Supermacht-Konkurrenz: China überholt die USA bei der Atomenergie

Während die USA bei Kernkraftwerken mit Verzögerungen und Kostenexplosionen kämpfen, baut China Reaktoren in Rekordzeit. Ein Wettlauf mit globalen Folgen.

China entwickelt sich zum weltweiten Spitzenreiter bei der Atomenergie und stellt damit die jahrzehntelange Dominanz der USA infrage. Bis 2030 wird Chinas installierte Kernkraftleistung die der Vereinigten Staaten übertreffen – jenes Landes, das als erstes Atome zur Stromerzeugung spaltete, berichtet die New York Times.

Derzeit befinden sich in China fast so viele Reaktoren im Bau wie im Rest der Welt zusammen. Das Land hat bereits 57 Reaktoren seit 1991 in Betrieb genommen und weitere 28 Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 30 Gigawatt sind im Bau, wie Daten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) zeigen.

Chinas Erfolgsrezept bei Baukosten

Der entscheidende Vorteil Chinas liegt laut dem Bericht der New York Times in der Fähigkeit, Reaktoren relativ schnell und kostengünstig zu errichten. Während in den USA die Baukosten für Kernkraftwerke nach den 1960er-Jahren drastisch anstiegen, halbierten sie sich in China während der 2000er-Jahre und blieben seither stabil, wie eine im Sommer in Nature veröffentlichte Studie belegt.

“Als wir diese Daten erstmals hatten und den abnehmenden Trend in China sahen, hat mich das überrascht”, wird Shangwei Liu zitiert, Forschungsstipendiat an der Harvard Kennedy School of Government, der die Studie leitete.

China stellt Reaktoren inzwischen in nur fünf bis sechs Jahren fertig – doppelt so schnell wie westliche Länder. Die beiden einzigen US-Reaktoren, die in diesem Jahrhundert gebaut wurden – im Kernkraftwerk Vogtle in Georgia – brauchten elf Jahre und kosteten 35 Milliarden Dollar.

Staatliche Unterstützung als Schlüsselfaktor

Chinas Erfolg basiert auf massiver staatlicher Förderung. Drei staatliche Kernkraftentwickler erhalten günstige, staatlich abgesicherte Kredite für den Bau neuer Reaktoren. Die chinesische Regierung verpflichtet zudem die Netzbetreiber, einen Teil des Stroms aus Kernkraftwerken zu vorteilhaften Tarifen abzunehmen.

Ebenso wichtig ist die Standardisierung: Chinas Kernkraftunternehmen bauen nur eine Handvoll Reaktortypen – und das immer wieder. Dies ermöglicht es den Entwicklern, den Bauprozess zu perfektionieren und Genehmigungsverfahren zu verschlanken, erklärte Joy Jiang, Analystin am Breakthrough Institute.

Innovation bei Reaktortechnologien

Gleichzeitig verschiebt China die Grenzen bei Kerntechnologien der nächsten Generation. Das Land hat nach eigenen Angaben den weltweit ersten “Reaktor der vierten Generation” gebaut – ein gasgekühltes Modell, das neben Strom auch Prozesswärme für die Schwerindustrie liefern kann.

China verfolgt außerdem Technologien, die weniger Uran benötigen, etwa Thoriumreaktoren, oder die abgebrannten Kernbrennstoff recyceln. Dies ist eine Anerkennung der Tatsache, dass China nicht über genügend inländisches Uran für einen massiven Ausbau traditioneller Reaktoren verfügt.

USA setzen auf private Innovation

Die Vereinigten Staaten verfolgen einen grundlegend anderen Ansatz – stärker gestützt auf private Innovation als auf staatliche Förderung. Dutzende Start-ups arbeiten an einer neuen Generation kleinerer Reaktoren, die günstiger sein sollen als die bisherigen Großanlagen.

Technologiekonzerne wie Google, Amazon und OpenAI investieren laut dem NYT-Bericht Milliarden in Nuklear-Start-ups wie Kairos Power, X-Energy und Oklo, um ihre Rechenzentren für Künstliche Intelligenz zu versorgen.

Energieminister Chris Wright sagte, die Regierung setze darauf, dass das in Nuklearprojekte fließende Privatkapital amerikanische Innovationskraft entfessele.

Geopolitische Dimension des Atomwettlaufs

Während die USA und China um globale Vorherrschaft konkurrieren, ist Energie zu einem geopolitischen Schlachtfeld geworden. Die Trump-Regierung will die US-Kernkraftkapazität bis 2050 vervierfachen und befürchtet, dass China seine globale Einflussnahme ausweiten könnte, sollte es den Exportmarkt für Kernenergie dominieren.

Chinesische Unternehmen haben bereits sechs Reaktoren in Pakistan gebaut und planen weitere Exporte. Der Bau von Kernkraftwerken im Ausland schafft jahrzehntelange Beziehungen zwischen Ländern, was die strategische Bedeutung unterstreicht.

Globaler Kontext

Weltweit erlebt die Atomenergie ein Comeback. 2024 erzeugten Kernreaktoren mit 2667 Terawattstunden mehr Strom als je zuvor und erreichten einen globalen Kapazitätsfaktor von 83 Prozent, wie der World Nuclear Performance Report 2025 zeigt.

Mehr als 30 Länder haben sich verpflichtet, die globale Kernkraftkapazität bis zur Jahrhundertmitte zu verdreifachen.

Herausforderungen bleiben: Fragen zur Endlagerung nuklearen Abfalls, zu Sicherheitsbedenken und zur öffentlichen Akzeptanz. China musste 2021 eine kleinere radioaktive Leckage bewältigen, und ein größerer Unfall könnte einen öffentlichen Backlash auslösen.

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