Die Bummelei bei der Deutschen Bahn hat ein Ende, jedenfalls wenn es um den grundlegenden Umbau des Vorstandes geht. Seitdem Evelyn Palla Anfang des Monats die Spitzenposition am Staatskonzern eingenommen hat, macht sie kurzen Prozess: Nach Bahnchef Richard Lutz müssen in den kommenden Wochen drei weitere Vorstände ihren Hut nehmen, zwei neue Manager kommen hinzu – darunter die Hornbach-Managerin Karin Dohm als künftige Finanzvorständin. Die Führungsetage schrumpft von acht Vorständen auf künftig sechs. Dazu müssen gerade eine noch ungenannte Zahl von Führungskräften den Konzern verlassen, oder sie werden freigestellt. Schon aus arbeitsrechtlichen Gründen wird deshalb der böse Verdacht frustrierter Bahnkunden Realität: Hochbezahlte Manager bekommen Geld fürs Nichtstun.
Der jüngste Abgang betrifft Sigrid Nikutta, Chefin der kriselnden Güterverkehrssparte DB Cargo. Dass ihr die neue Bahnchefin den Laufpass erteilt hat, wurde am Mittwoch bekannt. Zuvor hatte die Eisenbahnergewerkschaft EVG schon lautstark ihren Rücktritt gefordert, dann fand eine „kritische Würdigung“ ihrer Sanierungsbemühungen auf sieben Seiten den Weg in die Öffentlichkeit.
Zwei Vorstandsposten entfallen ganz
Die beiden Bahnvorstände Berthold Huber und Daniela Gerd tom Markotten wissen dagegen schon länger, dass ihre Dienste nicht mehr gebraucht werden. Mit der ehemaligen Daimler-Managerin verschwindet der Bereich Digitalisierung und Technik als eigenständiges Ressort im Vorstand – in einer Zeit, in der Milliarden in die Digitalisierung des Schienennetzes und der Fahrzeuge fließen sollen. Der Posten von Huber als Infrastrukturvorstand war besonders den Wettbewerbern der Deutschen Bahn schon länger ein Dorn im Auge, war er doch ihrer Ansicht nach das eindrücklichste Zeichen dafür, wie eng der Zugbetrieb und das Schienennetz im integrierten Konzern verwoben sind.
Sie pochen darauf, dass das Schienennetz eigenständig verwaltet wird, zumal dies nun in der neu geschaffenen, gemeinwohlorientierten Tochtergesellschaft DB InfraGo geschieht, schließlich sind vom Zustand des Netzes alle gleichermaßen betroffen. Fällt der Vorstandsposten für die Infrastruktur weg, wird ein anderer Posten umso wichtiger: Der Chefposten in der DB-InfraGo. Um diesen hatte es schon kurz nach der Berufung von Evelyn Palla einen Machtkampf sondergleichen gegeben.
Die Koalition will umbauen – gelingt das auch?
Der Umbau ist Pallas Auftrag, festgelegt von der CDU-geführten Bundesregierung, orchestriert vom einflussreichen Aufsichtsratschef Werner Gatzer und unter Mithilfe der EVG, beide fest verankert in der SPD. Schon im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD findet sich der Passus, dass Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns umgebaut werden sollen, auch der fachlichen Expertise soll größerer Raum verschafft werden.
Ob dies gelingt, muss sich erst noch zeigen, denn schon seit Monaten zeichnet sich eine besondere Arbeitsteilung für die Umsetzung dieses Kompromisses ab: Während die CDU vor allem in Gestalt von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder einen stärkeren Neuanfang durchsetzen möchte, weiß der kleinere Koalitionspartner geschickt allzu schmerzhafte Einschnitte zu verhindern – oder sie zumindest in genehme Bahnen zu lenken. Das zeigte sich schon beim öffentlichkeitswirksamen Rausschmiss von Richard Lutz, mit dem die schwarz-rote Bundesregierung nach den eher holprigen ersten einhundert Tagen am 14. August Durchsetzungsstärke demonstrieren wollte gegenüber einem als renitent wahrgenommenen Staatskonzern.
