Große Pläne
„Unfassbar, was wir hier erleben“: Drohnenpionier will nach Wegzug richtig durchstarten
Vor allem der Markt für medizinische Transporte entwickelt sich rasant – neue Verträge bringen dem Unternehmen weiteres Wachstum.
Lüdenscheid/Dortmund – Alle Systeme stehen auf „Go!“. 44 Kilometer vom alten Standort Wefelshohler Straße entfernt hat die ehemals Lüdenscheider Firma Morpheus Logistik im Dortmunder Hochglanz-Gewerbeviertel Phoenix West Quartier bezogen – und schickt sich an, den europäischen Luftraum zu erobern. Drohnen-Spezialist Norman Koerschulte gibt sich keine Mühe, seine euphorische Aufbruchstimmung zu verbergen. „Es ist einfach unfassbar, was für eine Wachstumsstory wir hier erleben.“
Nach den Anfängen im Wefelshohl mit einer Betriebsfläche von knapp 50 Quadratmetern und dem ersten Testflug einer kleinen Drohne am 1. November 2020 hat sich das junge Unternehmen rasant entwickelt – und ist längst noch nicht dort, wo Firmengründer Koerschulte hin will. Im weitläufigen Gebäudekomplex des IT-Dienstleisters Materna hat Morpheus zunächst 600 Quadratmeter angemietet, modernste Ausstattung, fünfte Etage, Blick aufs Westfalenstadion. Norman Koerschulte lacht. „Wunderbar für mein schwarz-gelbes Herz.“
Drohnenpionier möchte nach Wegzug richtig durchstarten
Drei fest angestellte Mitarbeiter waren es im Januar in Lüdenscheid, aktuell sind es 31 – Tendenz weiter steigend. Vermieter Materna hat der Morpheus Logistik für Sommer 2026 weitere 1000 Quadratmeter auf derselben Etage reserviert, direkt nebenan. Laut Business-Plan, erklärt der Firmengründer, werden Ende dieses Jahres 50 Leute für ihn arbeiten, Ende nächsten Jahres sollen es rund 250 sein. „Das ist ein Riesenthema vor allem für junge Leute. Wir bekommen pro Woche 20 bis 30 Initiativbewerbungen.“ Allein die letzte Veröffentlichung eines Posts auf der vor allem von jungen Menschen genutzten TikTok-Plattform sei 170 000mal angeklickt worden und habe 15 000 Likes erhalten.
Die Entwicklung der Auftragslage ist für Koerschulte und sein Team Anlass für optimistische Prognosen. Neben Frachten für Industriebetriebe ist der Transport von medizinischen Materialien, etwa zwischen Laboren und Krankenhäusern, der am stärksten wachsende Markt für die Morpheus Logistik. Norman Koerschulte: „Allein im ersten Quartal des Jahres haben wir Verträge mit einem Volumen von rund 500 000 Euro hereingeholt.“

Besonders Unternehmen der Gesundheitsbranche haben demnach inzwischen bundesweit für sich entdeckt, dass es effektiver und nachhaltiger ist, ihre Frachten auf dem Luftweg transportieren zu lassen, als Taxi-Dienste zu beauftragen, deren Fahrer vor allem in Großstädten oder in „Stau-Städten“ wie Lüdenscheid herumkurven. „Wir bauen regelrechte Busfahrpläne für unsere Kunden“, sagt der Firmengründer – „egal, ob Lieferungen stündlich oder halbstündlich nötig sind oder ob ein Labor 15 000 Proben am Tag bekommt oder 150“. Eine europäische Genehmigung soll die Morpheus-Dienstleistung künftig auch im Ausland verfügbar machen. Warum nicht in Lyon oder in Barcelona? Norman Koerschulte: „Wir sind schon jetzt Europas führende Drohnen-Airline.“
Dass das Wachstum seiner Firma ungebremst anhalten wird, daran zweifelt der Lüdenscheider Unternehmer keine Sekunde. „Es gibt so viele junge Leute, die dabei sein wollen, wenn Luftfahrtgeschichte geschrieben wird.“ Das brandneue Arbeitsfeld eines Drohnenpiloten lockt die Bewerber an. Nötig ist der Erwerb des kleinen und großen Drohnenführerscheins beim Luftfahrtbundesamt – „schneller und billiger zu machen als ein Autoführerschein“, wie der Chef sagt.
„Viel verschlafen“
Norman Koerschulte spricht über jedes Thema, wenn es für sein Unternehmen in die Zukunft weist. Über die Gründe, warum er seinen Firmensitz nach Dortmund verlegt hat, sagt er nur einen Satz: „Lüdenscheid hat viel verschlafen.“ Auch zur Bedrohung durch Drohnen über Flughäfen hält sich der Unternehmer bedeckt. „Wir fliegen nur im zivilen Bereich, wir befördern ausschließlich Fracht.“
Dazu gebe es Möglichkeiten für Ingenieure oder Luft- und Raumfahrtstudenten. Eigene Forschungsprojekte sollen klären, wie Künstliche Intelligenz im Drohnenverkehr eingesetzt werden kann, wie Drohnen auf Schiffen oder Lastwagen landen oder für welche Aufträge kleine Zeppeline entwickelt und gebaut werden könnten. Inzwischen sei auch die Fachhochschule Südwestfalen mit an Bord. Entscheidend ist, so Koerschulte, was die Kunden wünschen. Da lohne sich jede Investition. Ein neuartiger sogenannter Octocopter kostet derzeit um 60 000 Euro. Für den Transport größerer Lasten sollen im nächsten Jahr Drohnen für 120 000 Euro pro Stück angeschafft werden.

Die Begeisterung vor allem junger Leute für das Morpheus-Geschäft wird auch in Lüdenscheid greifbar. Koerschultes Kontakte zum Zeppelin-Gymnasium machen‘s möglich. Im November besuchen 70 Schülerinnen und Schüler die neue Firmenzentrale in Dortmund.
