Vertikale Photovoltaikanlage bringt Solarstrom auf den Acker

Energiewende

Vertikale Photovoltaikanlage bringt Solarstrom auf den Acker

In Dörverden startet ein Pilotprojekt, das Landwirtschaft und Solarmodule kombiniert. Die Anlage liefert Erkenntnisse für nachhaltige Agrarenergie.

„Achtung, hier bitte nicht durchlaufen“, sagt Projektkoordinator Corbinian Schöfinius zu den zahlreichen Gästen. Hier auf dem Acker sei der Winterweizen gerade frisch eingesät. Und klar, dass der nicht gleich von unzähligen Gummistiefeln zertrampelt werden soll, egal, ob die dazugehörigen Füße nun zu wichtigen Politikern gehören oder nicht.

Nicht nur das Wintergetreide ist hier bei Dörverden-Stedorf eingesät, auch die Photovoltaik-Module sind installiert und im nächsten Sommer wird Getreide und Strom vom selben Acker geerntet. Die Klimaschutz- und Energieagentur Landkreis Verden („kleVer“) hat hier zusammen mit der Regional- und Energiegenossenschaft Aller-Leine-Weser auf einer Ackerfläche von einem Hektar die erste vertikale PV-Anlage in Niedersachsen mit einer Leistung von 170 kW errichten lassen. Mit der Anlage sollen Praxiserfahrungen gesammelt werden. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich am Mittwoch gemeinsam mit Projektbeteiligten, Planern, Installateuren und Forschungsinstituten vor Ort ein Bild davon gemacht.

Die Module stehen senkrecht auf dem Feld, nehmen kaum Platz weg, unter ihnen wachsen Klee und Wildblumen, in den Flächen dazwischen wird der Westener Lohmanns Hof in den kommenden fünf Jahren Lebensmittel anbauen: Winterweizen, Sellerie, Zwischenfrucht, wieder Getreide, zuletzt Grünkohl.

Bei seinem Besuch betont der Minister, welch hohen Stellenwert er dem Forschungsprojekt beimisst: „Die Klimakrise verschärft sich. Wir wollen keine Kurswende“, sagt er. Man müsse weiterhin vermehrt auf erneuerbare Energien setzen – aber möglichst flächenschonend. „Daher setzen wir bei Photovoltaik insbesondere auf Gebäude und versiegelte Flächen wie Parkplätze.“ Wenn man schon auf den Acker gehe, sollten PV-Anlagen eine landwirtschaftliche Nutzung weiter ermöglichen. „Hier in Dörverden können wir damit Erfahrungen sammeln. Deshalb unterstützt das Umweltministerium das Vorhaben mit fast 400 000 Euro.“

Insbesondere klären wir mit diesem Pilotprojekt, wie sich die Verschattung auf den Acker- und Gemüsebau, aber auch auf die Module auswirkt. 

Projektkoordinator Corbinian Schöfinius

Insgesamt sind fast 400 sogenannte „bi-faciale“ Module in senkrechter Bauweise aufgestellt. Diese können auf beiden Seiten Licht und Strahlung aufnehmen und werden in Ost-West-Ausrichtung montiert. Sie speisen den Strom ins Avacon-Netz ein. Die Modulreihen haben einen Abstand von 13 Metern, was den landwirtschaftlichen Anbau zwischen ihnen ermöglicht. Der Einsatz von GPS-unterstützten Landmaschinen erlaubt eine präzise Bewirtschaftung. Durch eine angrenzende Referenzackerfläche soll ermittelt werden, ob der Ertrag durch die Module vermindert wird. Das finanzielle Volumen des Vorhabens beträgt rund 510 000 Euro für den Anlagenbau und die Begleitforschung. Außer durch das Umweltministerium wird das Projekt auch durch Leader-Mittel unterstützt.

Professorin Miriam Athmann, Fachgebiet ökologischer Land- und Pflanzenbau der Universität Kassel, und Dr. Marc Köntges von der Forschungsgruppe Photovoltaik-Zuverlässigkeit des Instituts für Solarenergieforschung Hameln, haben vor, in Dörverden viele Fragestellungen zu bearbeiten. Auch Projektkoordinator Corbinian Schöfinius weiß, dass noch einiges beantwortet werden muss, bis diese kombinierte Art der Ackernutzung flächendeckend in Deutschland zum Einsatz kommen kann: „Insbesondere klären wir mit diesem Pilotprojekt, wie sich die Verschattung auf den Acker- und Gemüsebau, aber auch auf die Module auswirkt. Auch die Fragen nach einer möglichen Beregnung in Trockenphasen oder nach Insekten, die sich in den Modulstreifen ansiedeln, müssen geklärt werden.“ Damit valide Ergebnisse herauskommen, ist das Projekt bis mindestens 2029 angelegt.

Gerne würde der Umweltminister dann wieder nach Dörverden kommen, um die Ergebnisse zu besprechen und diese – hoffentlich – zu feiern. „Vielleicht essen wir dann alle gemeinsam Solar-Grünkohl“, sagt er.

Related Post

Leave a Comment