Gehören Sie auch zu den Zeitgenossen, die vor allem jetzt im Herbst regelmäßig nach Pilzen ausschwärmen? Ich war schon zu DDR-Zeiten verrückt nach Pilzen. Und habe mir eingebildet, mehr als nur Steinpilze von Maronen oder Pfifferlingen unterscheiden zu können.
In Tschechien stellte ich aber dann sehr schnell fest, dass ich in Wahrheit ein blutiger Amateur war. Anverwandte und Freunde sammelten in erstaunlichen Mengen Pilze, die ich nie auch nur angefasst hätte.
Slivovic gegen Gift einnehmen
Als ich zu Hause dann empfahl, einen Rest der Pilzmahlzeit aufzuheben, damit Ärzte im Vergiftungsfall schnell darauf kämen, was wir da unvorsichtigerweise gegessen hatten, bogen sich die Freunde vor Lachen. „Wir nehmen ein paar 50-prozentige Slivovice nach dem Essen, die töten alles Gift ab“, nahmen sie mich auf den Arm. Um ernsthafter fortzufahren: „Wir Tschechen haben das Pilzsammel-Gen in uns. Weltweit als einzige Nation. Du musst Dir das ein bisschen so vorstellen wie unser typisches Bier-Gen.“
Später fand ich tatsächlich nur solche oder ähnliche Gründe für das erstaunliche Pilzwissen vieler Tschechen: „Es war immer eine einfache Speise, die man im Wald fand und nichts kostete.“ Pilzbücher gibt es reichlich. Selbst große, seriöse Tageszeitungen drucken jedes Jahr Extra-Seiten zum Thema Pilze. Mit der Zeit kamen zahlreiche Applikationen für das Handy hinzu. Man trifft immer wieder Tschechen im Wald, die in der einen Hand einen Pilz halten und in der anderen das Mobiltelefon. „Aber das meiste Wissen wird in der Familie von einer Generation an die nächste weitergegeben“, erzählten mir meine Pilz-Freunde.
Nur wenige Pilzberater
Pilzberater gibt es in Tschechien nur ganz vereinzelt. Jeder ist mehr oder weniger selbst Experte. Für die ausgeprägten Pilzkenntnisse spricht auch, dass es in Tschechien nur ganz wenige Pilzvergiftungen gibt. Mitunter auch über Jahre keinen einzigen Fall. Da wird auch nichts verschwiegen. Das Thema Pilze elektrisiert die Tschechen, ist für die Medien immer ein gutes Thema. Natürlich auch im Todesfall.

Ich war dieser Tage erstmals auf Pilzpirsch in diesem Jahr. Eine halbe Autostunde von Prag entfernt, unweit einer großen Siedlung von Wochenendgrundstücken. Obwohl das Wetter in den Tagen davor ideal war, feucht, mit relativ warmen Nächten und kaum Wind, hatte ich anfangs Mühe, etwas zu finden. Was mich nervte. Ich zähle mich lieber zu den Pilzsammlern als zu den geduldigen Pilzsuchern. Aber dann wurde ich doch in einem Wald fündig. Der Korb füllte sich zusehends.
Rührei zum Pilz nach der Suche
Als er voll war, machte ich mich zurück in die Richtung, wo ich meinte, mein Auto geparkt zu haben. Merkte aber bald, mich in meiner unstillbaren Gier nach Pilzen so richtig verlaufen zu haben. Dummerweise hatte das Handy keinen Empfang, ich blieb desorientiert. Es lief mir auch niemand über den Weg, den ich hätte fragen können.
Mir blieb nur, auf einer Straße in die Richtung zu laufen, die ich für richtig hielt. Es war – natürlich – die falsche. Das dämmerte mir nach etwa fünf Kilometern.
Ich erinnerte mich des schadenfrohen Spruchs: Jeder Gang macht schlank. Bis mich ein freundlicher Autofahrer aufgabelte, der mir meine komplette Hilflosigkeit angesehen hatte. Er fuhr mich zielgenau zu meinem Parkplatz. PS: Die Pilzmahlzeit mit Rührei abends war toll! Und wie Sie sehen, habe ich sie auch überlebt.
