Während die globale Autoindustrie konsequent auf Elektromobilität zusteuert, schlägt BMW einen unerwarteten – aber nicht rückwärtsgewandten – Kurs ein. Ab 2028 will der Münchner Konzern seine neuen Benzinmodelle in Deutschland mit E-Fuels betanken – zumindest bei der sogenannten „Erstbefüllung“ im Werk. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung von BMW, der Lother GmbH und der German eFuel One GmbH hervor.
E-Fuels: Signal der Technologieoffenheit?
Die Entscheidung der BMW-Group ist weniger als Abkehr vom batterieelektrischen Fahrzeug zu verstehen, sondern eher als industriepolitisches Signal: für Technologieoffenheit, für klimaneutrale Alternativen – und für den Fortbestand des Verbrennungsmotors im Zeitalter der Energiewende.
Der Begriff „Erstbefüllung“ bezeichnet die geringe Menge Kraftstoff – typischerweise zwischen fünf und acht Litern –, mit der neue Fahrzeuge am Band betankt werden. Sie dient der Inbetriebnahme, Qualitätskontrolle und dem Rangieren auf dem Werksgelände. Die Endkund*innen tanken nach wie vor herkömmliches Benzin – an den Zapfsäulen ändert sich durch die Maßnahme vorerst nichts.
Bereits seit Januar 2025 setzt BMW bei in Deutschland produzierten Dieselmodellen auf eine vergleichbare Lösung: Hier kommt bei der Erstbefüllung der paraffinische Biokraftstoff HVO10 vom Anbieter Neste zum Einsatz. Laut einer aktuellen Pressemitteilung der BMW Group sollen sich damit die Treibhausgasemissionen im Produktionsprozess um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu fossilem Diesel reduzieren lassen – ein Ziel, das BMW nun auch für Benzinmotoren anstrebt.
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Nur begrenzt effizient
E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, gelten als potenziell CO2-neutrale Alternative zu fossilen Treibstoffen. Die Herstellung erfolgt im Fall von BMWs Projekt über die sogenannte Methanol-to-Gasoline-Technologie (MtG), bei der aus grünem Methanol synthetisches Benzin erzeugt wird. Grünes Methanol wiederum entsteht durch die Synthese von grünem Wasserstoff (aus erneuerbarem Strom per Elektrolyse) mit abgeschiedenem Kohlendioxid.
Die German eFuel One GmbH plant hierfür eine kommerzielle Produktionsanlage in Deutschland. Der dort erzeugte Kraftstoff soll alle Anforderungen der Norm EN 228 erfüllen und somit vollständig kompatibel mit aktuellen Ottomotoren sein – sowohl technisch als auch rechtlich.
Die Effizienz dieses Ansatzes ist jedoch begrenzt: Mehrere wissenschaftliche Studien, darunter eine aktuelle Lebenszyklus-Analyse des International Council on Clean Transportation (ICCT), zeigen, dass batterieelektrische Fahrzeuge im Betrieb pro Kilometer ein Vielfaches weniger Energie verbrauchen als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf Basis von E-Fuels. In der EU liegt der Unterschied laut ICCT derzeit bei durchschnittlich minus 73 Prozent Treibhausgasemissionen über den gesamten Fahrzeuglebenszyklus zugunsten der Elektroautos.
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Sauber im Tank, nicht in der Luft
Die Tatsache, dass bei der Verbrennung von E-Fuels weiterhin Emissionen am Auspuff entstehen, bleibt ein Kritikpunkt. Zwar deuten Labortests des französischen Forschungsinstituts IFP Energies Nouvelles (IFPEN) im Auftrag der Organisation Transport and Environment (T&E) und Praxistests des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) e.V. darauf hin, dass sich bei bestimmten synthetischen Benzinblends die Anzahl ultrafeiner Partikel im Abgas reduzieren lässt. Bei Stickoxiden (NOx), Kohlenmonoxid (CO) oder Ammoniak (NH3) zeigen sich dagegen kaum Verbesserungen – in einigen Fällen sogar Verschlechterungen.
