Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat ihre Teilnahme am Leipziger Opernball am Sonnabend abgesagt. Sie wolle angesichts der angekündigten Proteste zur Deeskalation beitragen, teilte das Ministerium am Donnerstag mit.
Grund für die Proteste ist die Einladung von Till Lindemann. Der „Rammstein“-Sänger kommt auf Bitten von Bauunternehmer Torsten Fenger, der zugleich Sponsor des Opernballs ist. Lindemann steht auf einer Liste von Prominenten, die der Opernball im Vorfeld zur Bewerbung veröffentlicht hat. Nach Bekanntwerden seiner Einladung wurde eine Demonstration vor dem Gebäude am Augustusplatz bei der Stadtverwaltung Leipzig angezeigt.
Köpping: Friedliches und gewaltfreies Miteinander
„Aufgrund der angekündigten Proteste und der Vorberichterstattung über den Leipziger Opernball habe ich mich als Vize-Ministerpräsidentin und Gleichstellungsministerin des Freistaats Sachsen entschieden, meine Teilnahme an diesem Ball abzusagen“, so Köpping in einer Stellungnahme.
Mit ihrer Entscheidung wolle sie auch zur Deeskalation beitragen. „Als für den gesellschaftlichen Zusammenhalt verantwortliche Ministerin liegt mir ein friedliches und gewaltfreies Miteinander sehr am Herzen. Das möchte ich mit meiner Absage verdeutlichen“, erklärte Köpping weiter.
Protest-Bündnis freut sich über Absage und lädt Köpping ein
Die Organisatoren der Proteste begrüßten am Donnerstag Petra Köppings Absage. „Es zeigt deutlich, dass zivilgesellschaftliches Engagement gesehen und gehört wird“, sagte Irena Rudolph-Kokot und reichte demonstrativ die Hand: „Wir laden Frau Köpping herzlich ein, mit dem Bündnis gemeinsam am stillen Protest am Samstag vor der Oper teilzunehmen. Und vielleicht nehmen sich noch andere Gästinnen und Gäste ein Beispiel an der Ministerin.“
Neben Personen aus der Musik- und Filmbranche sowie Unternehmern stehen auf der vorab veröffentlichten „VIP-Liste“ des Leipziger Opernballs mehrere Politikerinnen und Politiker: die sächsischen Staatsminister Sebastian Gemkow (Wissenschaft) und Barbara Klepsch (Kultur und Tourismus), Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (alle CDU) und die schwedische Botschafterin Veronika Wand-Danielsson.
Reaktionen der Opernball-Veranstalterinnen
„Ich bedaure zutiefst, dass Petra Köpping abgesagt hat“, so Opernball-Geschäftsführerin Vivian Honert-Boddin am Abend auf LVZ-Anfrage. „Dass die eigentlichen Themen des Abends, für die wir ein Jahr lang gearbeitet haben, jetzt immer mehr aus dem Fokus geraten, finde ich sehr schade.“ Gemeint sind das Charity-Anliegen, die Partnerregion Andalusien und auch das 30. Jubiläum des Leipziger Opernballs.

Reaktionen von Ballgästen auf die Personalie Lindemann habe es aber bislang nicht gegeben, und es seien auch keine Tickets zurückgegeben worden. In den vergangenen Tagen gab es vielmehr eine deutliche Nachfrage nach Flaniertickets.
Anpassungen beim Sicherheitskonzept
„Dass das solche Kreise zieht, damit haben wir tatsächlich nicht gerechnet“, bedauert Mitgeschäftsführerin Maxi Fenger die Zuspitzung der Ereignisse. „Aus unserer Sicht ändert sich aber nichts am geplanten Ablauf, unser Ball wird am Sonnabend, wie geplant, stattfinden.“ Aufgrund der angekündigten Kundgebung müsse das Sicherheitskonzept angepasst werden, „aber da sind wir gut gewappnet“.
Die Einladung an Till Lindemann war über das Unternehmen von Maxi Fengers Vater zustande gekommen. Die Fenger-Gruppe äußert sich per Pressemitteilung: „Herr Fenger hat Herrn Lindemann eingeladen, weil beide eine langjährige persönliche Freundschaft verbindet. Die Fenger-Gruppe ist langjähriger Sponsor beim Leipziger Opernball. Der Leipziger Opernball ist ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem Herr Fenger gern Menschen aus seinem privaten und beruflichen Umfeld zusammenbringt.“ Eine weitere öffentliche Stellungnahme werde es nicht geben.
Offener Brief: Einladung Lindemanns sendet fatales Signal
Insgesamt etwa 30 Leipziger Initiativen haben zum stillen Protest gegen Till Lindemann und die Art und Weise, wie der Opernball mit seiner Person umgeht, aufgerufen. Dazu gehören neben der Gruppe „Leipzig nimmt Platz“ die Leipziger Soziokulturzentren Werk II und Conne Island, die Leipziger Frauenkultur, das Live-Kommbinat Leipzig, die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, die Stiftung Friedliche Revolution Leipzig, der Nachtrat Leipzig, die SPD-Frauen sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund Leipzig.
In einem offenen Brief an die Veranstalter des Opernballs unter dem Titel „Kein Ball für Täter“ appelliert das Bündnis an die gesellschaftliche Verantwortung. „Dass eine Institution wie die Opernball Production GmbH – gemeinsam mit der Oper Leipzig – einer Person eine Bühne bietet, gegen die schwere Vorwürfe sexueller Übergriffe und Machtmissbrauch öffentlich erhoben wurden, sendet ein fatales Signal“, heißt es im Wortlaut. Auch wenn die strafrechtlichen Ermittlungen und das Verfahren gegen Lindemann ohne hinreichenden Tatverdacht eingestellt worden waren, bleibe die Frage, ob die bekannt gewordenen Informationen zu Vorkommnissen auch moralisch unproblematisch sind.
Leipziger Opernball findet zum 30. Mal statt
Das Bündnis verneint dies, auch juristische Straffreiheit könne keine moralische Entlastung bieten. Denn selbst nach einem Ende strafrechtlicher Ermittlungen müssten Betroffene von sexualisierter Gewalt weiter mit den Folgen leben. „Ein Ball, der sich mit Stil und Wohltätigkeit schmückt, während er zugleich bewusst in Kauf nimmt, dass sich Überlebende sexualisierter Gewalt und Missbrauch verhöhnt fühlen, verfehlt seinen gesellschaftlichen Anspruch“, heißt es weiter im offenen Brief.
Der Leipziger Opernball ist eine jährlich extern von einem Unternehmen organisierte Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Leipziger Oper. Das Musikhaus selbst hat mit der Ausrichtung nichts zu tun. Als Höhepunkt gilt alljährlich die Verlosung eines Pkw Porsche. Zur 30. Ausgabe werden unter dem Motto „Bienvenidos, Andalucía“ insgesamt rund 2000 Besucherinnen und Besucher erwartet.
