Volkswagen verhandelt wegen Nexperia-Krise mit alternativen Chip-Lieferanten

Die Lieferschwierigkeiten um den niederländischen Chiphersteller Nexperia bedrohen auch die deutsche Autoindustrie. Bei der schwierigen Suche nach Alternativen war Volkswagen nun offenbar erfolgreich.

Der Automobilhersteller Volkswagen hofft, drohende Kurzarbeit in den Werken der Marke VW wegen Chipmangels noch verhindern zu können. „Wir haben einen alternativen Lieferanten, der den Lieferausfall der Nexperia-Halbleiter ausgleichen könnte“, sagte VW-Markenproduktionsvorstand Christian Vollmer (56) am Donnerstag dem „Handelsblatt“. Derzeit werde mit einem Unternehmen, dessen Namen Vollmer auf Nachfrage nicht nennen wollte, verhandelt.

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Nexperia ist nach Unternehmensangaben kein direkter Lieferant des Volkswagen-Konzerns. „Allerdings werden einige Nexperia-Bauteile in unseren Fahrzeug-Komponenten verwendet, mit denen uns unsere direkten Lieferanten versorgen“, wie VW am Dienstag mitteilte. Internen VW-Angaben zufolge entfallen rund 40 Prozent des weltweiten Angebots an Standardchips für die Automobilindustrie auf Nexperia.

Missmanagement soll zur Übernahme geführt haben

Nexperia ist der weltgrößte Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren und hat derzeit Lieferschwierigkeiten. Hintergrund ist die vor Kurzem erfolgte Übernahme durch die niederländische Regierung, die damit den Transfer wichtiger Technologien nach China verhindern will. Nexperia gehört zum chinesischen Konzern Wingtech.

Peking belegte die Nexperia-Produkte daraufhin mit einem Exportstopp. Nexperia-Halbleiter werden zwar auch in Europa produziert, laut „Handelsblatt“ zur Verpackung und Weiterverarbeitung jedoch nach China verschickt.

Niederlandes Ministerpräsident Dick Schoof (68) betonte allerdings am Donnerstag, Missmanagement in der Führung des chinesischen Unternehmens sei der Grund für die Übernahme. Der Eingriff des niederländischen Wirtschaftsministers Vincent Karremans (38) bei Nexperia sei „keine Maßnahme gegen China“, so der Regierungschef gegenüber der niederländischen Nachrichtenagentur ANP beim EU-Gipfel in Brüssel. Karremans hatte zuvor Kontakt zu seinem chinesischen Amtskollegen aufgenommen, um eine Lösung zu finden.

Suche nach Ersatzlieferanten ist schwierig

Für Autohersteller ist es nicht einfach, auf den Ausfall Nexperias zu reagieren. Auf den ersten Blick handele es sich bei den Chips um Massenware, sagte Peter Fintl, Automobilexperte des IT-Dienstleisters Capgemini, der dpa. Allerdings seien sie oft sehr speziell angepasst und daher nicht so leicht zu ersetzen. „Für bestimmte Bauteile kann man nicht ohne weiteres auf andere Hersteller umswitchen.“ Das mache die Suche nach Ersatzlieferanten kompliziert und langwierig. Änderungen der Lieferketten seien zwar grundsätzlich möglich. „Allerdings spricht man hier nicht von Tagen oder Wochen, sondern von Monaten oder Quartalen“, so Fintl.

Autoindustrie warnt vor Produktionsausfällen

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte bereits vor möglichen Ausfällen wegen fehlender Chips – bis zu Produktionsstopps. Bisher laufe die Produktion in den Autowerken aber noch normal, hieß es bei den deutschen Herstellern.

Noch am Mittwoch hatte VW vor möglichen Produktionsausfällen gewarnt, die auch kurzfristig möglich seien. Mercedes-Benz teilte mit, man sei „im Kurzfristzeitraum abgesichert“. Der Konzern arbeite „intensiv mit Partnern daran, eventuell auftretende Lücken zu schließen“. Ähnlich hatte sich zuvor BMW geäußert.

Erste Zulieferer wie ZF richteten bereits Taskforces ein, um die Lage zu bewältigen. Gemeinsam mit Kunden und Lieferanten arbeite man daran, die von Nexperia-Produkten abhängigen Lieferketten weiterhin stabil zu halten und Alternativen zu prüfen.

Bosch teilte auf Anfrage mit: „Wie andere Kunden von Nexperia stellt auch uns die aktuelle Situation vor große Herausforderungen.“ Expertenteams stünden im engen Austausch mit dem Hersteller sowie anderen Lieferanten und Kunden, um mögliche Einschränkungen bei der Produktion zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.

Bundesregierung will eine unabhängige europäische Chipindustrie aufbauen

Auch die Bundesregierung sucht nach Lösungen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte am Mittwoch, man sei besorgt und mit den verschiedenen Beteiligten in engem Austausch – auch mit der chinesischen Regierung. Am Mittwochabend gab es dazu eine Schalte des Bundeswirtschaftsministeriums mit Verbänden und Unternehmen aus der Automobil- und Elektronikindustrie.

Das Bundeswirtschaftsministerium teilte mit, es sei mit den Unternehmen sowie den niederländischen und europäischen Partnern „in verschiedenen Formaten“ im Gespräch. „Wir setzen uns gegenüber China für die Interessen der deutschen Abnehmer der nun gesperrten Nexperia-Komponenten auf allen uns zur Verfügung stehenden Kanälen ein“, erklärte eine Sprecherin.

Weitere Details wollte das Ministerium nicht nennen; das Gespräch sei vertraulich. Das „Handelsblatt“ berichtete aus Teilnehmerkreisen, es sei festgehalten worden, dass die Industrie insgesamt die Substitution von Nexperia-Chips vorantreiben müsse. Gemeinsam würden Politik und Wirtschaft zudem erarbeiten, welche Konsequenzen aus dem Vorfall zu ziehen seien. Dabei dürfte es um den Aufbau einer unabhängigen Chipindustrie in Europa und um größere Sicherheitspuffer in den Lieferketten der Unternehmen gehen.

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