Sewing fordert: „Endlich wach werden“

Christian Sewing hat eine klare Botschaft an die Politiker. Sie müssten „Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wieder in den Mittelpunkt“ rücken, sagt der Chef der Deutschen Bank auf dem Frankfurt Finance & Future Summit der WEIMER MEDIA GROUP. Beides sei in den vergangenen Jahren kein zentrales Anliegen deutscher Politik gewesen. Sewings Eindruck: „Internationale Investoren wollen ein starkes Europa, allein schon, um sich aus der Abhängigkeit von anderen Kapitalmärkten zu lösen.“ Und dazu gehört eben auch ein starkes Deutschland. Das schwächelt allerdings gerade.

Wichtig sei nun, dass die strukturellen Änderungen, die die Regierung berate, schnell kämen, sagt der Bankchef. Dann würden einige Investitionen im Land bleiben und auch wieder neue hinzukommen. Unternehmern gehe es bei einer Investitionsentscheidung nicht darum, ob der Zins um einen Prozentpunkt höher oder niedriger liege. „Es geht um die strukturellen Dinge.“ Und er hat ein Beispiel: In den USA dauere es vom Antrag über die Genehmigung bis zum ersten Cashflow zweieinhalb Jahre, nicht fünf bis sieben, wie hierzulande. Kämen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zurück, sei es egal „wo der Zins liegt“, sagt Sewing. Dabei habe Deutschland vieles in der eigenen Hand. Es gehe darum, jetzt „endlich wach“ zu werden.

Die Unternehmen im Land seien nicht zögerlich, weil sie sich keine Investitionen leisten könnten, sagt der Deutsche-Bank-Chef. Sie fragten sich, ob sie in Deutschland einen zuverlässigen Partner hätten. Bürokratie sei dabei „das Haupthindernis“, nicht nur in Deutschland, auch in Europa. Es braucht also Reformen, nicht zuletzt im Hinblick auf den penibel regulierten Bankensektor.

„Wenn wir nicht aufpassen, wird Europa gnadenlos abgehängt“, sagt Michael Theurer, Vorstandsmitglied der Bundesbank, der neben Sewing und Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp auf dem Podium sitzt. 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland seien kreditfinanziert, womit Banken für die Realwirtschaft in der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle spielten. „Wir sind mit Hochdruck daran, bis Ende des Jahres der EU-Kommission Vorschläge zu unterbreiten, Banken von unnötiger Bürokratie zu entlasten, ohne dabei das Stabilitätsniveau zu gefährden.“

Jeder Investor wolle möglichst diversifiziert sein Geld verdienen, erklärt Deutsche-Bank-CEO Sewing. „Deshalb werden mehr Investoren nach Europa gehen, wenn wir einen einheitlichen Kapitalmarkt bekommen, wenn wir Regeln und Regularien haben, die einheitlich sind.“ Regeln müssten Stabilität liefern, findet er. Gleichzeitig – und das gelte auch für andere Branchen – müsste sie auch weiterhin Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten.

Die Forderung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über eine gemeinsame europäische Börse nachzudenken, findet Anklang. Eine einheitliche europäische Börsenaufsicht allein werde jedenfalls nicht ausreichen, meint Theurer mit Blick auf den hiesigen Finanzstandort. Commerzbank-Chefin Orlopp wollte sich nicht direkt dazu äußern, sagt jedoch: „Verdichtung ist immer gut.“ Nötig sei ein tieferer und einheitlicherer Kapitalmarkt.

Theurer mahnt auch Tempo bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge an. Hier sei es „höchste Eisenbahn“. In Schweden – dort gibt es ein ähnliches Angebot schon – gebe „es mehr IPOs als in Mailand, Frankfurt und Paris zusammen“. Dies zeige, wie schnell politische Veränderungen greifen könnten.

Dass Regulatorik, richtig eingesetzt, auch Wachstumstreiber sein kann, zeigt in Europa das Beispiel Krypto. Hier schaffe Regulierung Vertrauen und Akzeptanz, erklärt Lukas Enzersdorfer-Konrad, CEO von Bitpanda. Nun gehe es darum die Rahmenbedingungen auch zu nutzen. „Wir haben hier eine Chance“, sagt der Top-Manager. Mit Blick auf die rasante technologische Entwicklung in der Krypto-Branche sieht Enzersdorfer-Konrad die Finanzmärkte vor „einem Paradigmenwechsel“. Bitcoin sei rund um die Uhr, sieben Tage die Woche investierbar. 20 Prozent der Transaktionen am Kryptomarkt liefen am Wochenende, erklärt er.

Für den Bitpanda-Chef werden die Technologien hinter den Kryptoanlagen auch im klassischen Anlagemarkt einziehen. „Wir werden die größte technologische, strukturelle Veränderung der Kapitalmärkte der nächsten zehn Jahre sehen.“ Die Zukunft der Kapitalmärkte werde eine offene, vernetzte sein, digital zugänglich, für alle jederzeit. Rund um die Technologie dahinter, könnten in Deutschland und Europa eine ganze Reihe Hidden Champions entstehen.

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