Stein auf Stein
Ob Module aus Holz, Keramik, Steinschlacke oder Kunststoff: Die neue Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt widmet sich Modellbaukästen aus 100 Jahren
Es ist ein wenig verzwickt, die Steine so zusammenzusetzen, dass ein Haus ohne Lücken oder überragende Ecken entsteht. Und das Dach ist noch einmal eine Herausforderung für sich. Immerhin hat das Modellbausystem „Tetek“ Noppen, die verhindern, dass die aus einer Art Keramik bestehenden Module verrutschen. Anders als ältere Stein- oder Holzbaukästen, deren Elemente bloß aufeinandergestapelt wurden – und bei der kleinsten Erschütterung herunterplumpsten. Was das komplette Werk zunichtemachte.
Um die Frustration im Kinderzimmer Anfang des 20. Jahrhunderts etwas zu begrenzen, „kamen einige Hersteller auf die Idee, ein Säckchen Mörtel beizulegen“, sagt Oliver Elser, Kurator der Schau „Architekturbaukästen 1890–1990“, die am heutigen Freitag im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt eröffnet. Die Exponate stammen zum Großteil aus der Sammlung des Grafikers und Kommunikationsdesigners Claus Krieger. Rund 80 Baukästen und Beispiele sollen sämtliche Aspekte des Bauens im Miniaturformat aus hundert Jahren zeigen: „Aufgebaute Modelle, trickreiche Verbindungselemente, pädagogische Absichten, architekturhistorische Vorbilder und herausfordernde Bauanleitungen.“

Lego kenne heute jedes Kind, das Architekturmuseum widme sich nicht ohne Grund seit vielen Jahren mit Ausstellungen und Wettbewerben den bunten Klemmbausteinen aus Dänemark, sagt DAM-Direktor Peter Cachola Schmal. Claus Krieger habe sie darauf aufmerksam gemacht, „dass es vor Lego schon etwas anderes gab“. Und zwar nicht zu knapp. Bevor das dänische Unternehmen den internationalen Markt erobern konnte, „gab es mehr als 900 Hersteller von Bauspielkästen allein im deutschsprachigen Raum“, sagt Elser.
Und auch anderswo auf der Welt haben sich Menschen Gedanken gemacht, wie Kinder und andere Baufreudige zu begeistern seien, ob mit Gebäuden, Parkanlagen oder ganzen Städten und Dörfern. In den Vitrinen lässt sich Lübeck genauso bestaunen wie die Altstadt von Jerusalem. Der „American Skyline“-Baukasten aus den USA ermöglichte Mitte des 20. Jahrhunderts den munteren Nachbau von Wolkenkratzern.
Bauen können auch die Besucherinnen und Besucher der „großen Mitspiel-Ausstellung“, wie sie im Untertitel heißt. Unter anderem das Hochhaus der „Skyline“. Neben dem Modell steht ein Tisch, Elemente dafür liegen in Kisten aus. Sie seien nachmoduliert und nachproduziert worden, sagt Elser. Aus Kunststoff mit dem 3D-Drucker. Sie quietschen ein wenig, wenn man sie zusammensteckt.

Acht Stationen gibt es, an denen getüftelt, konstruiert und geplant werden kann, an vier davon mit Teilen aus Originalbaukästen der Systeme „Tetek“, „Minibrix“, „Dusyma“ und „Der kleine Großblockbaumeister“, die das Museum online aufgestöbert hat. Für vier Stationen haben Studierende der Hochschule für Technik Stuttgart Bausteine nachgebildet, und zwar im Maßstab 3:1. Deswegen ist die Kathedrale, die sich im Erdgeschoss auftürmt, auch 3,20 Meter hoch. Die filzartigen Bauelemente, die sich geschmeidig und nahtlos zusammenfügen, sind aus recycelten PET-Flaschen, erläutert Elser. Zwei Wochen hätten die Studierenden daran gearbeitet, inklusive Aufbau.

Die übrigen Modelle, die in den Vitrinen ausgestellt sind, hat der Sammler Claus Krieger größtenteils selbst zusammengebaut, die kleineren zu Hause in Wiesbaden, die größeren direkt in der Ausstellung. Ursprünglich habe er Lego-Baukästen als Wertanlage gesammelt, berichtet er. „Auf der Suche bin ich dann auf alte Holzbaukästen gestoßen., die schlagartig mein Interesse geweckt haben.“ Das war vor etwa 15 Jahren. Heute umfasst seine Sammlung etwa 160 Baukästen, knapp die Hälfte sind im DAM ausgestellt.. Und zu jedem kann er etwas erzählen. Zum Beispiel zu den belgischen „Batima“-Steinen, die aus Galalith, einem Kunststoff aus Milchserum, gefertigt wurde. Oder zum „Kleinen Großblockbaumeister“ aus der DDR.

An der Station zum französischen Hersteller „Bâtiss“ versuchen Kurator Oliver Elser und Museumsdirektor Peter Cachola Schmal Holzklötze auf dünne Stäbe zu manövrieren. „Es kommt auf die Verbindung an“, betonen sie. Und die habe Lego mit seinen Plastik-Klemmbausteinen perfektioniert. Und ist natürlich auch vertreten in der Ausstellung, zusammen mit den kompatiblen und täuschend ähnlichen Noppensteinen des Herstellers Bluebrixx aus Flörsheim: in einem großen Diorama von Frankfurt.
Die Ausstellung
„Architekturbaukästen 1890–1990“ läuft bis zum 8. Februar 2026 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt, Schaumainkai 43. Eröffnet wird sie am heutigen Freitag, 24. Oktober, 19 Uhr.
Führungen stehen immer samstags und sonntags um 15 Uhr auf dem Plan. Familienführungen werden am 2. und 16. November sowie am 12. Dezember, jeweils von 13 bis 14 Uhr, angeboten.
Ein Wettbewerb lädt ein, bis zum 15. Dezember eigene Miniscale-Modelle einzuschicken. Die Teilnahmebedingungen sowie das Begleitprogramm zur Ausstellung gibt es auf der Website.
Die Publikation „111 Architekturbaukästen“ ist im Museumsshop sowie im Buchhandel für 38 Euro erhältlich.
