TOP-THEMA-EU sichert Ukraine Finanzierung bis 2027 zu – Weg bleibt weiter offen

*

Neu: Reaktion Keir Starmer, Selenskyj reist nach London

*

Gipfel im Dezember soll entscheiden

*

Merz und Selenskyj dennoch zufrieden

*

Belgien beharrt auf Garantien bei Eskalation

– von Andreas Rinke und Jan Strupczewski

Brüssel, 24. Okt (Sabo) – Die EU hat der Ukraine die Zusicherung gegeben, das Land im Abwehrkampf gegen Russland in den Jahren 2026 und 2027 zu finanzieren. Allerdings vertagten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel die Entscheidung, der Ukraine einen 140-Milliarden-Euro-Kredit durch die Nutzung der in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögen zu geben. In den Schlussfolgerungen heißt es nur, dass die EU-Kommission möglichst schnell Optionen erarbeiten solle, über die man auf dem EU-Gipfel im Dezember beraten wolle. Vor allem der Ministerpräsident Belgiens, Bart De Wever, pochte auf “konkrete und solide” Garantien der Partner. Bei der belgischen Firma Euroclear liegt das Gros des eingefrorenen Geldes.

Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich nach dem Gipfel dennoch ebenso wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zufrieden mit den Beratungen. Das Entscheidende sei zunächst, dass die Ukraine die Zusage habe, dass die EU sie in den kommenden zwei Jahren finanzieren werde. “Der Europäische Rat verpflichtet sich, den dringenden Finanzbedarf der Ukraine für 2026-2027 zu decken, einschließlich ihrer militärischen und verteidigungspolitischen Bemühungen”, hieß es in der Schlusserklärung. “Wir haben die Kommission gebeten, mögliche Optionen für die Finanzierung auszuarbeiten. Es gibt dafür keine Blaupause”, schrieb Merz am frühen Freitagmorgen auf der Nachrichtenplattform X.

Man müsse dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor Augen führen, dass eine Fortsetzung seines Angriffskrieges sinnlos sei, sagte Merz in Brüssel. “Wir erhöhen den Druck, um auf der russischen Seite Verhandlungsbereitschaft zu erzeugen, damit in der Ukraine endlich die Waffen schweigen.” Dieses Signal der Stärke müssten die Europäer geben. Ähnlich äußerte sich der britische Premierminister Keir Starmer. Die USA haben unter Präsident Donald Trump die Militärhilfe für die Ukraine weitgehend eingestellt.

STUNDENLANGE BERATUNGEN IN BRÜSSEL

Vorangegangen waren in Brüssel stundenlange Beratungen über die Nutzung der russischen Guthaben. Diese sollen nach Vorschlägen der EU-Kommission und von Kanzler Merz dazu genutzt werden, mit einem komplizierten Verfahren einen Kredit über 140 Milliarden Euro für die Ukraine freizumachen – ohne aber eine Enteignung Russlands darzustellen. Merz räumte am Abend ein, dass noch sehr viele Fragen zu klären seien, weil es für eine solch riesige Transaktion kein Vorbild gebe.

“Das ist sicherlich kein triviales Thema. Es ist sehr komplex”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel. “Es war auch ganz klar, dass es noch einige Punkte zu klären gibt.” EU-Ratspräsident Antonio Costa äußerte dennoch Optimismus. Wird der Plan umgesetzt, müsste die Ukraine den Kredit erst zurückzahlen, wenn Russland nach einem Kriegsende Reparationen für die Schäden in dem 2022 überfallenen Land zahlt.

Der belgische Premierminister De Wever betonte jedoch, er könne den Plan nur unterstützen, wenn er die eindeutige Zusicherung habe, dass die Umsetzung legal sei und dass andere EU-Länder die damit verbundenen Risiken teilen würden. Auf keinen Fall soll das russische Geld enteignet werden. “Wenn die Forderungen erfüllt werden, können wir weitermachen. Wenn nicht, werde ich auf europäischer und nationaler Ebene alles in meiner Macht Stehende tun, um diese Entscheidung politisch und rechtlich zu stoppen”, kündigte De Wever an. Er würde eine andere Lösung zur Finanzierung der Ukraine befürworten.

Russland warnte die EU vor einer “direkten Konfiszierung” seines eingefrorenen Vermögens. Jede Maßnahme der EU zur Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte auf Euroclear-Konten werde eine “schmerzhafte Reaktion” Russlands nach sich ziehen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa. Allerdings haben Merz und die EU-Kommission stets betont, dass es sich nicht um eine Enteignung handele.

SELENSKYJ ZU WEITEREN BERATUNGEN NACH LONDON GEREIST

Selenskyj reiste am Freitag nach London weiter, um sich mit wichtigen Verbündeten zu beraten. Bei einem Treffen der “Koalition der Willigen” will der britische Premierminister Keir Starmer darauf dringen, russisches Öl und Gas vom Weltmarkt zu nehmen, die eingefrorenen russischen Vermögen zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen und Kiew mehr Langstreckenraketen zu liefern, wie sein Büro mitteilte. An dem teils virtuellen Treffen sollen neben Starmer und Selenskyj auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof und die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen teilnehmen. “Immer wieder bieten wir Putin die Chance, seine sinnlose Invasion zu beenden, das Töten zu stoppen und seine Truppen zurückzuziehen, aber er lehnt diese Vorschläge und jede Chance auf Frieden wiederholt ab”, erklärte Starmer und fügte hinzu: “Wir müssen den Druck auf Russland erhöhen.”

EU WINKT 19. SANKTIONSPAKET DURCH

Die EU-Staaten hatten sich zuvor auch auf ein 19. Sanktionspaket gegen Russland wegen des Ukraine-Überfalls geeinigt. Es enthält unter anderem ein Einfuhrverbot für russisches Flüssigerdgas (LNG). Die Maßnahmen umfassen zudem einen neuen Mechanismus zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte, das Paket richte sich unter anderem gegen russische Banken, Kryptobörsen sowie Unternehmen in Indien und China. Betroffen sind etwa zwei große chinesische Raffinerien und Chinaoil Hong Kong, eine Handelssparte von PetroChina. Diese verarbeiten importiertes russisches Öl. Gemeinsam mit den G7-Staaten versucht die EU, Russlands Mittel zur Finanzierung seines Krieges in der Ukraine weiter zu schmälern, indem sie die für Moskau lebenswichtigen Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung kürzt. Diesem Ziel dienen auch neue Sanktionen gegen den russischen Öl- und Gassektor durch die US-Regierung. (Mitarbeit: Andrew Gray Redigiert von Isabelle Noack und Alexandra Falk Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte).)

Related Post

Leave a Comment