Trotzdem BSW-Fan? Dieter Dehm verklagt Sahra Wagenknecht

Als Diether Dehm die Möglichkeit erhält, seine Perspektive zu schildern, redet er sich in Rage. „Seit 20 Jahren habe ich alle möglichen Auseinandersetzungen für sie durchgeführt“, sagt der Ex-Bundestagsabgeordnete mit Blick auf seine frühere Weggefährtin Sahra Wagenknecht. Er habe politische Mehrheiten für sie organisiert, sei der „Mann fürs Grobe“ gewesen, wie es medial hieß.

Nun aber fühlt Dehm sich von Wagenknecht diskreditiert – und verklagt sie. Am Mittwoch begann die Verhandlung am Landgericht in Berlin, bei der sich die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anwaltlich vertreten ließ. Ein Prozess, bei dem es um die enge Beziehung des Politikers und der Politikerin und um verletzte Gefühle geht.

#2 Sahra Wagenknecht über den Bruch mit der Linken

Meine schwerste Entscheidung

Diether Dehm gilt als Verschwörungstheoretiker mit Russland-Nähe

Diether Dehm ist Musikproduzent, Liedermacher und Politiker mit SPD-, PDS- und Linken-Vergangenheit. Bei Letzterem gehörte er zum Wagenknecht-Lager. Anfang der 2000er waren beide überdies liiert, wie Dehm am Mittwoch auf Nachfrage bestätigte. „Diether gehört zweifellos zu den Köpfen in unserer Fraktion, von denen immer wieder kreative und interessante Vorschläge kommen“, warb Wagenknecht 2021 für Dehm. Auch wenn er manchmal anecke.

Was sie mit anecken meint? Den ehemaligen Außenminister Heiko Maas (SPD) soll Dehm einen „gut gestylten Nato-Strichjungen“ genannt haben. In russischen Kanälen behauptete er, deutsche Medien würden von US-Geheimdiensten kontrolliert, die Bilder aus Butscha, wo russische Truppen ein Massaker anrichteten, seien gefaked.

„Wer für Frieden mit Russland ist, steht immer links von jemanden, der deutsche Panzer gegen Moskau rollen lässt“, sagte er dieses Jahr in einem Interview mit dem Compact Magazin, das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Dieser Logik nach stehe der Chef des rechtsextremen AfD-Landesverbandes, Björn Höcke, links von den Grünen.

Sahra Wagenknecht über Dehm: „Hat nicht mehr alle Tassen im Schrank“

Mit seinen ausfälligen Aussagen zog Dehm den Unmut der Linken-Parteispitze auf sich. 2022 wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrengt, das scheiterte. Allerdings wurde er offensichtlich auch Wagenknecht zur Last: „Wer Compact Interview gibt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank“, schrieb Sahra Wagenknecht im Februar 2023 auf X, früher Twitter. Damals erschien ein Interview mit Dehm in dem rechtsextremen Medium. Dieses wurde von dem prorussischem Kanal Druschba FM übernommen, wie der Politiker im Gerichtssaal betonte. Er fühlt sich durch Wagenknechts Aussage herabgewürdigt.

Nicht allein deswegen: Der Sänger Tino Eisbrenner – ebenfalls mit guten Kontakten nach Moskau – habe ihm berichtet, dass die BSW-Vorsitzende ihn in seiner Gegenwart als unzurechnungsfähig und geisteskrank bezeichnet habe. Dies sei der Grund dafür, warum Dehm nicht ihrer Partei beitreten dürfe.

Auch interessant

Sahra Wagenknecht: Ehemann, Beruf, BSW – Der Steckbrief

Auch ein anderer Künstler, dessen Name Dehm am Mittwoch nicht nennen wollte, habe ihm erzählt, wie sich Wagenknecht ähnlich abwertend über ihn geredet habe. „Daher darf ich von einer Wiederholungsgefahr ausgehen“, so der Dehm am Mittwoch. Sie solle eine Unterlassungserklärung für derartige Aussagen abgeben, um diesem „Gerüchtenetzwerk ohnegleichen“ ein Ende zu bereiten.

Mit einem zweiten Antrag will Dehm zudem gerichtlich gegen die angebliche Behauptung Wagenknechts vorgehen, er habe einen förmlichen Antrag zum Beitritt ihrer Partei gestellt. Dabei schien genau das im vergangenen Jahr sein Wunsch gewesen zu sein: Als Wagenknecht in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ davon sprach, dass ihr Projekt nicht „von Spinnern“ gekapert werden dürfe, reagierte er empört. In einem Protestbrief an die BSW-Spitze kritisiert Dehm im Namen weitere Genossinnen und Genossen die ihre Aussagen und begehrte Eintritt in die Partei, „die auch ohne uns nie zustande gekommen wäre“.

Auch interessant

BSW gescheitert: Drei Gründe, warum Wagenknecht verloren hat

Richter lässt geringe Erfolgschancen für Klage durchblicken

Markus Kompa, Anwalt von Wagenknecht, der in anderen Rechtsfragen auch für Dehm arbeitet, wie dieser schmunzelnd erklärte, widersprach der Darstellung des Klägers. „Sie hat nie seine Zurechnungsfähigkeit in Abrede gestellt“, sagte er hinsichtlich des ersten Antrags. Der Tweet von Wagenknecht sei eher als politisches Statement zu verstehen. „Das gehört zur politischen Rauferei.“ Weiterhin habe seine Mandantin die von Dehm kritisierten Aussagen gegenüber dem Künstler Eisbrenner nie getätigt.

Auf Antrag von Dehms Anwalt wurde Eisbrenner während des Prozesses von Vorsitzenden Richter Florian Lickleder als Zeugen aufgenommen. Er machte jedoch deutlich, dass die Erfolgschancen der Klage gering seien. Nach Ansicht der Kammer sind Aussagen in vertraulichen Runden nicht justiziabel. Dies treffe auf das Gespräch zwischen Wagenknecht und Eisbrenner zu.

Für den 29. Oktober ist die Urteilsverkündung angesetzt. Selbst wenn er vor dem Landgericht scheitern sollte, will Diether Dehm in die nächste Instanz gehen, wie er nach dem Verhandlungstag ankündigte.

#23 Jan van Aken über Waffen, Viren und das Geheimnis von Heidi Reichinnek

Meine schwerste Entscheidung

Trotz verletzter Gefühle: Dehm schließt Beitritt zum BSW nicht aus

Warum der ganze Aufwand? „Auch verletzte Gefühle können Kriege hervorrufen“, sagte Dehm. Trotz der Kränkungen hat er zur Wahl des BSW aufrufen, würde dies auch wiederholen. „Im Compact-Magazin habe ich einen Beitrag geschrieben, warum man, selbst wenn man die AfD wählen möchte, das BSW wählen sollte.“ Auch er habe seine Stimme der Partei seiner früheren Vertrauten geschenkt.

Auch interessant

Verbot oder Bühne? Wie dem Compact-Magazin der Prozess hilft

Aktuell beabsichtige er nicht, einen Mitgliedsantrag beim BSW zu stellen. „Im Moment habe ich das überhaupt nicht vor“, so Dehm. Allerdings: „Die Geschichte besteht nicht aus geraden Bahnen.“

Related Post

Leave a Comment