Die CDU, die AfD und die Brandmauer
So reden Hasenfüße
Wenn etwas über lange Zeit erfolglos war, sollte man es bleiben lassen. Und dabei das Herz nicht in der Hose tragen. Gedanken zum Umgang mit der AfD.
Neulich habe ich Tino Chrupalla getroffen. Das letzte und bis dahin einzige Mal waren wir uns vor sechs Jahren begegnet. Wir waren zusammen mit Bettina Gaus von der “taz” in die Sendung Maischberger eingeladen, die damals noch von Köln aus sendete, also mussten wir fliegen. Bettina Gaus, inzwischen leider verstorbene renommierte Publizistin und unerschütterlich links, machte Chrupalla und mich schon vorher darauf aufmerksam, dass sie extrem an Flugangst leide.
Es kam, wie es kommen musste. Wir gerieten in schwere Turbulenzen, Bettina Gaus begann zu hyperventilieren und bat den neben ihr sitzenden Chrupalla, ihre Hand zu halten. Der das auch tat. Die ultralinke Journalistin Hand in Hand mit dem Rechtsaußen Chrupalla. Für mich bis heute bei aller politischen Aufgeladenheit und Polarisierung eine schöne Szene. In einer Extremsituation halten ganz rechts und ganz links menschlich auch mal zusammen.
Zur Person
Christoph Schwennickeist Politikchef von Sabo. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die “Süddeutsche Zeitung”, den “Spiegel” und das Politmagazin “Cicero”, dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war.

Das anschließende Interview, das auf die bei ihm ebenso präsente launige Erinnerung an diese Begebenheit folgte, war so konfrontativ und kontrovers, wie sich Gaus auch hinterher in der Sendung Chrupalla gegenüber zeigte. Richtig hart teilweise. Aber, ich bekenne mich zugleich schuldig: Wir haben auch gemeinsam gelacht, der Chrupalla und ich.
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Nicht erst bei diesem Interview, aber auch und gerade währenddessen wurde mir bewusst, was für ein wirres Weltbild von der AfD gepflegt wird. Nichts hält ihre Überzeugungen (so es sie überhaupt gibt) im Innersten zusammen. Außer die Aussicht auf maximalen Beifall bei den schlecht Gelaunten und leicht Verführbaren dieses Landes. Was Chrupalla da gesagt hat zur Wehrpflicht, zur Außenpolitik war völlig inkonsistent und widersprüchlich. Nichts passt da zusammen. Beispiel: Wehrpflicht? Ja schon, aber nur in Friedenszeiten.
So geht das in fast allen Politikfeldern und sogar so weit, dass Chrupalla im Gespräch einräumte, seine konziliantere Art und die Rolle von Alice Weidel als Bösewichtin wie Gundel Gaukeley bei Dagobert Duck sei nachgerade darauf angelegt, dass für alle was im Angebot ist. Für die Freundlichen wie die Pester. Die AfD sammelt alles ein, Mitte bis ganz extrem rechts. Und bekommt dabei immer mehr Schlagseite.
Zusammengekleistert wie eine Schwitters-Collage
Kurzum: Was die AfD politisch anbietet, ist so zusammengestoppelt und zusammengekleistert wie eine Collage von Kurt Schwitters. Nur ohne den ästhetischen Mehrwert. Das auf maximalen Zuspruch angelegte “Krüsimüsi”, wie man dort sagt, wo Frau Weidel lebt, gerät gerade auch immer mehr unter Druck. Bei der Wehrpflicht genauso wie bei Trump und Putin. Es wird immer dann in seiner ganzen Inkonsistenz sichtbar, wenn die Partei Farbe bekennen muss. Dann wird es schnell ganz dünn und schütter. Und offenbar: das Gesagte hat weder einen Kopf noch einen Hintern.
