwäbischen Alb sogar ausschließlich – in den freien Verkauf geht. In Frankreich hat das Unternehmen Anlagen mit einer installierten Leistung von elf Megawatt in Betrieb, in der Entwicklung sind weitere 15 Megawatt. Erlöst hat das Unternehmen 2024 rund 5,1 Millionen Euro bei einem Nettoverlust von 29,2 Millionen Euro. Welcher Anteil vom Umsatz aus dem Handel mit Wasserstoff und welcher Anteil aus dem Verkauf des selbst produzierten Gases kommt, sagt Lhyfe nicht.

dena bewertet Ziele als unrealistisch

Es sind Zahlen wie diese, die die Euphorie um das klimafreundliche Gas haben einbrechen lassen. Der Ausblick, den die Nord LB in ihrer Studie aufzeigt, ist dementsprechend ernüchternd. Viele potentielle Betreiber von Elektrolyseuren scheuen die Investitionen, weil das teure Gas kaum nachgefragt wird. „Die Wahrscheinlichkeit, das im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie gesteckte Ziel von mindestens zehn Gigawatt Leistung bis 2030 zu erreichen, nimmt derzeit kontinuierlich ab“, schreibt die Bank. In Summe beliefen sich derzeit sämtliche bekannten Projekte auf eine Kapazität von etwa 8,1 Gigawatt. Doch ob alle innerhalb der kommenden fünf Jahre realisiert werden können, ist nicht nur für die Bank fraglich. So erwartet die Deutsche Energieagentur (dena) inzwischen bis 2030 nur noch eine Kapazität von 2,3 Gigawatt bis 4,5 Gigawatt. Ende 2024 belief sich die Kapazität ihren Angaben zufolge auf gerade mal 116 Megawatt – das sind 0,116 Gigawatt. Die Anlage auf der Schwäbischen Alb hat diesen Wert nun um 0,01 Gigawatt verbessert. Auch Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hatte das Zehn-Gigawatt-Ziel zuletzt als unrealistisch bezeichnet; sie will es deshalb durch „flexible“ Ziele ersetzen, die sich an konkreten Projekten auf der Nachfrageseite orientieren.

Lhyfe ist in Deutschland aber nicht das einzige Unternehmen, das noch an eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft glaubt und Elektrolyseure betreibt. Im niedersächsischen Lingen hat RWE auf dem Gelände des Gaskraftwerks Emsland vergangenes Jahr einen 14-Megawatt-Elektrolyseur in Betrieb genommen. In Oberhausen läuft seit gut einem Jahr eine Anlage des französischen Unternehmens Air Liquide mit einer installierten Kapazität von 20 Megawatt. Im Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt betreibt Linde eine Produktionsstätte mit einer Kapazität von 24 Megawatt. Und in dieser Woche ist im Energiepark Bad Lauchstädt bei Halle eine weitere Elektrolyseur-Einheit angekommen: Die Anlage mit einer installierten Leistung von 30 Megawatt soll Ende des Jahres in Betrieb gehen. Die größte Anlage in Deutschland läuft wiederum bei BASF in Ludwigshafen: Der 54-Megawatt-Elektrolyseur stellt grünen Wasserstoff her, den der Chemiekonzern als Ausgangsstoff für seine Produktion nutzt.

Diese Pioniere können derzeit nur hoffen, dass die Wasserstoffwirtschaft perspektivisch doch noch greift. Bei der Eröffnungsfeier des Lhyfe-Elektrolyseurs war es dann auch genau der Pioniergeist, den Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seine Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) beschworen. „Wir müssen ein neues System aus dem Boden stampfen, und das ist ein funktionierende Wasserstoffwirtschaft. Und in der Pionierphase braucht es eine Förderung“, sagte Kretschmann. Baden-Württemberg hat das 30-Millionen-Euro-Projekt mit 2,1 Millionen Euro gefördert, aus Brüssel kamen 4,3 Millionen Euro. Walker verwies bei der Eröffnung auf die „Technologieführerschaft“, um die es bei dem Projekt gehe. „Wir müssen jetzt vorangehen.“

Ans Vorangehen denkt auch Lhyfe-Manager Luc Graré: Er ist in Gedanken schon bei Projekten, die die Anlage von Schwäbisch Gmünd in ihrer Größe um ein Vielfaches übertreffen sollen. In Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee könnte eine Anlage mit einer Kapazität von bis zu 800 Megawatt entstehen, die Windstrom von der Ostsee nutzt und den aus Meerwasser gewonnenen Wasserstoff über das alte Erdgasnetz zu den Kunden schickt. Wie verwegen diese Vision ist, weiß Graré. Er peilt die Umsetzung frühestens für das Jahr 2038 an.

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