Social Media schwächt das Gedächtnis von Kindern

Eine Langzeitstudie mit über 6.500 Kindern zeigt: Wer täglich drei Stunden scrollt, schneidet bei Gedächtnis- und Lesetests deutlich schlechter ab.

Das Smartphone auf dem Schreibtisch, nebenbei die Hausaufgaben – für viele Kinder ist das Alltag. Doch was macht das ständige Scrollen durch Instagram, TikTok und Co. mit dem jungen Gehirn?

Forscher der University of California haben die Daten von mehr als 6.500 Kindern, die über mehrere Jahre gesammelt wurden, ausgewertet.

Und sie kommen zu einem beunruhigenden Ergebnis: Je mehr Zeit Heranwachsende zwischen 9 und 13 Jahren in sozialen Netzwerken verbringen, desto schlechter schneiden sie in Tests zum Lesen, Gedächtnis und Wortschatz ab.

Die im Fachjournal JAMA veröffentlichte Studie liefert neue Hinweise darauf, dass Social Media die geistige Leistungsfähigkeit von Kindern beeinträchtigen könnte.

Drei Nutzergruppen mit unterschiedlichen Ergebnissen

Die Wissenschaftler werteten Daten der Adolescent Brain Cognitive Development Study (ABCD) aus, die zwischen 2016 und 2020 erhoben wurden.

Sie teilten 6.554 Kinder in drei Gruppen ein: 57,6 Prozent nutzten Social Media kaum oder gar nicht (0,3 Stunden täglich mit 13 Jahren). 36,6 Prozent steigerten ihre Nutzung auf 1,3 Stunden pro Tag. Die kleinste Gruppe von 5,8 Prozent erhöhte ihre tägliche Nutzung auf drei Stunden.

Alle Kinder absolvierten kognitive Tests zu Beginn der Studie und zwei Jahre später. Die Forscher berücksichtigten dabei Faktoren wie Alter, Geschlecht, Haushaltseinkommen, ADHS- und Depressionssymptome sowie die sonstige Bildschirmzeit.

Lesen und Wortschatz besonders betroffen

Kinder mit geringer Zunahme der Social-Media-Nutzung erzielten beim Lesetest 1,39 Punkte weniger als die Referenzgruppe. Beim Gedächtnistest waren es 2,03 Punkte weniger, beim Wortschatz 2,09 Punkte.

Bei Kindern mit starker Zunahme fielen die Unterschiede größer aus: minus 1,68 Punkte beim Lesen, minus 4,51 Punkte beim Gedächtnis, minus 3,85 Punkte beim Wortschatz. Tests zur Aufmerksamkeit zeigten hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Die Unterschiede sind statistisch signifikant, in absoluten Zahlen aber gering. Alle drei Gruppen erreichten Mittelwerte im normalen Bereich für 13-Jährige.

In einem begleitenden Leitartikel in JAMA schrieben Kinderpsychologen, selbst subtile Unterschiede könnten Folgen haben: Schüler benötigen im Durchschnitt länger, um Aufgaben zu erledigen, fallen in kumulativen Fächern zurück oder ziehen sich aus dem Unterricht zurück.

Verdrängung von Bildungsaktivitäten als mögliche Ursache

Forscher vermuten, das liegt daran, dass Social Media Zeit für schulische Aktivitäten verdrängt. Sanjeev Kothare vom Cohen Children’s Medical Center, der nicht an der Studie beteiligt war, sieht zwei Probleme. Gegenüber der New York Post erklärte er: Kinder könnten während des Unterrichts Social Media nutzen oder zu lange aufbleiben, um zu scrollen.

Social Media unterscheidet sich laut Kothare von passiver Bildschirmzeit wie Fernsehen. Während Fernsehen noch in gewissem Maße Multitasking zulasse, beschäftigten sich Kinder bei Social Media direkt mit den Inhalten, was mehr Aufmerksamkeit vom Gehirn erfordere.

Keine Kausalität nachweisbar

Die Forscher betonten die Grenzen ihrer Arbeit. Die Daten stammen aus Selbstauskünften, das Beobachtungsdesign lässt keine kausalen Schlüsse zu. Unklar bleibt auch, welche Plattformen und Inhalte die Zusammenhänge treiben.

Die Autoren des JAMA-Leitartikels forderten dennoch “regulatorische Maßnahmen wie durchsetzbare Altersbeschränkungen” und “eine größere Verantwortlichkeit der Plattformen”.

Gerade in der Debatte um handyfreie Schulen, die in Deutschland in allen Bundesländern aufgekommen ist, dürften die Studienergebnisse von Interesse sein. In den USA hat etwa der Bundesstaat Arkansas bereits ein Handyverbot an Schulen eingeführt. In diesem Jahr untersagte auch New York City Handys an Schulen.

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