Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat zu einem noch stärkeren Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt aufgerufen. Der Grund sind erneut ansteigende Fallzahlen in diesem Kriminalitätsbereich. „Kinder und Jugendliche müssen sich überall sicher fühlen – egal, wo sie sich aufhalten. Und Betroffene müssen durch die notwendige Unterstützung aufgefangen und ihnen wirksam geholfen werden.“
Laut Köpping fördert der Freistaat dafür viele Maßnahmen und Projekte. So mache die Landesarbeitsgemeinschaft „Sexualisierte Gewalt – Prävention und Intervention e. V.“ in unterschiedlichen Formaten auf dieses wichtige Thema aufmerksam. Zusätzlich ziele die Landesfachstelle „Blaufeuer“ auf die Sensibilisierung von Fachkräften und auf eine entsprechende Wissensvermittlung. Ein weiterer wichtiger Akteur sei die Servicestelle Gewaltprävention des Kinderschutzbundes Landesverband Sachsen. Diese verfolge speziell das Ziel, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen sowie sexuelle Gewalt in deren Einrichtungen zu minimieren und zu verhindern.
Schutzkonzepte und regelmäßige Personalüberprüfungen
Der Freistaat selbst sorge seit Langem für eine Überprüfung von Personal und Trägern von Kindereinrichtungen. Außerdem baue das Land auf verbindliche Schutzkonzepte, die Regelungen zum Verhalten von Mitarbeitern, Verfahren bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung sowie Beschwerde- und Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder enthalten. Dazu komme die regelmäßige Qualifizierung von Fachkräften. Ebenso stünden die Kommunen in der Verantwortung, Angebote mit präventiver Ausrichtung bereitzustellen.
Sachsen, so Köpping, verfügt damit auf allen Ebenen über vielfältige Zugänge zu Beratungsangeboten, an die sich betroffene Kinder und Jugendliche wenden können. „Ziel aller Maßnahmen ist es, den Schutz und die Beteiligung von Kindern in allen Lebensbereichen zu stärken, Fachkräfte zu sensibilisieren und Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Jedes Opfer ist eines zu viel.“
Jeder fünfte Missbrauchsfall erfolgt per Internet oder Handy
Wie dringend weiterhin gehandelt werden muss, zeigen neue Fallzahlen. So hat Sachsens Polizei im vergangenen Jahr insgesamt 871 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern ermittelt und die entsprechenden Akten der Justiz übergeben. Betroffen von diesen Straftaten waren 950 Kinder unter 14 Jahren. 117 der Opfer waren zum Tatzeitpunkt sogar jünger als sechs Jahre. Damit ist die Zahl solcher Straftaten erstmals seit 2020 – damals wurden sogar 885 Fälle ermittelt – wieder gestiegen, nachdem sie in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen war.
Von den im Vorjahr erfassten Missbrauchsfällen wurde etwa jeder fünfte mithilfe des Internets oder von elektronischen Geräten wie einem Handy verübt. Zusätzlich kam es in Sachsen im gleichen Zeitraum zu 1462 Straftaten durch die Verbreitung, den Erwerb und Besitz sowie die Herstellung von kinderpornografischen Inhalten, so Köpping.
Viele Hinweise auf mögliche Straftaten kommen aus den USA
Die meisten Hinweise auf einen möglichen Kindesmissbrauch bekommen Polizei und Justiz bundesweit übrigens von der halbstaatlichen US-amerikanischen Organisation NCMEC (Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder). Das Zentrum gibt vor allem Informationen von Onlineplattformen über dort verschicktes Missbrauchsmaterial an internationale Strafverfolgungsbehörden weiter.
Die Zahl dieser Hinweise nahm in den vergangenen Jahren stetig zu. 2020 betrug sie noch weniger als 56.000, zuletzt lag sie bereits bei fast 206.000. Etwas mehr als die Hälfte dieser Meldungen aus den USA waren auch nach deutschem Recht strafrechtlich relevant. Längst nicht in allen Fällen ließen sich jedoch Täter in Deutschland ermitteln.
Polizei: Handeln umgehend bei jedem Anfangsverdacht
Angestiegen ist zuletzt auch die Zahl der Meldungen der sächsischen Jugendämter wegen einer vermuteten akuten oder latenten Kindeswohlgefährdung – 2024 gab es davon bereits 8789. Dazu kamen 198 Verfahren aufgrund von Anzeichen für sexuelle Gewalt gegenüber Kindern.
Laut dem sächsischen Innenministerium hat die Verfolgung dieser Straftaten für die Polizei eine sehr hohe Priorität. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts würden unverzüglich Maßnahmen unternommen, um den Missbrauch zu beenden. Aufgeklärt werden konnten 2024 schließlich 743 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, bei denen mindestens eines der Opfer unter 18 Jahre alt war. Für schwerwiegende Fälle gebe es zudem in Leipzig das Childhood-Haus, wo eine professionsübergreifende Bearbeitung mit Polizei, Rechtsmedizin, Justiz und Kinderpsychiatrie stattfinde.
