Urlaub statt Gehalt: Was Beschäftigte wirklich glücklich macht
Eine US-Studie hat untersucht, wie Mitarbeiter auf zusätzliche freie Tage im Vergleich zu Geldprämien reagieren. Das Ergebnis überrascht.
Mehr Geld oder mehr Urlaub – für viele Menschen in Deutschland ist das eine wichtige Frage, wenn es um die Wahl des Arbeitsplatzes geht. Laut einer Xing-Umfrage möchten 49 Prozent der Deutschen ihre Arbeitszeit reduzieren – obwohl diese schon mit 34,4 Stunden pro Woche unter dem europäischen Durchschnitt liegt.
Auch eine Studie der Unternehmensberatung PwC kommt zu dem Ergebnis: 37 Prozent der Befragten hätten lieber eine Woche mehr Urlaub, und sie würden dafür sogar auf einen Teil ihres Gehalts verzichten.
Dass mehr Urlaub die Zufriedenheit der Mitarbeiter fördern und sie auch mehr an das Unternehmen binden würde, hat jetzt eine Studie in den USA festgestellt. Die Forscher von der University of Missouri-St. Louis und der UCLA Anderson kamen zu dem Ergebnis: Wer von seinem Arbeitgeber zusätzliche freie Tage statt einer Geldprämie bekommt, empfindet sich stärker als vollständige Person wahrgenommen.
Die Wissenschaftler analysierten, ob zeitbasierte Anreize im Vergleich zu finanziellen Zuwendungen einen Unterschied machen – das Resultat fiel klar zugunsten der Auszeit aus. Die Studie wurde im Journal of Managerial Psychology veröffentlicht.
Drei Untersuchungen zeigen Effekt von Auszeiten
Die Forschenden realisierten drei Untersuchungen mit mehr als 2.200 Teilnehmern. In der ersten Erhebung wandten sie sich an 1.507 Vollzeitangestellte unterschiedlicher Branchen. Diese sollten entweder an eine erhaltene Auszeit oder an einen Geldbonus zurückdenken und schildern, wie sie damit umgegangen waren.
Der Befund: Personen, die an ihre freien Tage dachten, beschrieben ein wesentlich ausgeprägteres Empfinden von Menschsein als jene, die sich an finanzielle Zuwendungen erinnerten.
In ihren Schilderungen tauchten Worte wie “gefühlvoll”, “herzlich” und “bereichernd” auf – während die andere Gruppe eher Begriffe wie “mechanisch” und “flach” verwendete. Diese Beobachtung galt unabhängig von Tätigkeit und Verdienst.
Die Forscher verstehen unter “menschlicher fühlen”, dass Angestellte sich mit ihren Gefühlen, Überlegungen, sozialen Kontakten und einem Wert jenseits reiner Leistungserbringung am Arbeitsort respektiert fühlen.
Abgrenzung zwischen Beruf und Privatsphäre entscheidend
In der zweiten Erhebung mit 499 Beteiligten sollten sich die Befragten in die Lage eines Marketingberaters versetzen. Als Anerkennung könnten sie entweder zusätzliches Gehalt für eine Woche oder eine weitere Urlaubswoche wählen.
Personen, denen man die Option der Auszeit präsentierte, nahmen eine klarere Abgrenzung zwischen Beruflichem und Privatem wahr als die Vergleichsgruppe mit Geldzuwendung.
Die dritte Erhebung mit 200 Personen lieferte den ursächlichen Nachweis. Die Befragten sollten sich vorstellen, während ihrer Auszeit Smartphone-Mitteilungen zu bekommen. Eine Gruppe erhielt Nachrichten von Mutter und Bekannten, die andere von Mutter und Vorgesetztem. Jene ohne berufliche Störung empfanden ein merklich stärkeres Gefühl vollständigen Menschseins.
Verbindung zu Zufriedenheit und Mitarbeiterbindung
Die Wissenschaftler ermittelten, dass ein höheres Empfinden von Menschlichkeit eng mit zu erwartenden Verbesserungen bei Arbeitszufriedenheit, stärkerem Einsatz und geringerer Personalfluktuation zusammenhing, heißt es in der UCLA Anderson Review.
Lee-Yoon und DeVoe schreiben, dass Betriebe, die das Wohlergehen der Mitarbeiter fördern und menschliche Aspekte im Arbeitsumfeld stärken wollen, von der Einbindung zeitbasierter Anreize in ihre Vergütungsstrukturen profitieren könnten.
Auszeiten als Anerkennung ließen ein Unternehmen als tatsächlich fürsorglich erscheinen. Finanzielle Prämien würden hingegen häufig als rein geschäftliche Transaktion verstanden.
US-Beschäftigte schöpfen Urlaubsansprüche nicht aus
Die Untersuchung berücksichtigt allerdings nicht eine Besonderheit amerikanischer Arbeitnehmer: Zahlreiche nehmen ihre zustehenden freien Tage nicht vollständig wahr.
Im Jahr 2023 ließen 62 Prozent der vom Fintech-Unternehmen Sorbet befragten Angestellten einen Teil ihres Urlaubs verfallen. Tatsächlich nutzten diese Beschäftigten lediglich 67 Prozent ihrer zustehenden Erholungstage.
Circa 55 Prozent berichteten, von ihren Führungskräften gedrängt zu werden, auf ihre Auszeit zu verzichten. Viele kehren nach freien Tagen zu aufgestauten Arbeitsaufgaben zurück.
Unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen
In den Vereinigten Staaten existiert keine gesetzliche Verpflichtung für bezahlte Auszeit. Laut Bureau of Labor Statistics liegt der durchschnittliche Anspruch bei etwa zehn Tagen nach einem Beschäftigungsjahr, 15 Tagen nach fünf Jahren und ungefähr 20 Tagen nach zwei Jahrzehnten. Zusammen mit Feiertagen erreichen Vollzeitangestellte 15 bis 30 bezahlte arbeitsfreie Tage pro Jahr.
In Deutschland garantiert das Bundesurlaubsgesetz minimal 24 Urlaubstage bei einer Sechstagewoche, also: vier Wochen. Bei einer Fünftagewoche ergibt sich daraus ein Urlaubsanspruch von 20 Tagen.
Praktisch gewähren die meisten Betriebe jedoch 25 bis 30 Tage jährlich, im Schnitt etwa 28 Tage, wie es beim Statistischen Bundesamt heißt. Hinzu kommen je nach Bundesland neun bis dreizehn gesetzliche Feiertage, wodurch sich die Gesamtzahl bezahlter arbeitsfreier Tage auf mehr als 35 erhöht.
Ob sich die US-Erkenntnisse deshalb auch auf Deutschland übertragen lassen, bleibt ungeklärt. Die rechtlichen Bedingungen und üblichen Urlaubsmengen weichen stark voneinander ab.
