USA gegen China: Der Kampf der Giganten

Außenpolitik

USA gegen China: Der Kampf der Giganten

Beim Gipfeltreffen in Südkorea treffen Xi Jinping und Donald Trump aufeinander – Experten erwarten keine rasche Lösung im Handelskrieg.

In nur wenigen Tagen wird Xi Jinping in Südkorea erwartet, doch wirklich willkommen ist der chinesische Staatschef dort nicht. „Wir sind besorgt, dass China langsam in unser Land eindringen und uns kommunistisch machen könnte“, sagt die 68-jährige Frau Cho. Gemeinsam mit rund 1000 weiteren Demonstranten ist die Südkoreanerin am Samstagabend ins Itaewon-Viertel in Seoul gezogen, um gegen Chinas wachsenden Einfluss zu protestieren. „Die Kommunistische Partei hat riesige Ambitionen, die Welt zu regieren. Ich möchte in Freiheit leben und unsere Demokratie schützen“, sagt eine weitere Demonstrantin.

In gut einer Woche wird Südkoreas Präsident Lee Jae Myung trotz aller Proteste den roten Teppich für Chinas Parteivorsitzenden ausrollen. Xi wird beim Gipfeltreffen der Asiatisch-pazifischen Zusammenarbeit in Gyeongju erwartet. Das alljährliche Treffen des losen Staatenbunds ist allerdings nur Nebenschauplatz, der wahre Showdown dürfte bereits einen Tag zuvor stattfinden: Am 30. Oktober wird der 72-jährige Xi voraussichtlich auf US-Präsident Donald Trump treffen. Und die ganze Welt wird gebannt darauf schauen, wenn die beiden Staatschefs im Handelskrieg zwischen den zwei führenden Weltmächten eine neue Runde einläuten: Steht nun möglicherweise eine Feuerpause bevor? Oder dreht sich die Eskalationsspirale nur weiter?

Während der vergangenen zwei Wochen ließen beide Staaten noch keine Einsicht erkennen. Chinas Handelsministerium kündigte – für viele Beobachter überraschend – praktisch ein Ausfuhrverbot für seltene Erden an, das höchstwahrscheinlich sämtliche westlichen Staaten empfindlich treffen dürfte. Trump drohte daraufhin mit einer Erhöhung der Strafzölle auf chinesische Importe um weitere 100 Prozent, ehe er seine Aussagen wieder etwas relativierte. Gleichzeitig erhoben beide Seiten hohe Hafengebühren für die Schiffe des jeweils anderen Landes.

Es geht um Einschüchterung

„Peking hat möglicherweise zu hoch gepokert. Was China als Druckmittel beabsichtigt hat, wurde von Trump als Verrat empfunden“, kommentiert Craig Singleton von der Stanford-Universität das beispiellose Ausfuhrverbot von seltenen Erden. Jetzt erwartet der China-Experte, dass die Zollpause zwischen den beiden Staaten endgültig brechen könnte.

Doch es gibt auch andere Lesarten. Gideon Rachman etwa, Chefkommentator der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“, vergleicht die derzeitige Situation mit dem gegenseitigen Aufplustern zweier Boxer vor einem Meisterschaftskampf. Beide Seiten möchten ihren Gegner zwar einschüchtern, aber vor allem geht es um eine Showeinlage. Washington und Peking tun ihr Bestes, um mit starker Position in die Verhandlung zu gehen. Und dennoch: Kaum ein Beobachter erwartet von dem Treffen in Südkorea einen großen, nachhaltigen Deal, der den Handelskrieg endgültig beilegen würde.

Wer sich unter chinesischen Experten umhört, der bekommt immerhin den Eindruck, dass die Volksrepublik keineswegs eine vollständige Eskalation sucht. Laut Da Wei, Leiter des Zentrums für Internationale Sicherheit und Strategie an Pekings renommierter Tsinghua-Universität, sei die chinesische Staatsführung an einem erfolgreichen Gipfeltreffen interessiert: Dieses würde „die bilateralen Beziehungen stabilisieren und ist daher äußerst wünschenswert“, sagt der chinesische Politikwissenschaftler. In den offiziellen Stellungnahmen des Handelsministeriums klingt die Rhetorik noch deutlich schroffer. „Wenn die USA Konfrontation wählen, werden wir bis zum Ende kämpfen; wenn sie Dialog wählen, bleibt unsere Tür offen“, lautet der mantraartig wiederholte Slogan.

Tatsächlich hat die chinesische Seite bisher auf jeden Schritt des US-Präsidenten mindestens ebenbürtig reagiert. Trump hingegen ist bereits mehrfach eingeknickt – und hat dadurch Schwäche gezeigt. Nachdem er vergangenes Wochenende seine jüngste Zolloffensive gegen Peking angekündigt hatte, ruderte er keine 48 Stunden wieder zurück: „Machen Sie sich keine Sorgen um China, alles wird gut!“, postete der 79-Jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social – gerade noch rechtzeitig vor der Eröffnungsglocke an der Wall Street, um die verunsicherten Investoren zu beruhigen. Mehr als sieben Jahre nach dem Beginn des US-chinesischen Handelskriegs lässt sich der Konflikt nur verstehen, wer auch dessen Anfänge kennt.

