“Panne” bei Großübung in Bayern: Wie kann es passieren, dass ein Polizist auf einen Soldaten schießt?

Sie sollen gemeinsam für den Verteidigungsfall trainieren – doch gleich am ersten Tag beschießt die Polizei einen Soldaten. Eine “Fehlinterpretation” und “Kommunikationspanne”, heißt es. Was sind die genauen Hintergründe?

Die Bundeswehr wollte bei der Übung namens “Marshal Power” möglichst realitätsnah für den Fall trainieren, hinter einer fiktiven Frontlinie gegen Bedrohungen vorzugehen. Dabei sollte es um Sabotage zum Beispiel am stillgelegten Atomkraftwerk Isar 2 gehen, aber auch um die Abwehr von Drohnen und den Kampf gegen “irreguläre Kräfte” – also Bewaffnete, die nicht zu einer Armee gehören. Dabei sollte auch an Landstraßen, in Ortschaften und auf Firmenarealen geübt werden, und gerade nicht auf abgezäunten Truppenübungsplätzen.

Polizei schießt bei Großübung einen Bundeswehrsoldaten an

Viele Fragen dazu sind noch offen. Die Polizei sprach zunächst von einer “Fehlinterpretation vor Ort”. Alarmiert worden war die Polizei demnach am Mittwoch gegen 17.00 Uhr, weil jemand in einem Stadtteil von Erding in Oberbayern einen bewaffneten Mann gesehen hatte. Daraufhin habe die Einsatzzentrale “starke Kräfte” dorthin geschickt, es fielen Schüsse. Dabei wurde einer der Bundeswehrsoldaten getroffen und verletzt. Erst im Nachgang habe sich herausgestellt, dass der Mann wegen der Übung dort bewaffnet unterwegs war, teilte die Polizei mit. Die Hintergründe würden nun ermittelt.

Ein Sprecher des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr sagte, die Feldjäger versuchten in Zusammenarbeit mit der Polizei aufzuklären, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte. Die Bundeswehr hatte vor der Übung angekündigt, dass dabei Feldjäger auch als “irreguläre Kräfte” unterwegs seien, also die bewaffneten Kämpfer ohne Armeezugehörigkeit darstellen sollten. Ob die bei dem Schusswechsel involvierten Soldaten dazugehörten, ist bislang nicht klar.

Nein – sagt zumindest die Polizei selbst. “Wir wussten nicht, dass zu diesem Zeitpunkt dort geübt wird”, sagte ein Polizeisprecher des Präsidiums in Ingolstadt. “Bei der Übung gestern war die Polizei in Erding auch nicht involviert.” Über die großangelegte, für mehrere Tage in verschiedenen Regionen geplante gemeinsame Übung “Marshal Power” habe man zwar Bescheid gewusst. Allerdings sei nicht bekannt gewesen, dass deswegen am Mittwoch in Erding bewaffnete Kräfte unterwegs sein könnten.

Jetzt werde “intensiv geprüft”, wo es zu einer “Kommunikationspanne” gekommen sein könnte. Die Bundeswehr hatte vor Beginn der Übung noch verlauten lassen: “Alle Übungsaktivitäten sind im Vorfeld mit den zuständigen Kommunen und Behörden abgestimmt.”

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Inwieweit das erfolgte, ist noch weitgehend offen. Eine Pressesprecherin des Landratsamts Erding sagte auf Nachfrage, die Behörde sei in diesem Fall nicht für die Kommunikation zuständig gewesen. Eine Pressemitteilung habe es seitens des Landratsamts jedenfalls nicht gegeben, in der lokalen Presse sei aber über “Marshal Power” berichtet worden. Die Bundeswehr hatte Informationen zu der Großübung zwar vorab im Internet veröffentlicht, der Landkreis Erding wurde darin aber nicht explizit als Übungsort genannt. Einzelne Anwohner in Erding berichteten Medien zufolge, dass sie von dem Training der Bundeswehr dort nichts gewusst hatten.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Eigentlich sollte die Übung noch bis zum 29. Oktober dauern. Offiziell lautet die Sprachregelung: Die Bundeswehr stehe in engem Austausch mit den verantwortlichen Ermittlungsbehörden vor Ort, um die Sache schnellstmöglich aufzuklären. Das erklärte Ziel der Übung, eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und zivilen Kräften, dürfte durch den Vorfall aber noch einmal an Bedeutung gewonnen haben.

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