Deshalb ist die Brandmauer – das Wort soll hier nur einmal benutzt werden – das politisch völlig falsche Dingsymbol für den Umgang mit dieser Partei. Es handelt sich dabei um eine bauliche Maßnahme, die das Übergreifen von Flammen von jenseits auf diesseits, also meist auf ein Gebäude, verhindern soll. Es ist ein Bauwerk der Angst. Ein Instrument der Defensive. Und es sagt: Das Feuer lodert auf der anderen Seite.
So lief das die vergangenen Monate und Jahre dann auch. Das Feuer brannte immer heller auf der anderen Seite. Inzwischen ist die AfD die stärkste Partei in den Umfragen. Und auf der Angstseite ist überhaupt kein großes Feuer der Begeisterung zu sehen.
So wird es immer teurer
Die etablierten Parteien, allen voran die Union, müssen sich schleunigst von diesem phobischen Ansatz verabschieden. In der Wirtschaft gibt es das Phänomen der Sunk Costs Fallacy, auch eskalierendes Commitment genannt. Als eskalierendes Commitment (auch Entrapment, Sunk-Costs-Fallacy-Effekt oder Too-much-invested-to-quit-Syndrom) wird laut Wikipedia ein “auf kognitiver Verzerrung basierendes Verhalten bezeichnet, das durch die Tendenz gekennzeichnet ist, sich gegenüber einer früher getroffenen Entscheidung verpflichtet zu fühlen und diese über die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen zu stützen, obwohl sich diese Entscheidung bisher als ineffektiv oder falsch erwiesen hat”. Heruntergebrochen auf einfaches Unternehmerdeutsch heißt das: Hüte dich davor, schlechtem Geld auch noch gutes hinterherzuschmeißen, nur um eine Fehlentscheidung nicht zu revidieren. So wird es immer noch teurer.
Die versenkten Kosten und das Festhalten an der bisherigen Vorgehensweise haben die Union an den Rand des politischen Ruins geführt. Sie sollte sofort davon Abstand nehmen.
Achtung, jetzt wird es hart für manche
Was bedeuten kann – Achtung, Ruprecht Polenz und seinesgleichen – jetzt wird es hart für Sie: dass man sowohl in einer Kommune mal mit der AfD für einen Kinderspielplatz oder eine Umgehungsstraße stimmen kann als auch im Bundestag mal eine Abstimmung mit den Stimmen der AfD gewinnt. Weil es sich um eine in den Augen der Union vernünftige Sache handelt, die mit den Sozialdemokraten und auch den anderen linken Fraktionen im Bundestag nicht zu machen ist. Sonst kommt die Union aus diesem Serail nie heraus, in dem sie zwischen AfD und der dreifaltigen Linken steckt.
Das führt keineswegs wie von selbst in Koalitionen. Auch nicht den Bundesländern (Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern), in denen nächstes Jahr absehbar vermutlich die AfD Wahlsiege einfahren wird. Die CDU wäre von einer Todessehnsucht geleitet, würde sie sich dort in die Rolle eines Juniorpartners der AfD begeben. Und darum ginge es absehbar. Sie käme in die Rolle der FDP für die Union: Zweckpartei und Mehrheitsbeschaffer – und würde so ihrem Untergang tatsächlich entgegensehen.
Wie ein Kinderspiel auf dem Schulhof
Früher als Kinder haben wir auf dem Schulhof immer ein Spiel gespielt. “Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?” rief die eine Seite. “Niemand!” behauptete die andere wie aus einem Mund. “Und wenn er aber kommt?” schrie die eine Seite. “Dann laufen wir davon!”, rief die andere und strafte damit die vorige Behauptung der Angstfreiheit Lügen.
Bisher hat die CDU mit der AfD Schwarzer Mann gespielt und stand dabei auf der Seite der flüchtenden Hasenfüße. Sie sollte endlich damit aufhören. Und selbstbewusst dieser Partei des zusammengekleisterten Unsinns die Stirn bieten, statt über Brandschutz nachzudenken.
Verwendete Quellen:
- Eigene Überlegungen
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