Mit Pallas schienen erst alle zufrieden
Ein radikaler Neuanfang sollte her, deshalb wurde eine Personalberatungsfirma mit der Nachfolge beauftragt, die allerdings keinen geeigneten externen Kandidaten hervorbrachte. Zumindest keinen, der sich in Verbindung mit einer unterdurchschnittlichen Bezahlung und einem überdurchschnittlich komplizierten Eigentümer auf das Abenteuer Bahn einlassen wollte. So blieb mit der DB-Regio-Chefin Palla eine gute interne Kandidatin, auf die sich alle auch mit weniger Brimborium früher hätten einigen können. Immerhin: Eigentümer, Aufsichtsrat, Gewerkschaften – alle waren zufrieden.
Doch der Burgfrieden hielt nur wenige Stunden. Es war der 22. September, der Tag von Pallas Berufung, als die EVG und ihr einflussreicher Vorsitzender Martin Burkert zum Sturm auf das Bundesverkehrsministerium bliesen. Denn anders als bei Palla hatte Schnieder in einer anderen Angelegenheit versucht, seinen Kopf als Eigentümer durchzusetzen. Wenigstens für die DB-InfraGo schwebte ihm ein externer Kandidat vor, den er enger an die Kandare nehmen kann als Philipp Nagl, der seit dem Jahr 2022 den Vorstandsposten bekleidet. Den ehemaligen Bahnmanager Dirk Rompf wollte Schnieder an der Spitze der wichtigen Tochtergesellschaft quasi im Alleingang installieren – und hatte dabei den Widerstand aus dem SPD-Lager unterschätzt.
Während sich die Bahnwettbewerber noch anerkennend über die Wahl von Rompf äußerten, waren seine letzten Stunden als Vorstandskandidat schon längst gezählt. Nach seinem Rückzug bleibt also auch an der Spitze der DB-InfraGo bisher alles, wie es war. Was aus Sicht der Gewerkschaften nichts Schlechtes bedeuten muss. Burkert ist mit der Zusammenarbeit jedenfalls hoch zufrieden. Im Gespräch mit der F.A.Z. lobt er Pallas Nervenstärke und Durchsetzungskraft.
Nikuttas Vorgehen stieß auf Widerstand
Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch die jüngste Personalie, die für Aufsehen sorgte. Nikutta stand schon länger unter besonderer Beobachtung, hat sie doch den härtesten Job von allen. Schon seit ihrer Gründung im Jahr 1998 ist die Güterverkehrssparte das Sorgenkind des Staatskonzerns. Die Tochtergesellschaft, die eine zentrale Rolle beim Transport von Militärgütern spielt, steckt tief in den roten Zahlen. Gleichzeitig liefert sie sich mit den privaten Güterbahnen einen harten Wettbewerb. Eine unübersichtliche Firmenstruktur, mächtige Betriebsräte, inkompetente Führungskräfte – diese Melange bestimmte über Jahrzehnte die Geschicke des Unternehmens.
Dass der Konzern über Jahre hinweg die schlechten Zahlen ausgleichen musste, rief sogar die EU-Kommission auf den Plan; sie witterte beim Staatskonzern eine verdeckte Beihilfe. Im vergangenen Herbst wurde das Verfahren gütlich beigelegt. Doch nun muss die Sparte auf Profit getrimmt werden. Nikutta hat das Unternehmen umstrukturiert und schon Tausende Stellen abgebaut. Das stößt erwartungsgemäß auf Widerstand, kurioserweise aus unterschiedlichen Richtungen.
Der EVG geht die Managerin entschieden zu weit, der Unternehmensberatung Oliver Wymann in ihrer „kritischen Würdigung“ nicht weit genug. Die Lehre: Entgegengesetzte Argumentationen können zum gleichen Ergebnis führen; Nikutta jedenfalls ist ihren Job bald los. Damit erhöht sich die Zahl der Manager im erzwungenen Vorruhestand auf vier, die Abfindungen könnten sich auf insgesamt mehr als sechs Millionen Euro summieren. Gleichzeitig freut sich die EVG über viele neue Mitglieder. Schon jetzt liegt die Zahl der Neuanträge bei mehr als 11.100.
