Ein zerschossenes Wartehäuschen der BVG, zwei zerschossene Autofenster, Einschusslöcher in Schaufensterscheiben auf der gegenüberliegenden Straßenseite – das sind die Zeugnisse einer Schießerei auf einem Aldi-Parkplatz an der Straße Alt-Mariendorf am Mittwochabend. „Es ist kaum zu glauben, dass nicht noch mehr Menschen verletzt wurden“, sagt ein Seniorenehepaar am Donnerstagvormittag. Ihren Namen möchten sie nicht nennen, betonen aber, dass sie zwar ein komisches Gefühl haben, aber trotzdem weiter hier einkaufen werden. „Was sollen wir denn machen, irgendwo müssen wir doch einkaufen. Das hätte auch vor jedem anderen Supermarkt in Berlin passieren können.“
Doch der Reihe nach: „Den ersten Erkenntnissen zufolge gaben bisher unbekannte Personen gegen 20.30 Uhr vor einem Supermarkt in der Straße Alt-Mariendorf mehrere Schüsse ab, wodurch mindestens eine Person verletzt wurde“, schreibt die Berliner Polizei am Donnerstag.
Der Mann sei lebensgefährlich verletzt worden, habe aber im Krankenhaus durch eine Notoperation gerettet werden können, heißt es weiter. „Die Tatverdächtigen entfernten sich in einem Fahrzeug in unbekannte Richtung.“ Wer in dem Auto saß, wohin die Personen flohen und was hinter der Attacke steckt, ermittelt jetzt die 4. Mordkommission des Landeskriminalamts.
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Schüsse kamen aus verschiedenen Richtungen
Doch offenbar hatte auch der lebensgefährlich verletzte Mann vorher Schüsse auf die Unbekannten abgegeben. Denn während die geparkten Fahrzeuge auf dem Supermarkt-Parkplatz aus einer Richtung getroffen wurden, befinden sich die getroffenen Schaufensterscheiben, die einer Autovermietung und eines Sportstudios, in entgegengesetzter Richtung auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Also dort, wo sich der getroffene 45-Jährige, nicht aufgehalten hatte. Und mittendrin das zerstörte BVG-Wartehäuschen an der Haltestelle Am Heidefriedhof. Am Tag danach liegen Berge von Glassplittern hinter den Sitzen, Werbeplakate aus der zerstörten Seitenscheibe des Häuschens liegen auf dem Boden.
Die Schaufensterscheibe der Autovermietung wurde zweimal getroffen, aber zu einer Zeit, als sich niemand mehr dort aufhielt. Anders beim benachbarten Sportstudio. „Das Training war schon zu Ende, ich war alleine im Studio“, sagt ein Trainer der Berliner Morgenpost. „Die Kugel ging in einer Höhe von ungefähr 2,5 Metern durch die Scheibe durch den ganzen Raum und schlug dann in der Wand ein.“ Der Trainer selber sah noch einen schwarzen Kleinwagen auf den Parkplatz fahren und hörte dann die Schüsse.
Pkw mit getönten Scheiben rast offenbar Richtung Neukölln
Laut seinen Aussagen wollen Zeugen beobachtet haben, wie der dunkle Pkw mit getönten Scheiben auf die Auffahrt zum Parkplatz fuhr, dann wurde aus dem Auto geschossen und die Unbekannten sind rückwärts zurück auf die Straße Alt-Mariendorf gefahren. Dort sollen sie entgegen der Einbahnstraße geflüchtet sein. Über die Straße Am Heidefriedhof wäre das der kürzeste Fluchtweg in den Nachbarbezirk Neukölln.
Schüsse in Alt-Mariendorf
Gewerkschaft befürchtet zunehmende Gewalt
Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist der Vorfall in Mariendorf ein weiterer Beleg dafür, „dass Rücksichtslosigkeit und Gewaltbereitschaft in unserer Stadt weiter zunehmen“. „Wenn mitten in Berlin auf einem Parkplatz eines Discounters zehn Schüsse fallen, dann ist das nicht nur ein weiterer Vorfall mit einer Schusswaffe, sondern auch ein weiterer Angriff auf das Sicherheitsgefühl der Berlinerinnen und Berliner“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. „Solche Taten zeigen, dass wir es immer häufiger mit Tätern zu tun haben, die keinerlei Hemmschwelle mehr kennen und bereit sind, Menschen zu töten.“
Nach der Verlaufsstatistik der Berliner Polizei wurde im laufenden Jahr bislang bei 478 Straftaten mit einer Schusswaffe gedroht und bei 406 weiteren auch abgedrückt. Ein Sprecher weist auf Morgenpost-Anfrage darauf hin, dass in der Statistik nicht nur scharfe Waffen, sondern auch „gleichgestellte Gegenstände wie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen“ berücksichtigt sind. „Mit einer Schusswaffe gedroht ist dann zu erfassen, wenn sich wenigstens ein Opfer subjektiv bedroht fühlte – also zum Beispiel auch durch eine Spielzeugpistole.“
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Mehr als 200 Personen durch Schüsse verletzt
Bei den 406 Fällen, in denen geschossen wurde, sind laut Polizei 179 Personen leicht- und 31 schwer verletzt. Ein Mensch kam ums Leben. Laut des Sprechers waren jedoch die Kugeln nicht zwangsläufig immer die Ursache für die Verletzungen. „Zu 520 der insgesamt 884 Fälle, bei denen im Jahr 2025 mit einer Schusswaffe gedroht oder geschossen wurde, ist mindestens eine tatverdächtige Person notiert.“
