Produkte aus Deutschland und USA für NATO-Spionage: Putin trickst Westen seit Jahren aus

Internationale Recherche enthüllt

Produkte aus Deutschland und USA für NATO-Spionage: Putin trickst Westen seit Jahren aus

Wladimir Putin rüstet sein Militär auf. Dafür nutzt der Kreml-Chef offenbar auch westliche Technologie. Diese wird zur Spionage der NATO genutzt.

Hamburg – In den Augen von Wladimir Putin ist der Westen das ultimativ Böse. Entsprechend erwähnt der Kreml-Chef auch bei so ziemlich jeder sich bietenden Gelegenheit, welche Gefahr von dort für Russland ausgehen soll. Auch seinen Ukraine-Krieg erklärt der Moskauer Machthaber für gewöhnlich mit vermeintlichen Drohgebärden der NATO-Länder. Seine Ablehnung des Westens kann er im Grunde gar nicht oft genug betonen.

Allerdings reicht die Verachtung offenbar nicht so weit, dass Putin auch westliche Technologie ablehnen würde. Wie Recherchen eines internationalen Netzwerks von Journalisten offenbaren, deckt sich Russland seit Jahren mit Equipment seiner Feindbilder ein, um für eine mögliche Auseinandersetzung gerüstet zu sein und erfolgreich Spionage betreiben zu können. Die Ergebnisse der vom NDR koordinierten Arbeiten, an denen unter anderem auch der WDR, die Süddeutsche Zeitung (SZ), Le Monde und die Washington Post beteiligt waren, wurden nun unter dem Titel „Russian Secrets“ veröffentlicht.

Putin rüstet sich gegen NATO: Westliche Technologie für Spionage eingekauft

Die Journalisten werteten Finanzunterlagen, Gerichtsdokumente und Informationen aus Sicherheitskreisen aus und stießen auf ein Firmennetzwerk, das in Russlands Namen westliche Spitzentechnologie eingekauft haben soll. Unter anderem lieferten demnach mehrere deutsche Konzerne etwa Vermessungs- oder Spezialschiffe. Außerdem sicherte sich Moskau Unterwasserroboter, Spezialsonare oder Seekabel. Mindestens bis Herbst 2024 sollen vom russischen Konsortium derartige Geschäfte in zehn europäischen Ländern sowie in den USA, Kanada und Japan abgeschlossen worden sein.

Bei den westlichen Konzernen hegte offenbar niemand den Verdacht, die Produkte könnten zu militärischen Zwecken genutzt werden. Dafür habe die Recherche keinerlei Beweise liefern können. Doch Russland sei es dank der westlichen Technik gelungen, ein Unterwasser-Sensoriksystem zu konstruieren, mit dem sich westliche U-Boote aufspüren lassen.

Das Projekt trägt ironischerweise den Namen „Harmonie“ und soll dem Schutz des strategisch bedeutsamen russischen Atomwaffenarsenals in der Arktis dienen. Putin könnte von dort aus sowohl die USA als auch Europa mit Raketen ins Visier nehmen. Daher ist die Region gleich aus mehreren Gründen wertvoll für den Kreml.

Putin und die Arktis: „Schränkt Fähigkeit der USA ein, U-Boot-Stützpunkte zu überwachen“

Bryan Clark vom Hudson Institute in Washington warnt in den Berichten: „Dies ist Russlands Versuch, die Fähigkeit der USA einzuschränken, in Gebiete um U-Boot-Stützpunkte vorzudringen und diese zu überwachen.“ Laut dem ehemaligen hochrangigen US-Marine- und U-Boot-Offizier ist Putin in der Lage, westliche U-Boote leichter zu orten, während er seine eigenen atomar bewaffneten U-Boote „unbemerkt, ohne Belästigung oder Behinderung in den Hafen ein- und auslaufen“ lassen könne.

In der Post gibt Tom Stefanick, Experte für Marinestrategie und -technologie an der Brookings Institution, zu bedenken, dass russische Kommandanten zur Taktik der „Entlausung“ greifen könnten: „Wenn man befürchtet, verfolgt zu werden, fährt man zu einem bestimmten Zeitpunkt über einen Sensor. Auch der Verfolger muss über den Sensor fahren und wird dann entdeckt.“

Wie Le Monde berichtet, waren neun Schiffe, die größtenteils aus dem Westen erworben wurden, an der Installation der Abhöranlagen und Kabel beteiligt. Diese seien mit Putins sogenannter „Schattenflotte“ zu vergleichen, mit der Moskau das Ölembargo umgehen will. Denn auch in diesem Fall seien die Schiffe in die Jahre gekommen und würden verdeckt operieren. Erwähnt wird auch, dass in den Kaufverträgen Murmansk als Heimathafen angegeben worden sei. In der Stadt auf der Halbinsel Kola ist die russische Atomflotte beheimatet.

