„Kann sich jederzeit ändern“
Neue Polizeiaktion im Fall Fabian (8) – Kriminalwissenschaftler hat Verdacht zu Strategie der Ermittler
Das Schweigen der Polizei im Fall Fabian ist möglicherweise Strategie. Kriminalexperte Christian Matzdorf erklärt die versteckte Taktik der Ermittler.
Güstrow – Die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod des achtjährigen Fabian aus Güstrow gehen weiter – allerdings auffallend still. Am Montag (20. Oktober) durchsuchten Einsatzkräfte erneut einen Bauernhof südlich der Stadt im Ort Reimershagen. Nach dpa-Informationen stand die Aktion im Zusammenhang mit den Ermittlungen, doch weder Polizei noch Staatsanwaltschaft wollten die Maßnahmen kommentieren.
Die Polizei bat die Öffentlichkeit sogar via Pressemitteilung um Verständnis, dass zu Details der Ermittlungen derzeit keine Angaben gemacht werden können. „Grund für die Zurückhaltung ist einzig und allein der Umstand, dass die laufenden Ermittlungen nicht durch vorschnelle Medienauskünfte behindert oder erschwert werden sollen“, heißt es darin.
Ermittler im Fall Fabian aus Güstrow auffallend zurückhaltend
Fabians Leiche war am Dienstag (14. Oktober) vergangener Woche nahe Klein Upahl gefunden worden. Die Obduktion ergab: Fabian wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Auffällig ruhig arbeiten die Ermittler seitdem. Christian Matzdorf, Professor für Kriminalistik mit Schwerpunkt Kriminaltechnik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin), vermutet in dieser Zurückhaltung eine bewusste Ermittlungsstrategie.
Jeder Fall ist anders und „einzigartig aufgrund unterschiedlicher Lebensrealitäten“, weiß Matzdorf, der selbst über 30 Jahre in der Landespolizei Berlin tätig war. Wenn Fälle wie bei Rebecca Reusch öffentlich angegangen wurden, könne dies auch kontraproduktiv sein. Manchmal laufen Ermittlungen bewusst still ab, was nicht bedeutet, dass im Hintergrund nichts passiert.
Wollte Fabian zu seinem Vater?
Was von außen möglicherweise wie unstrukturierte Ermittlungsarbeit wirken mag, weil mal hier, mal dort ein Grundstück durchsucht wird, könnte einer klaren kriminalistischen Logik folgen. „Die Polizei verfolgt eine Vielzahl von Theorien gleichzeitig, die systematisch überprüft und entweder bestätigt oder widerlegt werden müssen“, erklärt der Uni-Professor im Gespräch mit Sabo.de von Ippen.Media. Sie werde „verschiedene Ansätze testen, um schließlich eine tragfähige Schwerpunkttheorie entwickeln zu können“, meint er.
„Typischerweise beginnen Ermittlungen jedoch immer im sozialen Umfeld des Vermissten – also Schule, Vereine wie Fabians Fußballverein, Eltern und Familie“, so der Kriminalwissenschaftler. Bereits kurz nach Fabians Verschwinden am 10. Oktober hatte es Suchmaßnahmen in der Gemeinde Zehna gegeben, ebenfalls südlich von Güstrow. Dort hatte ein Hund eine kleine Fährte gefunden, die sich in einem nahegelegenen Wald laut früheren Polizeiangaben verloren hatte. Fabians Vater wohnt in der Nähe. Es war vermutet worden, dass Fabian am Tag seines Verschwindens zu ihm fahren wollte.
„Die Situation kann sich durch neue Spuren oder kriminalistische Erkenntnisse jederzeit ändern“
„Die größte Aufgabe bestehe darin, alle Informationen zu strukturieren und dann zu entscheiden, ob still weiterermittelt oder öffentlich gefahndet wird“, so Matzdorf. Haben die Ermittler ausreichend Material gesammelt, könnten sie im nächsten Schritt mit Fahndungsmaßnahmen an die Öffentlichkeit gehen, „um den Wirkbereich zu erweitern“, erklärt er. Allerdings ist selbst für Experten wie ihn aus der Ferne schwer zu beurteilen, woran die Ermittler mit der aktuellen Durchsuchung arbeiten oder in welche Richtung sie tendieren. Anders im Vermisstenfall Rebecca Reusch, wo Ermittler weiter vor allem der Spur nachgehen, den verdächtigen Schwager Rebeccas dingfest zu machen.https://cue.ippen.media/cue-web/#/main?escenicid=40172334
Sorgen macht das Matzdorf nicht. Ihm zufolge sinken die Chancen auf Aufklärung nicht automatisch mit fortschreitender Zeit. „Die Ermittler haben Spurenlagen, Hinweise, Zeugenaussagen und den Fundort, die kontinuierlich ausgewertet werden. Die Situation kann sich durch neue Spuren oder kriminalistische Erkenntnisse jederzeit ändern.“ Die Familie von Fabian hofft darauf. Zuletzt hatte die Mutter des Jungen die letzten Momente mit ihm anders beschrieben als öffentlich dargestellt. (dpa, eigene Recherche) (mke)
