„Schließung der Praxen nicht nachvollziehbar“

Ratingen. Erster Beigeordneter Patrick Anders äußerte erhebliche Zweifel an der Standortwahl Mettmann für eine zentrale Notfallpraxis: „Ein solcher Standort wäre für den überwiegenden Teil der Ratinger Bevölkerung kein gut erreichbares Alternativangebot.“

Die RP hatte schon am frühen Mittwochmorgen exklusiv über die Schließungspläne mit Blick auf die beiden Notdienstpraxen berichtet. Die Reaktion der Stadt ließ nicht lange auf sich warten. Vor vollendete Tatsachen habe die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) die Stadt Ratingen gesetzt und ein Ende der beiden Notdienstpraxen zum 30. November beschlossen. Die seit Mai 2024 bestehende Interimslösung war durch die insolvenzbedingte Schließung des St. Marien-Krankenhauses notwendig geworden.

Hintergrund für das Aus der örtlichen Notdienstpraxis ist, dass die KVNO die ambulante ärztliche Notdienstversorgung im Kreis Mettmann neu aufstellt. Die Versorgung – auch für Ratingen – soll ab dem 1. Dezember eine neue zentrale Anlaufstelle für den allgemeinen Notdienst am Evangelischen Krankenhaus in Mettmann übernehmen. Erste Hinweise vor wenigen Tagen, dass es zu dieser Entwicklung kommen könnte, hatten den Ersten Beigeordneten Patrick Anders sofort veranlasst, sich mit deutlichen Worten in einem Schreiben an den KVNO-Vorstandsvorsitzenden Dr. med. Frank Bergmann zu wenden. „Mit großem Unverständnis habe ich diese Hinweise aufgenommen“, so Anders in dem Schreiben. „Sollten sich diese Planungen bestätigen, hätte das gravierende Auswirkungen auf die ambulante Notfallversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger.“ Daher forderte der Erste Beigeordnete die KVNO zu einer kurzfristigen und umfassenden Aufklärung auf.

Ein an Bürgermeister Pesch adressiertes Schreiben der KVNO-Vorstände mit Datum 15. Oktober 2025 ging am 22. Oktober im Ratinger Rathaus ein. „So geht man mit Rat und Verwaltung, vor allem aber mit der Ratinger Bevölkerung nicht um“, kritisiert Anders das Vorgehen der ärztlichen Selbstverwaltung. In ihrem Schreiben zieht die KVNO als Begründung für ihren Schritt eine fundierte Evaluation durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) heran, das im ersten Halbjahr 2025 eine modellbasierte Analyse der Versorgungssituation im gesamten Kreisgebiet durchgeführt habe.

In diese Analyse seien unter anderem reale Patientenströme, Fahrzeitberechnungen und infrastrukturelle Rahmenbedingungen eingeflossen. Ergebnis sei, dass eine zukunftssichere Notdienstversorgung durch einen zentral gelegenen und gut angebundenen Standort mit moderner Infrastruktur am besten gewährleistet sei.

Konkrete Zahlen, Daten und Fakten enthält das Schreiben überdies nicht. „Auf dieser Basis ist die Entscheidung für uns überhaupt nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Für den weit überwiegenden Teil der Ratingerinnen und Ratinger wird der neue Standort weder mit dem Pkw noch mit dem ÖPNV gut erreichbar sein“.

„Die Notfallpraxen in Ratingen – sowohl für die Erwachsenenversorgung als auch insbesondere im pädiatrischen Bereich – haben eine erhebliche Bedeutung für die wohnortnahe medizinische Betreuung“, so Anders. „Zudem tragen sie entscheidend dazu bei, die Notfallambulanzen der umliegenden Krankenhäuser zu entlasten, denn auf diese weichen die Ratinger schon heute außerhalb der regulären Praxiszeiten aus.“

Die Kassenärztliche Vereinigung hingegen spricht bei der Neustrukturierung von einer zukunftssicheren Lösung für die ambulante Notfallversorgung im Kreis. Man schaffe mit der neuen Portalpraxis in Mettmann eine zentrale Anlaufstelle mit großzügigen Öffnungszeiten und direkter Anbindung an die Klinikambulanz.

Anders äußerte bereits in seinem Schreiben an den KVNO-Vorstandsvorsitzenden erhebliche Zweifel an der Standortwahl Mettmann für eine zentrale Notfallpraxis: „Ein solcher Standort wäre für den überwiegenden Teil der Ratinger Bevölkerung kein gut erreichbares Alternativangebot. Viele Bürgerinnen und Bürger, insbesondere Familien mit Kindern, würden dann sicher auf die deutlich näher gelegenen Ambulanzen am Augusta- oder am Florence-Nightingale-Krankenhaus ausweichen, was dort dann zu einer zusätzlichen Belastung führen würde.“

Zudem seien der Stadt keine rechtlichen oder sachlichen Gründe bekannt, die eine Schließung der Notfallpraxen in Ratingen zwingend erforderlich machten. Ebenso lägen bislang keine wissenschaftlich fundierten Standortanalysen oder belastbaren Zahlen vor, die eine solche Entscheidung nachvollziehbar erscheinen ließen.

In Abstimmung mit Bürgermeister Klaus Pesch hatte der Erste Beigeordnete bereits in seinem Schreiben vor wenigen Tagen den Vorstandsvorsitzenden der KVNO zur nächsten Ratssitzung am kommendwen Dienstag, 28. Oktober, eingeladen, damit er vor dem Gremium Stellung beziehen und genauere Hintergründe der Entscheidung erläutern kann. Anders: „Wir wollen nichts unversucht lassen und werden uns weiterhin mit Nachdruck für den Erhalt der ambulanten Notfallversorgung in Ratingen einsetzen. Eine Schließung beider Praxen würde weder durch mich noch durch den Rat der Stadt ohne Weiteres akzeptiert werden können.“

Die Bürger Union (BU) hat in einem aktuellen Antrag für die Ratssitzung diese Punkte aufgeführt: Die Verwaltung stellt in der Ratssitzung dar, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um die Schließung der Notfallpraxen zu verhindern. Die Verwaltung prüft die Möglichkeiten, den Betrieb der Notfallpraxen durch finanzielle Unterstützung der Stadt zu sichern und legt eine Berechnung der Kosten vor, auf deren Grundlage eine Entscheidung getroffen werden kann.

(RP kle )

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