Für die Luftqualität in Städten bedeutet das: E-Fuels lösen das Feinstaub- und Stickoxidproblem nicht, auch wenn sie auf dem Papier CO2-neutral bilanziert werden können. „Keine noch so geschickte Argumentation kann die wissenschaftlichen Fakten über die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen widerlegen“, betont so auch Julia Poliscanova, Senior Director für Fahrzeuge und E-Mobilität T&E. „Solange Kraftstoff in Motoren verbrannt wird, wird es in unseren Städten weiterhin giftige Luft geben. Gesetzgeber, die in den Emissionszielen Schlupflöcher für E-Kraftstoffe lassen, verurteilen die Öffentlichkeit zu weiteren Jahrzehnten vermeidbarer Luftverschmutzung.“
Nichtsdestotrotz sieht Gitta Connemann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Beauftragte der Bundesregierung für den Mittelstand, das Vorhaben als eine Bündelung der Kräfte für „Klimaschutz durch Technologieoffenheit“. Weiter zitiert die BMW Group: „E-Fuels aus grünem eMethanol können einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten – insbesondere dort, wo Elektrifizierung an Grenzen stößt.“
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Lobbyarbeit für den Verbrenner
Hinter BMWs Engagement steht auch ein politisches Interesse. Der Autobauer setzt sich seit Jahren dafür ein, dass synthetische Kraftstoffe im Rahmen der EU-Flottenregulierung berücksichtigt werden. Zwar gilt ab 2035 ein Verkaufsverbot für neue Pkw mit CO2-Emissionen am Auspuff – doch nach intensiver Lobbyarbeit wurde eine Ausnahmeregelung für Fahrzeuge geschaffen, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden können .
BMW fordert laut der aktuellen Mitteilung nun, dass solche Fahrzeuge eine eigene Fahrzeugkategorie erhalten sollen – ein klarer Appell an die Politik, synthetische Kraftstoffe auch über symbolische Erstbefüllungen hinaus in regulatorischen Rahmenwerken anzuerkennen .
„Alle Antriebe können und müssen CO2 reduzieren“, meint etwa Glenn Schmidt, Leiter Nachhaltigkeit der BMW Group. „Neben Elektromobilität spielen effiziente Verbrennungsmotoren mit erneuerbaren Kraftstoffen weiterhin eine wichtige Rolle. […] Mit unserem Plan der Erstbetankung neuer Ottomotoren mit eFuels ab 2028 setzen wir ein weiteres starkes Signal an unsere Kunden.“
Hinweis: Die Aussage, dass alle Antriebe CO2 reduzieren können, ist nur bedingt korrekt. Zwar lassen sich auch Verbrenner mit alternativen Kraftstoffen wie E-Fuels weniger klimaschädlich betreiben, doch gelten batterieelektrische Fahrzeuge derzeit als effizienteste Methode zur CO2-Reduktion im Pkw-Bereich. Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist extrem energieaufwendig und bietet daher nur begrenztes Potenzial für eine breite Emissionsminderung.
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Lufthansa-Chef kritisiert Einsatz im Auto
Scharfe Kritik an die Automobilbranche kam unterdessen aus der Luftfahrt. Lufthansa-Chef Carsten Spohr äußerte sich auf einer Pressekonferenz des europäischen Airlineverbands A4E deutlich gegen den Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr. „E-Fuels sind das Schlimmste“, zitiert ihn Die Zeit unter Berufung auf die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Bei der Nutzung von synthetischem Kraftstoff in einem Pkw verliere man 84 Prozent an Effizienz im Vergleich zu einem batterieelektrischen Fahrzeug. „Und trotzdem wollen manche E-Fuels in Autos füllen“, so Spohr weiter.
Der Airline-Chef forderte, klimafreundliche Kraftstoffe vorrangig in der Luftfahrt einzusetzen, da dort im Gegensatz zum Straßenverkehr nur sehr wenige technologische Alternativen existieren. Für den Klimaschutz sei es insgesamt sinnvoller, die knappen Ressourcen dort zu verwenden, wo eine Elektrifizierung derzeit nicht realistisch umsetzbar sei – etwa bei Langstreckenflügen.
Diese Perspektive teilen auch zahlreiche Fachleute und Umweltverbände. Eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende warnt etwa davor, knappe Mengen synthetischer Kraftstoffe auf den Straßenverkehr zu verteilen, solange in anderen Sektoren – wie der Luftfahrt oder der Schifffahrt – noch keine bezahlbaren Alternativen verfügbar sind. Auch ökonomisch sei der Einsatz in Pkw derzeit weder effizient noch sinnvoll.
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Mehr Symbolik als Revolution
BMWs Plan, Benziner ab Werk mit E-Fuels zu befüllen, ist kein Gamechanger – aber ein strategisches Signal. Er zeigt, dass der Konzern seine Optionen über das batterieelektrische Fahrzeug hinaus offen hält und sich aktiv in die Debatte um klimaneutrale Mobilität einbringt – diese damit jedoch möglicherweise verwässert.
Für Verbraucher*innen wird sich damit 2028 zunächst nichts ändern. Doch politisch sendet der Schritt eine klare Botschaft: Der Verbrenner habe noch eine Zukunft – wenn er synthetisch denkt.
Quellen: BMW Group; DIN Media; „Life-cycle greenhouse gas emissions from passenger cars in the European Union“ (ICCT, 2025); Transport and Environment; Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.; Die Zeit; „E-Fuels zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ (Agora Verkehrswende, 2023)