Der Konflikt begann schon mit Obama

Tatsächlich begann der jetzige Konfrontationskurs keineswegs mit Trump. Bereits Barack Obama hat mit seinem „strategischen Schwenk“ nach Asien deutlich gemacht, dass die USA ihre langfristig größte Bedrohung im Reich der Mitte sehen. Damals herrschte längst großer Unmut darüber, dass sich die Hoffnungen gegenüber der Volksrepublik nicht erfüllt hatten: Zu Beginn der Nullerjahre unterstützte Washington noch dezidiert Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation – um einerseits einen riesigen Markt zu erschließen und andererseits das kommunistische Land stärker in die internationale Ordnung einzubinden.

Doch diese Großzügigkeit der US-Regierung, so sieht man es in den USA, hätten die Chinesen eiskalt ausgenutzt: Systematisch haben Staatsbetriebe geistiges Eigentum westlicher Unternehmen angezapft, ebenso flächendeckend hat der chinesische Staatskapitalismus mit exzessiven Subventionen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen. Als Trump also während seiner ersten Amtszeit 2018 den Handelskrieg mit 25-prozentigen Strafzöllen vom Zaun brach, wurde sein Vorgehen über die eigenen Parteigrenzen hinweg unterstützt. Sein Nachfolger Joe Biden hat Trumps Wirtschaftspolitik in dieser Richtung noch weiter verschärft – vor allem, indem er die Volksrepublik zunehmend von führender US-Technik abschnitt.

Ob die Strategie der Amerikaner wirksam ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die US-amerikanische China-Expertin Jessica Chen-Weiss verglich den Systemstreit der zwei Weltmächte einst mit einem Wettrennen, das man auf zwei Arten gewinnen könne. Entweder man bemühe sich, selbst schneller zu sein. Oder man setze alle Anstrengungen darin, seinen Wettbewerber auszubremsen. Washington hat sich eindeutig für den letzteren Weg entschieden. Doch die Resultate dieser Strategie fallen eher gemischt aus. „Ironischerweise zwingt die Politik der Trump-Regierung China dazu, genau das Richtige zu tun“, meint Politikwissenschaftler Da.

Das beste Beispiel für Das These ist Deepseek. Zu Beginn des Jahres veröffentlichte ein kleines, junges Unternehmen aus dem ostchinesischen Hangzhou eine Software mit Künstlicher Intelligenz, die dem bisherigen Platzhirsch ChatGPT ebenbürtig erschien – und zwar für einen Bruchteil der Kosten und ohne Zugang zu den führenden Computerchips des Westens. Etliche Beobachter sprachen damals von einer Art „Sputnik-Moment“, der sich Jahrzehnte nach dem Fall der Sowjetunion erneut wiederhole. Die USA müssten eingestehen, dass ihre technische Führungsrolle vorbei sei. Zuvor war der Versuch gescheitert, den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei kleinzukriegen. Nur wenige Jahre, nachdem die US-Regierung das chinesische Unternehmen mit harten Sanktionen belegt hatte, ist es wie Phönix aus der Asche wieder emporgestiegen. Heute ist Huawei erfolgreicher als je zuvor – mit Smartphones, Mobilfunkantennen und anderer Netzwerktechnik sowie zuletzt auch Elektroautos.

Was die USA nicht beachtet haben: Je stärker sie Druck auf China ausüben, desto stärker zwingen sie die Volkswirtschaft gleichzeitig, autarker, innovativer und effizienter zu werden. Zudem löst die als feindlich empfundene China-Politik der USA eine ungemeine Resilienz beim breiten Volk aus. Nicht umsonst wird Trump von chinesischen Internetnutzern ironisch mit dem Wort „Jianguo“ versehen. Das bedeutet so viel wie „Trump, der die Nation China aufbaut“. Und tatsächlich hat der 79-Jährige geschafft, was dem chinesischen Staatschef mit all seinen Propagandakampagnen zuvor nie gelungen ist: die USA zu entzaubern und das eigene Volk gegen den Westen zu einen. Seither diversifiziert sich die chinesische Volkswirtschaft in rasantem Tempo. Auch wenn China die USA als konsumstarken Absatzmarkt bisher nicht vollständig ersetzen kann, orientieren sich die Exporteure des Lands bereits zunehmend hin zu anderen Weltregionen.

Und bei den gegenseitigen Abhängigkeiten haben die Chinesen derzeit ebenfalls die Nase vorn: Bei der Verarbeitung seltener Erden verfügt China noch für ein paar Jahre über ein Quasi-Monopol. Der Rest der Welt ist ebenfalls auf jene chemischen Vorprodukte angewiesen, die man unter anderem für Medikamente oder die Batterien von E-Autos benötigt. Über Jahre hinweg hat Xi dem Westen strategische Fallen gestellt. Nun sind sie zugeschnappt. Dennoch ist die Stärke Chinas auch zu einem gewissen Teil nur eine Propagandafassade. Selbst die beeindruckenden technischen Errungenschaften und die robusten Exportzahlen der Schwerindustrie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Volkswirtschaft des Lands im Inneren stottert: Jeder fünfte junge Chinese in den Städten ist arbeitslos, auf dem Land dürfte die Dunkelziffer noch deutlich höher liegen. Eine anhaltende Immobilienkrise hat die Vermögen der Privathaushalte in den vergangenen Jahren empfindlich geschröpft. Und noch immer gibt es mehrere Hundert Millionen Menschen in China, die ohne nennenswerte Ersparnisse von der Hand in den Mund leben.

Frau Cho, die in der Seouler Innenstadt gegen den Einfluss Chinas demonstriert, blickt auf den Wettstreit der Weltmächte mit Sorge: „Ich möchte, dass Koreas Verbündeter die Vereinigen Staaten bleiben.“

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