Putin und die Firma auf Zypern: Moskauer Geschäftsmann Strelchenko offenbar zentrale Figur

Das geheime Unterwassersystem befindet sich den Recherchen zufolge vermutlich in der arktischen Barentssee, soll dort bogenförmig im Gewässer vor Murmansk und den russischen Inseln Nowaja Semlja und Alexandraland verlaufen. Experten sowie aktuelle und ehemalige Marineoffiziere kritisieren laut der Post, dass die Sicherheit der USA und der anderen NATO-Staaten untergraben worden sei. Denn weder westliche Regierungen noch Unternehmen hätten es verhindert, dass Moskau solch sensible maritime Technologie erwerben konnte.

Das russische Beschaffungsnetzwerk soll bei einer zypriotischen Firma namens Mostrello Commercial Ltd. zusammenlaufen. Auf der Homepage beschreibt sich der Konzern als „junges und wachsendes Unternehmen, das im Bereich der Unterwasser-Glasfaserkabel tätig ist und eine breite Palette damit verbundener Dienstleistungen für die Schiffstechnik, Installation und Wartung anbietet“.

Darüber hinaus finden sich nicht viele Infos. Allerdings noch dieser: Zwei Zypriotinnen sollen offiziell das Sagen haben. Doch der wahre Kopf hinter der in Limassol registrieren Firma ist den Reportern zufolge Alexey Strelchenko. Firmen des Moskauer Geschäftsmannes hätten bereits in der Vergangenheit mehrfach für das russische Militär und für russische Geheimdienste gearbeitet. Mittlerweile steht der 70-Jährige auf Sanktionslisten der USA und des Vereinigten Königreichs.

Putin-Projekt und Verbindung nach Deutschland: Geschäftsmann aus Nürnberg in Haft

Mostrello und mehrere Schwester-Unternehmen erwarben offenbar seit 2013 sensible Unterwassertechnik und Forschungsschiffe im Wert von mehr als 50 Millionen US-Dollar. Zumindest teilweise wurden die Güter für das Projekt „Harmonie“ verwendet. Eine für das Unternehmensnetzwerk zentrale russische Firma habe zudem einen Vertrag mit dem Rüstungskonzern Kometa abgeschlossen, der den Bau von „Harmonie“ verantworten soll.

Das Recherche-Netzwerk zu „Russian Secrets“

Le Monde (Frankreich)

L‘Espresso (Italien)

International Consortium of Investigative Journalists (USA)

Kyodo (Japan)

NRK (Norwegen)

Pointer (Niederlande)

SVT (Schweden)

The Times (Großbritannien)

Washington Post (USA)

NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (alle Deutschland)

Quelle: Tagesschau

Auch nach der Verschärfung der Regeln infolge der russischen Invasion in die Ukraine wurden Strelchenkos Unternehmen allem Anschein nach weiterhin beliefert. Er wusste seine wahren Absichten offenkundig gut zu verbergen. Auf Hinweise der CIA hin musste sich in Deutschland jedoch der kirgisisch-russische Geschäftsmann Alexander S. aus Nürnberg vor Gericht verantworten. Ihm wurden Geschäfte mit Mostrello zur Last gelegt. Vor wenigen Wochen wurde er zu knapp fünf Jahren Haft verurteilt. Verteidigung und Staatsanwaltschaft gingen jedoch in Revision.

Die Hintergründe waren bereits im Sommer Thema bei NDR, WDR und SZ. Auch dabei wurde ein Zusammenhang mit dem russischen „Harmonie“-Projekt thematisiert. Um die Lieferungen nach Russland zu verschleiern, sei ein Umweg über die Türkei in Kauf genommen worden. Unter anderem soll S. ein akustisches Positionierungssystem, dazugehörige Transponder und Batterieladegeräte geliefert haben. Nur ein paar von vielen Produkten, die sich Russland aus dem Westen sicherte, um genau diesem Westen zu schaden. (Quellen: NDR, WDR, SZ, The Washington Post, Le Monde) (mg)

Related Post

Leave a Comment