Wenn ein Mensch krank wird, ist es ein Segen, wenn eine vertraute Person da ist, um nach Leibeskräften zu unterstützen. Pflegende Angehörige sind eine Stütze der Gesellschaft. Würde es diese vielen Frauen und Männer, Töchter und Söhne nicht geben, die sich um ein krank gewordenes Familienmitglied kümmern, wäre die Situation in den häufig unterbesetzten Pflegeheimen noch ärger als sie ohnehin schon ist.
Was oft übersehen wird: Nicht nur der erkrankte beziehungsweise gebrechlich gewordene Mensch bedarf der Hilfe. Auch die, die ihn pflegen, haben Hilfe bitter nötig.
Das ist der zentrale Gedanke für die Zweibrückerin Bellinda Blohn. Ihr Ehemann Klaus ist an Parkinson erkrankt. Bellinda Blohn kümmert sich um die Pflege und versorgt ihn zu Hause, damit er nicht in ein Heim muss. Doch das kostet Kraft. Und Blohn weiß: Auch die anderen Frauen und Männer kostet es Kraft, ihren an Parkinson leidenden Partner zu pflegen. Daher möchte die 64-Jährige eine Interessengemeinschaft gründen, in der sich alle, die an Parkinson erkrankte Angehörige betreuen, austauschen können.
Bellinda Blohn macht deutlich: „Diese Treffen sind in erster Linie für die Angehörigen gedacht, die sich um die Pflege kümmern. Denn die müssen da sein, sie dürfen nicht ausfallen. Es ist wichtig, einmal Luft holen zu können, sich gemeinsam mit Betroffenen, die die gleichen Herausforderungen meistern müssen wie man selbst, austauschen zu können. Sich Tipps geben zu können. Gemeinsam einmal spazieren zu gehen, auszugehen, Kraft zu tanken für die Anforderungen.“
Es laste viel auf den Angehörigen, weiß die Zweibrückerin. Das weiß sie nicht erst, seit sie die Pflege ihres Mannes übernommen hat. „Vor zwei Jahren bekam mein Mann die Diagnose Parkinson“, sagt sie. Blohn hat über 25 Jahre in Sanitätshäusern der Rosenstadt gearbeitet und in dieser Zeit viele Gespräche mit Menschen geführt, die zuhause einen Partner, ein Familienmitglied pflegen und betreuen.
Die Gefahr, dass alles zu viel wird, dass der Pflegende selbst irgendwann unter der Last zusammenbricht, ist groß, sagt Blohn.
Bei den Blohns ist es Parkinson, das alles veränderte. Und deswegen soll die Interessengemeinschaft aus solchen Teilnehmern bestehen, die ebenfalls als Pflegende damit zu kämpfen haben.
So vieles liege im Dunklen bei dieser Krankheit, sagt Bellinda Blohn mit Blick auf die immer noch bruchstückhaften Erkenntnisse der Wissenschaft (siehe „Info“).
Seit der Diagnose vor zwei Jahren werde ihr Mann von der Paracelsus-Klinik in Kassel behandelt. „Dort ist man spezialisiert auf Parkinson; wir waren mittlerweile zweimal dort. Bekannte rieten uns zu dieser Klinik.“ Das ist einer dieser wertvollen Ratschläge, für die Blohn dankbar ist – und die sie gerne weitergeben möchte. Und natürlich möchte sie auch Tipps bekommen. Sie nennt ein Beispiel: Sie habe in Erfahrung gebracht, dass es Rollatoren mit integriertem Rollstuhl gibt. „Mit wenigen Griffen kann der Rollator bei Bedarf in einen Rollstuhl umgewandelt werden. Das ist äußerst wertvoll, wenn wir unterwegs sind und mein Mann anfangs mit dem Rollator gut bedient ist, sich dann aber irgendwann doch setzen muss. Wenn dann keine Bank oder Sitzgelegenheit in der Nähe ist, wird der Rollator ganz schnell zum Rollstuhl. Es sind solche Tipps, die ich als extrem wichtig erachte.“
Die Herausforderungen im Alltag seien enorm. „Die Krankheit verändert alles – das Essen, den Tagesablauf, einfach alles.“ Parkinson sei rätselhaft, bei manchen Patienten gebe es keine starke Veränderung, andere erlitten Schübe. „Bei manchen geschehen diese Schübe schnell, bei anderen langsam, den Verlauf kann niemand vorhersagen.“
Was tun bei so viel Ungewissheit für den Erkrankten und den pflegenden Partner? „Ich kam mir verloren vor, weil vieles so unklar ist, weil es schwierig ist, sich zu informieren“, sagt Bellinda Blohn.
Im Gespräch mit einer anderen Frau, die ebenfalls ihren an Parkinson erkrankten Ehemann pflegt, kam in ihr die Idee auf, eine Interessengemeinschaft zu gründen. In Homburg etwa gebe es eine Selbsthilfegruppe, so Blohn. „Aber die ist für die Patienten da.“ Und die 64-Jährige möchte etwas für die Pflegenden tun. Dabei wird sie von ihrem Mann deutlich unterstützt. Klaus Blohn sagt: „Ich begrüße das sehr. Ich bin dankbar für die Pflege durch meine Frau und wünsche mir, dass sie auch weiterhin dazu die Kraft hat.“
Warum eigentlich eine Interessengemeinschaft? Bellinda Blohn sagt, dass sie bewusst keine Selbsthilfegruppe gründen möchte. Ein Verein bringe weitere Verpflichtungen mit sich. Wenn in diesem Rahmen etwa Fachleute zu einem Vortrag eingeladen würden, könne das – und weitere Dinge – Geld kosten, dann komme direkt die Frage einer vereinsgemäßen Kassenprüfung auf und und und. Daher die Interessengemeinschaft. Ihre Vorstellung ist es, dass sich die Pflegenden ein- oder zweimal im Monat für einen Austausch und ein zwangloses Miteinander treffen.
„Ich bin offen für Wünsche der anderen Teilnehmer“, macht sie deutlich. Jeder solle sich einbringen, jeder solle Vorschläge unterbreiten und den anderen mit Tipps und Trost zur Seite stehen. „Es muss keine große Gruppe sein. Wenn wir drei oder vier Leute sind, dann wäre das auch schon etwas.“
Kontakt: Bellinda Blohn, Zweibrücken, Tel. (01 70) 8 33 70 60.
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