Kommunalfinanzen
Steigende Bezirksumlage – Dachaus Landrat fordert niedrigere Sozialstandards: „Jetzt muss der Opel reichen“
Die Erhöhung der Bezirksumlage hat in den oberbayerischen Landkreisen, Städten und Gemeinden für Aufregung gesorgt. Im Interview erklärt Dachaus Landrat Stefan Löwl, warum die Bundespolitik handeln muss.
Landkreis – Die drastische Erhöhung der Bezirksumlage hat in den oberbayerischen Landkreisen, Städten und Gemeinden für Aufregung gesorgt. Grund: Bleibt es bei der bislang angekündigten Steigerung der Umlage um 2,8 Prozent, wird der Landkreis Dachau im kommenden Jahr gut 10 Millionen Euro mehr nach München überweisen müssen.
Weil der Haushalt des Landkreises aber seit Jahren auf Kante genäht ist und bereits mehrere Einsparrunden durchlaufen hat, wird das Landratsamt diese Summe wohl – über eine entsprechend höhere Kreisumlage – an seine Kommunen weitergeben. Allein für die Stadt Dachau bedeutet dies Mehrausgaben in Höhe von rund 2 Millionen Euro. Bürgermeister und Landräte laufen Sturm, wie mehrfach im Bayernteil berichtet.
„Ungebremste Dynamik“
Der Bezirk Oberbayern steht – wie alle kommunalen Ebenen – vor massiven finanziellen Herausforderungen. Ohne die Erhöhung der Bezirksumlage, die aktuell bei 23,55 Prozent liegt, stünde im kommenden Jahr ein ungedeckter Bedarf von nahezu 2,7 Milliarden Euro in den Büchern. Um diese Lücke zu schließen, müsste der Hebesatz der Bezirksumlage auf 26,35 Prozent steigen. Beschließen muss dies der Bezirkstag, aufgrund der Aufgaben des Bezirks oft auch als „Sozialparlament“ bezeichnet. Den Landkreis Dachau vertritt dort Stephanie Burgmaier (CSU). Sie spricht von einer „ungebremsten Dynamik der Sozialausgaben“ und schließt sich „vollumfänglich“ den Worten von Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger an: „Wir reden hier nicht über punktuelle Ausschläge, sondern über eine strukturelle Kostenlawine, die uns und unsere Landkreise überrollt.“
Dachaus Landrat Stefan Löwl sagt denn auch im Gespräch mit der Heimatzeitung fast schon konsterniert: „Wir sind ausgelutscht.“ Die Politik in München und Berlin müsse endlich umsteuern. Aber auch die Bürger sollten erkennen, dass ihre Ansprüche und Erwartungen oft einfach zu hoch sind.
Herr Löwl, der Bezirk will im kommenden Jahr deutlich mehr Geld vom Landkreis. Können Sie die Erhöhung der Bezirksumlage nachvollziehen?
Stefan Löwl: Wenn man ehrlich ist, war die Entwicklung abzusehen. Der Bund hat in den vergangenen Jahren verschiedene Gesetze verabschiedet, beispielsweise das Pflegestärkungsgesetz, das Angehörigenentlastungsgesetz oder das Teilhabegesetz. Alle diese Gesetze haben Ansprüche geschaffen und die Eigenbeteiligung der Bürger reduziert. In Zeiten einer stagnierenden Wirtschaft und nicht mehr so stark steigenden Steuereinnahmen wird der Bezirk, dessen Schwerpunkt ja das Soziale ist, jetzt eben von den Kosten überrollt.
Die Kosten nun aber einfach weiterzureichen nach unten, also auf die Landkreise und am Ende die Städte und Gemeinden, kann doch aber auch nicht die Lösung sein?
Natürlich nicht! Und deshalb bin ich auch optimistisch, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Unser Protest ist angekommen.
Dachaus Landrat fordert: Runter mit den Standards!
Wie könnten Sie sich eine Lösung vorstellen?
Es würde helfen, wenn der Freistaat beispielsweise die Krankenhausumlage für nächstes Jahr aussetzen würde. Das würde uns als Landkreis gut 5 Millionen Euro sparen und uns ermöglichen, die Kreisumlage mehr oder weniger stabil zu halten.
Aber selbst wenn der Freistaat hier nachgibt, wäre das doch keine nachhaltige Lösung des Problems?
Nein. Mittel- und langfristig gibt es nur einen Weg: Wir müssen von unseren hohen Standards runter. Für die Sozialgesetzbücher – wo die meisten Ansprüche und Leistungen geregelt sind – ist der Bund verantwortlich. Da ist Berlin nun in der Pflicht.
Haben Sie konkrete Beispiele?
Nehmen Sie die sogenannten „Ambulanten Hilfen im Schulalter“. Da geht es in der Regel um Schulbegleiter für Kinder mit Förderbedarf. Bis vor ein paar Jahren hatten wir dafür Kosten von unter einer Million Euro im Jahr. Mittlerweile sind wir bei knapp 3 Millionen Euro, trotz bereits erfolgter Einsparungen. Bis wir eine eigene Pool-Lösung geschaffen haben, waren in der Greta-Fischer-Schule teilweise fünf Schulbegleiter in einer Klasse. Auch beim Bezirk gibt es ähnliche Beispiele, insbesondere wenn es um das sogenannte freie Wahlrecht geht. Inzwischen können all diese Ansprüche individuell eingeklagt werden.
Wie funktioniert Ihre Pool-Lösung?
Statt mehreren einzelnen Begleitern für jedes Kind zahlen wir nun eine Fachkraft. Die Fachkraft selbst ist zwar teurer, spart uns aber im Pool am Ende Geld. Der Gesetzgeber hat uns das vor kurzem Gott sei Dank erlaubt. Wir gelten damit als Modellprojekt. Grundsätzlich darf es aber nie eine Frage sein, ob wir den Menschen helfen, nur wie. Wir brauchen einen ordentlichen Standard und den Mut, diesen politisch durchzusetzen. Das gilt für alle Bereiche, auch beim Bau. Bildlich gesprochen: Mobilität ist der Anspruch, aber einen Ferrari können wir uns nicht mehr leisten, jetzt muss auch der Opel reichen.
Wäre es ketzerisch zu sagen, dass der Landkreis Dachau als Netto-Empfänger des Bezirks eigentlich gar keinen Grund hat, sich über die steigende Umlage aufzuregen?
Das ist nur teilweise richtig: Bislang waren vor allem Stadt und Landkreis München die großen Netto-Zahler, wir Netto-Empfänger. Aber die brechen grade massiv ein. Grundsätzlich reden wir hier jedoch nicht über das bekannte Prinzip „rechte Hosentasche, linke Hosentasche“, es sind nämlich unterschiedliche Hosen. Die Kommunen tragen die Kosten, die Gelder gehen aber in Leistungen an die berechtigten Bürger.
Das Geld der Kommunen reicht also nicht für alle Aufgaben und Ansprüche?
Das sieht man an einem ganz einfachen Vergleich: Die Kommunen sind für rund 25 Prozent der öffentlichen Ausgaben verantwortlich, erhalten aber nur etwa 14 Prozent der Steuereinnahmen. Das muss sich ändern.
