(neu: weitere Reaktionen, Äußerungen aus Pk, Details)
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Gesamtstaat kann bis 2029 mit 33,6 Mrd Euro mehr rechnen
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Für den Bund im Fünf-Jahres-Zeitraum kaum Entlastung
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Deutliche Zuwächse für Länder und Kommunen
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Klingbeil kündigt für Jahreswechsel Sparpaket der Koalition an
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Kritik der Grünen – Wirtschaft fordert Reformen
– von Holger Hansen und Klaus Lauer und Christian Krämer
Berlin, 23. Okt (Sabo) – Trotz leicht verbesserter Steuerprognosen hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil Forderungen nach neuen Ausgaben eine Absage erteilt und auf massive Finanzierungslücken in den kommenden Jahren verwiesen. Zwar wirkten die Wachstumsimpulse der Regierung, sagte der SPD-Co-Chef am Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Steuerschätzung in Berlin. “Es bleibt die gemeinsame Aufgabe aller Kabinettskolleginnen und -kollegen, Einsparungen in ihren Bereichen zügig vorzulegen”, forderte Klingbeil. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD würden um den Jahreswechsel herum ein Gesamtpaket zur Schließung der Haushaltslöcher vorlegen.
Dem Arbeitskreis Steuerschätzung zufolge können Bund, Länder und Gemeinden im Zeitraum 2025 bis 2029 mit 33,6 Milliarden Euro mehr an Einnahmen rechnen als noch im Mai erwartet. Der Bund kann unter dem Strich aber nicht auf mehr Geld setzen, da etwas höheren Einnahmen bis 2027 erwartete Mindereinnahmen danach gegenüberstünden. Für den Haushalt 2026, der Ende November verabschiedet werden soll, verschafft die Schätzung Klingbeil mit Mehreinnahmen von 4,9 Milliarden Euro etwas mehr Luft.
MINISTERIUM: FÜR 2027 VERRINGERT SICH MILLIARDEN-LÜCKE
Klingbeil verwies aber darauf, dass für den Haushalt 2027 eine Finanzierungslücke bleibe. Dort habe zuletzt noch ein Loch von rund 30 Milliarden Euro geklafft. Dies habe sich nun um etwa sieben bis acht Milliarden Euro verringert, sagte Haushalts-Staatssekretär Steffen Meyer. Weitaus größer seien die Lücken in den Jahren danach: 2028 gebe es einen Handlungsbedarf von 60 Milliarden Euro, 2029 sogar von deutlich mehr als 60 Milliarden. Bisher war Klingbeil im Finanzplan bis 2029 trotz immenser Neuverschuldung um mehrere hundert Milliarden Euro von einer Lücke von rund 170 Milliarden Euro ausgegangen.
“Das heißt, es entstehen keine strukturellen Spielräume für den Bundeshaushalt”, unterstrich Klingbeil. Er warnte zugleich die Kabinettskollegen vor neuen Ausgabewünschen. “Am Ende sind wir in der Pflicht, ein gemeinsames Paket vorzulegen, eine Lücke zu schließen und damit dieses Land auf Vordermann zu bringen”, erklärte Klingbeil. Zudem wies er Forderungen der Bundesländer nach einer finanziellen Kompensation für Mindereinnahmen etwa durch die Erhöhung der Pendlerpauschale oder die reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie zurück. Er gehe davon aus, dass diese von einigen Ministerpräsidenten geschürte Debatte nach der Einnahmenschätzung nun vorbei sei.
Von den Sparvorgaben ausgenommen ist laut Klingbeil das im Koalitionsvertrag vereinbarte Thema der kommunalen Altschulden. Dies werde als prioritär bewertet, und er werde dazu sehr bald einen Vorschlag vorlegen. Zudem gebe es in der Koalition den politischen Willen, einen Industriestrompreis zur Entlastung der Unternehmen einzuführen. Dafür werde es eine Finanzierung geben.
WIRTSCHAFTSVERBÄNDE FORDERN REFORMEN
Die Lobby-Verbände der deutschen Wirtschaft plädierten für weitere Strukturreformen, Wachstumsimpulse und Bürokratieabbau. “Entscheidend ist jetzt, private Investitionen zu erleichtern, Innovationen zu fördern und Bürokratie konsequent abzubauen, flankiert durch gezielte staatliche Investitionen in Verkehr, Energie und Digitalisierung”, sagte Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Tanja Gönner vom Industrieverband BDI erklärte, die Bundesregierung müsse dringend die Haushaltslage stabilisieren – und dafür konsumtive Ausgaben reduzieren, die Effizienz bei öffentlichen Mitteln überprüfen und investive Ausgaben an die erste Stelle setzen. Der Handwerksverband ZDH betonte, die Politik müsse sich bei jeder haushaltswirksamen Entscheidung fragen, ob sie zu mehr wirtschaftlicher Dynamik und stabilen Einnahmen führe.
Ländern und Gemeinden beschert die Steuerschätzung anders als dem Bund spürbare Zuwächse. Nach Berechnungen der Steuerexperten steigen die Einnahmen der Länder für die Jahre 2025 bis 2029 um insgesamt rund 24,2 Milliarden Euro, die der Gemeinden um etwa 14,9 Milliarden Euro im Vergleich zur Mai-Schätzung. Sie profitieren von robusten Einnahmen aus Lohn- und Umsatzsteuer, während der Bund weitgehend auf der Stelle tritt. Dort schlagen die Steuerleichterungen mit Mindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe ab 2028 stärker zu Buche.
Die Haushälter von Union und SPD zeigten sich einig in der Bewertung, dass es keine neuen Spielräume gebe. Unions-Haushälter Christian Haase erklärte, die Koalition müsse sich “an dem finanziell Machbaren” ausrichten. SPD-Haushälter Thorsten Rudolph wertete die Steuerschätzung als Beleg für den Erfolg der Regierungspolitik. Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg sagte Sabo: “Die Notwendigkeit struktureller Reformen, um bei Ausgaben einzusparen, bleibt drängend.”
Aus der Opposition kam scharfe Kritik. “Statt Lösungen setzt Schwarz-Rot weiter auf Symbolpolitik wie die geplante Gastrosteuersenkung”, erklärte Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer. “Die Mehreinnahmen beruhen vor allem auf Lohnsteuereffekten und optimistischen Wachstumsprognosen, nicht auf erfolgreicher Politik.” (Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte). )
